Schubert
Piano Trios • Notturno • Rondo • Arpeggione Sonata
Ondine ODE1394-2D
2 CD • 2h 17min • 2021
26.04.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Dieses Doppelalbum mit Werken für Streicher und Klavier hört man mit großer Freude, aber auch mit tiefer Trauer, weil es die letzte Aufnahme des viel zu jung von uns gegangenen Pianisten Lars Vogt ist, der im September 2022 seinem Krebsleiden erlag. Freude, weil ihm mit den Geschwistern Tetzlaff aus dieser Todesnähe eine Einspielung der Klaviertrios von Franz Schubert gelang, wie man sie sich brillanter, klarer, transparenter, aber auch subtiler, empfindsamer und erfüllter nicht wünschen kann.
Spätwerke eines Frühverstorbenen
Nach dem Tode Ludwig van Beethovens begriff sich Franz Schubert immer mehr als dessen legitimer Erbe. Daher sind die grandiosen Werke der Jahre 1827/28 durchaus als Antworten eines Gleichgestellten zu verstehen, der sich daran macht, die tradierten Formen in seinem Sinne weiterzuentwickeln. So leistet er sich „himmlische Längen“ – die auf bereits Bruckner und Mahler weisen – die nie langweilen und eine romantisch-phantastische Emotionalität.
Das B-Dur-Trio D 898 kann als direkte Antwort auf Beethovens Erzherzogtrio in derselben Tonart gelten. Der langsame Satz ist ein Wiegenlied mit den für Schubert typischen affektgeladenen Ausbrüchen, die er erstmalig in der fragmentarischen C-Dur-Klaviersonate D. 840 („Reliquie“) erprobt hatte und bis zu den drei späten Klaviersonaten beibehielt. Der später als „Notturno“ D 897 herausgegebene Einzelsatz war wohl als ursprünglich langsamer Satz in D 898 vorgesehen.
Dauert D 898 bereits „erzherzogliche“ 40 Minuten, sprengt das gleich im Anschluss entstandene Es-Dur-Trio D.929 mit sinfonisch anmutenden 50‘ den damals üblichen Zeitrahmen. Zudem bietet es eine formelle Neuigkeit, die die Gattung prägte: Das Hauptthema des „Andante con moto“ – eine trauermarschartige Umformung des schwedischen Volkslieds Se solen sjunker (Sieh, die Sonne versinkt), das der Komponist durch den Tenor Isaak Albert Berg im Haus der Schwestern Fröhlich kennen lernte – erscheint im Final-Rondo erneut als Seitensatz, um dort dramatisch gesteigert zu werden. Pjotr Tschaikowski, Camille Saint-Saëns und Sergej Rachmaninoff nahmen diese Idee in ihren Trios wieder auf. Prägend wurde dieser Kunstgriff für das Schaffen von César Franck.
Perfekte und zutiefst berührende Gestaltung
Lars Vogt schrieb seinen Trio-Partnern und Freunden Tanja und Christian Tetzlaff nach den Aufnahmen: „Wenn ich nicht mehr lange sein sollte, ist das ein würdiger Abschied. Ihr zwei seid der Wahnsinn. … Unfassbar. Solche Fragilität, solche Liebe.“
Dies spiegelt sich in der schlichtweg idealen Interpretation der Drei für Jeden nachvollziehbar wieder. Alle Details sind höchst poetisch ausziseliert, ohne dass irgendwo die große Linie und der Überblick der weitgespannten Satzformen verloren ginge. Vogt lässt die Läufe und Arpeggien perlen, spielt schlank und transparent. In dramatischen Momenten wuchtet er ohne jegliche Perkussivität Akkorde in die Tasten, die einen fast vom Hörplatz fegen. Jede Klanggeste ist ausgeformt. Die Tetzlaffs stehen ihm in nichts nach. Sie gebrauchen ihr Vibrato im Spohrschen Sinne als Verzierung und Intensivierung, ohne dadurch jemals gefühlig zu wirken. Das Gefühl entsteht allein durch die Musik. Meisterhaft! Dies kommt auch der quicken, ungarischen Beweglichkeit des Rondo und der einmal nicht mit fettem Ton geröhrten Arpeggione-Sonate D 821 zugute.
Die Klangtechnik geriet sensationell. Wer über einen guten Streaming-Player verfügt, sollte sich die hochauflösende Version (24-bit, 96 KHz) zulegen, die ein wesentlich größeres dynamisches Spektrum bietet. Der Booklet-Text der drei Solisten in Gesprächsform gibt wertvolle Einblicke in die Überlegungen des Trios.
Fazit: Sensationelle, perfekte, tief berührende Aufnahme der wichtigsten Werke Schuberts für Streicher und Klavier. In den Trios die absolute Referenz. Muss man unbedingt gehört haben!
Thomas Baack [26.04.2023]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Franz Schubert | ||
1 | Klaviertrio Nr. 1 B-Dur op. 99 D 898 | 00:40:54 |
5 | Notturno Es-Dur op. 148 D 897 für Violine, Violoncello und Klavier | 00:08:39 |
6 | Rondo h-Moll op. 70 D 895 für Violine und Klavier | 00:13:39 |
CD/SACD 2 | ||
1 | Trio Nr. 2 Es-Dur op. 100 D 929 für Klavier, Violine und Violoncello | 00:47:58 |
5 | Sonate für Arpeggione (Violoncello) und Klavier a-Moll D 821 (Arpeggionesonate) | 00:25:30 |
Interpreten der Einspielung
- Christian Tetzlaff (Violine)
- Tanja Tetzlaff (Violoncello)
- Lars Vogt (Klavier)