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Besprechung CD

Vivaldi

Bassoon Concerti
Sophie Dervaux • La Folia Barockorchester

Berlin Classics 0303724BC

1 CD • 68min • 2024

03.05.2025

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 7
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 7

Sophie Dervaux setzt ihre Einspielung der Fagottkonzerte Antonio Vivaldis fort, deren erste Folge ich durchaus für das virtuose Fagottspiel lobte, allerdings mit der Klangbalance zwischen Solistin und begleitenden Streichern nicht ganz glücklich war. Es empfiehlt sich übrigens eine CD mit Vivaldi-Konzerten – wenn es sich nicht gerade um die Quattro stagioni handelt – nicht als komplette Pizza, sondern häppchenweise zu verkosten. Dann ist der Genuss größer, da sich keine Übersättigung einstellen kann.

Vivaldi und das Fagott

Nach Violine und Violoncello steht das Fagott mit 39 Werken an dritter Stelle der Soloinstrumente in Vivaldis Konzertschafften. Über die Prominenz dieses um 1700 eigentlich unpopulären Instruments wurde schon früh gerätselt. Eine mögliche Lösung könnte in der Person von Ignazio Sieber liegen, der 1713-1716 und wiederum von 1728-1757 am Ospedale della Pietà Blockflöte, Traversflöte und Oboe unterrichtete und somit 1713-1716 und 1735-38 direkter Kollege von Vivaldi war. Er ist zwar als Fagottist nicht belegt, jedoch sind zu dieser Zeit Multi-Instrumentalisten eher die Norm, denn die Ausnahme. Zudem war das Fagott das Standardinstrument für die Basslinie, wenn Oboen oder andere Holzbläser beteiligt waren. So kann man annehmen, dass Sieber seine Schülerinnen auf dem Fagott begleitete. Hinzu kommt, dass die Griffweise des Barockfagotts oberhalb des großen F mit der der Altlockflöte identisch ist und dass Sieber – wie seine anspruchsvollen 6 Sonaten für Blockflöte belegen – jenes Instrument virtuos beherrschte.

Wenn man die Anforderungen in den 6 Triosonaten für zwei Oboen und Fagott von Jan Dismas Zelenka zugrunde legt, muss auch das Pult des ersten Fagottisten in Dresden brillant besetzt gewesen sein. Dorthin bestanden ja über den Vivaldi-Schüler Johann Georg Pisendel enge Kontakte, sodass es wohl auch hier Abnehmer gegeben hätte. Johann Gottfried Böhme, der von 1715-1752 diese Position einnahm, könnte womöglich in Frage kommen. Allerdings besteht hierfür kein archivarischer Beleg in Form von Abschriften.

Vollkommen irrig ist jedoch die Annahme von Solistin und Booklet-Autorin, dass ein Komponist im Barock für Instrumente, die er selbst nicht beherrschte, Konzerte schrieb, wenn er für sie keine Aufträge hatte oder sie in Druck geben wollte. Vielmehr hatte gerade Vivaldi ausreichend Bausteine für Figurationen und auf Partimenti basierende Ablaufmuster parat, die ihn schnell und effizient komponieren ließen.

Hotteterre oder Heckel?

Das Barockfagott ist die in Frankreich entstandene Weiterentwicklung des Bassdulzian in F durch Jacques Hotteterre, dem man Klappen für die beiden Daumen für die Töne bis B1 bzw. C hinzufügte. Halbtöne werden anders als auf dem modernen Fagott, bei dem für jeden ein eigenes mit einer Klappe versehenes Tonloch existiert, durch Gabelgriffe erzeugt, die durch ihren gedämpften Klang die Skala ungleichmäßig machen. Beispiel: das e der kleinen Oktave greift man auf dem obersten Loch mit dem Zeigefinger, für den nächsttieferen Halbton bleibt Loch 2 frei, aber Löcher 3 und 4 werden geschlossen, sodass eine Gabel entsteht. Daraus resultiert, dass die Wahl der Tonart die Klangfarbe des Instruments beeinflusste. Diese Möglichkeit geht beim modernen Heckel-Fagott verloren.

Somit verleiht das moderne Fagott den Stücken eine gewisse Glätte, die die routinierte Faktur der Werke eher unterstreicht, als dass sie diese durch Farbenreichtum aufrauht. Auch verführt es zu schnelleren Tempi in den Ecksätzen, sodass das stereotyp angebrachte, eher geigerische Figurenwerk an Individualität verliert. Sophie Dervaux meistert diese Tempi zwar intonatorisch äußerst sauber und grifftechnisch bravourös, enthebt sich damit jedoch der Verpflichtung „sprechend“ zu artikulieren und differenziert zu phrasieren. Damit erzeugt sie beim erstmaligen Hören womöglich ein bewunderndes Staunen. Mit jeder Wiederholung stellt sich jedoch größere Langeweile ein und man ertappt sich bei der Frage, ob das jetzt gerade das B-Dur oder das a-Moll Konzert war. Die Streicher phrasieren sinniger, können sich aber Rumpler im Stil des Giardino armonico der 80er Jahre an einigen Stellen nicht verkneifen.

Hinsichtlich der Aufnahme ist die Balance zwischen Solistin, Streichquintett und Continuo-Gruppe diesmal wesentlich besser gelungen.

Fazit: Wen es unbedingt nach den vollständigen Fagott-Konzerten Antonio Vivaldis gelüstet, greife zur Aufnahme von Sergio Azzolino.

Thomas Baack [03.05.2025]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Antonio Vivaldi
1Fagottkonzert F-Dur RV 488 00:08:56
4Fagottkonzert B-Dur RV 502 00:10:57
7Fagottkonzert a-Moll RV 500 00:09:18
10Fagottkonzert G-Dur RV 493 00:09:24
13Fagottkonzert C-Dur RV 477 00:13:22
16Fagottkonzert F-Dur RV 485 00:09:31
19Fagottkonzert a-Moll RV 498 00:10:59

Interpreten der Einspielung

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