Blackbird & Ancestors
Beth Levin Live in Concert
Mozart • Tiessen • Schubert
Aldilà Records ARCD 026
1 CD • 78min • 2024
11.11.2025
Künstlerische Qualität:![]()
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Gesamteindruck:![]()
Klassik Heute
Empfehlung
Unter den Händen von Pianistinnen und Pianisten der jüngeren bis mittleren Generation werden Franz Schuberts späte Klaviersonaten derzeit gerne zum Schauplatz der Extreme ausgebaut: mit kaum mehr hörbaren Pian-Pianissimo-Werten einerseits und emotionalen Entgrenzungen andererseits. In diesem Kontext ist es eine willkommene und in Vielem erhellende Abwechslung, mit Beth Levin einer Meisterin klassischen, nicht: klassizistischen Schubert-Spiels zu begegnen. Levin, Jahrgang 1950, zu deren Lehrern Marian Filar, Rudolf Serkin und Dorothy Taubman gehörten, legt hier den Live-Mitschnitt einer offenkundig hochkonzentrierten Münchner Aufführung aus dem letzten Jahr vor.
Die Fassung bewahrt
Ein Schlüsselmoment der G-Dur-Sonate D 894 ist der Höhepunkt im Kopfsatz, dessen Gestaltung charakteristisch für Beth Levins Kunst ist: Sie arbeitet die Kulmination klar heraus, nicht zuletzt durch eine minutiöse Vorbereitung mit weittragendem Atem, übersteigert sie aber nicht zum expressionistisch Katastrophischen. So, wie sie nicht Fassung verliert, wenn der Komponist krasse Visionen äußert, ist ihr Ausdrucksmittel überhaupt der genau bemessene Anschlag und eine absolute Kontrolle über ihren Ton, den sie bei leisen Stellen im Ganzen kleinhalten kann: Auch ihr Pianissimo ist nie bloß sensualistisch oberflächlich, sondern hat immer auch pianistische Substanz. Bei Schubert und in der Klaviersonate a-moll KV 310 von Wolfgang Amadeus Mozart wirkt sich auch das intime, hallarme Klangbild sehr positiv aus, das mehr von Salon als von Konzerthalle hat. In der Mozart-Sonate wirkt Beth Levin der gestanzten Präzision und Luzidität ihres Spiels mit spontan wirkendem Rubato spannungsvoll entgegen. Gerade die schnellen Sätze sind von sogartiger Geschlossenheit.
Wertvolle Wiederentdeckung
Von besonderem Interesse sind die Fünf Klavierstücke op. 21a von Heinz Tiessen, die der Komponist, Dirigent und Pädagoge – zu seinen berühmtesten Schülern gehörte Sergiu Celibidache – 1915 schrieb, und die hier sogar als Weltersteinspielungen vorliegen. Für die Rezeptionsgeschichte dieses interessanten und lange verschollenen Werkes lohnt sich der konkurrenzlos informierte Begleittext von Christoph Schlüren. Der junge Komponist zog diese Stücke nach der Uraufführung durch Eduard Erdmann zurück, weil er sie für revisionsbedürftig hielt; stilistisch changieren sie zwischen einem vollgriffigen Spätestromantizismus und der tonalen Unsicherheit des frühen Schönbergs. Könnte Tiessen hören, wie Beth Levin diese Stücke weit ein Jahrhundert nach ihrer Entstehung spielt, wie sie die freien Formen entschlossen zusammenfasst und gleichzeitig jeden Moment mit sprechender Bedeutung auflädt, würde er vielleicht davon absehen, sie zu überarbeiten – ein größeres Kompliment lässt sich Beth Levin kaum machen.
Prof. Dr. Michael B. Weiß [11.11.2025]
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Komponisten und Werke der Einspielung
| Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
|---|---|---|
| CD/SACD 1 | ||
| Wolfgang Amadeus Mozart | ||
| 1 | Klaviersonate Nr. 8 a-Moll KV 310 KV 300d | 00:16:34 |
| Heinz Tiessen | ||
| 4 | Fünf Stücke op. 21a für Klavier | 00:26:00 |
| Franz Schubert | ||
| 9 | Klaviersonate Nr. 18 G-Dur op. 78 D 894 | 00:34:35 |
Interpreten der Einspielung
- Beth Levin (Klavier)
