Within the Waves
Berio • Schubert
Sanna Vaarni
Stradivarius STR 37331
1 CD • 72min • 2024
12.12.2025
Künstlerische Qualität:![]()
Klangqualität:![]()
Gesamteindruck:![]()
Die finnische Pianistin Sanna Vaarni, Schülerin u.a. von Eero Heinonen und Ralf Gothóni, mittlerweile selbst am Musikinstitut von Espoo unterrichtend, ist in den vergangenen Jahren mit einer Reihe von CDs hervorgetreten, erschienen allesamt bei italienischen Labeln. Stand am Anfang ein Janáček-Album, so folgen danach CDs mit italienischer, französischer und japanischer Klaviermusik des 20. Jahrhunderts, und insofern belegt auch ihr neues Album namentlich durch die Einspielung von Luciano Berios Klaviersonate einmal mehr Vaarnis Engagement für südwesteuropäische Klaviermusik der Moderne. Die Kopplung mit Schuberts Klaviersonate G-Dur D 894 erscheint dabei zwar zunächst ungewöhnlich, ein Bezug zwischen beiden Komponisten ist aber natürlich bereits durch Berios Rendering vorhanden (und wird durch das zweite kurze Stück von Berio auf dieser CD noch unterstrichen).
Berios späte Klaviersonate
Carlo Serras anregender, in die Tiefe gehender Begleittext weist zudem darauf hin, dass es sich in beiden Fällen um die letzte zu Lebzeiten publizierte Sonate des Komponisten handelt. Faktisch natürlich korrekt, ist dies ist sicherlich ein wenig zu relativieren, etwa angesichts der Lebenssituation und der kompositorischen Schwerpunkte der Komponisten und erst recht, da Schubert ja nichtsdestotrotz noch weitere Sonaten schrieb. Im Falle von Berios Sonate aber handelt es sich in der Tat um ein ausgesprochenes Spätwerk, entstanden 2000/01 und auch musikalisch von einer gewissen Aura der Transzendenz geprägt. Dies gilt gerade für den enigmatischen, in seinen Klangfarben durchaus Bezüge zum Impressionismus aufweisenden Beginn, wenn die Musik über Minuten hinweg von langsam pendelnden Bs bestimmt wird – Assoziationen zum leisen Ticken einer Uhr liegen hier sehr nahe, zumal bei laut Partitur 54 Schlägen pro Minute. Ganz allmählich entwickelt sich dabei aus den zunächst fast beiläufig anmutenden Zweiunddreißigstelfiguren eine Bewegung, die sich schließlich in Tonrepetitionen verstetigt und die Musik ganz organisch in eine neue Phase leitet, die schließlich in einen massiven, rabiat-dissonanten Höhepunkt mündet. Man würde fast erwarten, dass sich die Musik am Ende rundet und zu ihrem Anfang zurückgeführt wird, was zwar in gewisser Hinsicht auch geschieht, aber eben doch nur eingeschränkt, denn ganz die Ruhe des Beginns erreicht die Musik nicht wieder, die flackernden Zweiunddreißigstel drücken dem „Schlussbild“ des Werks letztlich doch entscheidend ihren Stempel auf.
Ein grundsätzlich zurückhaltender Ansatz
Es ist begrüßenswert, dass sich Vaarni für diese bislang nicht allzu häufig eingespielte, wenigstens zu Beginn auch für mit zeitgenössischer Musik nicht in extenso vertraute Hörer gut zugängliche Sonate einsetzt. Dabei könnten manche der schnellen Figurationen (schon zu Beginn) etwas klarer, suggestiver geraten, und auch der Bogen bis hin zu den gewaltigsten (und gewalttätigsten) Höhepunkten des Werks wird von Vaarni nicht in aller Konsequenz ausgereizt. Etwas ambivalent auch die Eindrücke ihrer Lesart von Schuberts G-Dur-Sonate. Vaarnis wählt einen grundsätzlich soliden, eher zurückhaltenden Ansatz mit relativ verhaltenen Tempi (was passagenweise Tempowechsel nicht ausschließt). Inklusive aller Wiederholungen ergibt sich so eine Dauer von gut 42 Minuten. Prinzipiell ist dagegen nichts einzuwenden; allerdings neigt Vaarni dazu, in kleineren, als Resultat eher isolierten Einheiten zu denken, denen sie dann viel Gewicht verleiht – so zu beobachten im Menuett (seinen Melodiebögen, explizit auch am Beginn des Trios) und in den Schlusstakten der Sonate, die für sie eher Nachwort des Ganzen als sacht zurückgenommene, poetisch verklärte Erinnerung sind. Unterschiede etwa in der Dynamik spielen dagegen teils eine eher eingeschränkte Rolle, so etwa in der Durchführung des Kopfsatzes oder in den Kontrasten zwischen Forte und Piano im ersten Couplets des Finalrondos. Auch in Klangfarbe und Anschlag wäre mehr Differenzierung möglich, um dem für Schubert so charakteristischen Wechselspiel zwischen (manchmal wie entrückt wirkendem) Hell und Dunkel intensiver nachzuspüren, wohlgemerkt ohne in Übertreibungen zu verfallen.
Eine Brücke zwischen Berio und Schubert
Eine sehr hübsche Idee ist es, die beiden großen Sonaten von Berio und Schubert durch Berios Wasserklavier zu verbinden, 1965 entstanden und viel später als drittes Stück seiner Six Encores publiziert. Inspiriert durch Brahms’ Intermezzo op. 117 Nr. 2 und Schuberts Fantasie D 940, sorgt diese ruhige, in f-moll gehaltene Miniatur mit ihrem offenen Schluss für eine ganz natürliche Brücke zwischen den beiden Hauptwerken dieses Albums.
Holger Sambale [12.12.2025]
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Komponisten und Werke der Einspielung
| Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
|---|---|---|
| CD/SACD 1 | ||
| Luciano Berio | ||
| 1 | Sonata per pianoforte solo | 00:27:09 |
| 2 | Wasserklavier | 00:02:21 |
| Franz Schubert | ||
| 3 | Klaviersonate Nr. 18 G-Dur op. 78 D 894 | 00:42:16 |
Interpreten der Einspielung
- Sanna Vaarni (Klavier)
