Femmes de Légende
Frauen als Muse | Women of Legend
Nareh Arghamanyan Piano

hänssler CLASSIC HC25026
1 CD • 75min • 2023
19.09.2025
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die armenische, heute in Wien lebende Pianistin Nareh Arghamanyan huldigt der weiblichen Kreativität. Auf ihrem Album „Femmes de Légende“ präsentiert sie Klaviermusik von Komponistinnen aus drei Jahrhunderten: von der Barockkünstlerin Anna Bon di Venezia, die am Hof von Bayreuth wirkte, bis zu Ilse Fromm-Michaels, Moderne-Verfechterin in den 1920er Jahren. Rund die Hälfte der insgesamt 14 kreativen Damen stammt aus Frankreich. Seit jeher hatten es Frauen es dort leichter als hierzulande, in den Institutionen des Musiklebens Fuß zu fassen. Von einer Tradition, die bereits im Barockzeitalter Musikerinnen in der Kapelle des Königs kannte, profitierte auch Louise Farrenc, die Mitte des 19. Jahrhunderts eine beeindruckende Karriere hinlegte: als Pianistin, Komponistin und weltweit erste Frau auf einer Musikprofessur.
14 Komponistinnen aus drei Jahrhunderten
Louise Farrenc war mit dem Musikverleger Aristide Farrenc verheiratet, der ihre Werke im Druck herausgab. Ihre Etüden wurden weithin als Lehrmaterial genutzt. Nareh Arghamanyan wählt als Beispiel die Etüde op. 26 Nr. 29, deren Fuge das kontrapunktische Können der Komponistin illustriert.
Auch Farrencs deutsche Zeitgenossinnen besinnen sich auf barocke Traditionen. Clara Schumann wird hier mit einer Fuge im Geiste Bachs vorgestellt. Fanny Hensel ist mit dem März aus ihrem Jahreszeiten-Zyklus vertreten. Hensel variiert hier das auch von Bach bearbeitete Osterlied Christ ist erstanden.
Um 1900 machte sich eine ganze Reihe von Französinnen auf den Weg, das Konzertleben zu erobern. Zu ihnen gehört die Spätromantikerin Cécile Chaminade, mit deren virtuos garnierter Arabesque das Album beginnt.
Gewichtiger sind Lili Boulangers Thème et Variations. Boulanger, die als erste Frau den hochbegehrten „Prix de Rome“ erhielt und mit 24 Jahren an einem Lungenleiden starb, verbindet hier spätromantische Harmonien mit impressionistischen Klängen. Meisterhaft geht Arghamanyan mit der atmosphärischen Farbigkeit um; mal beleuchtet sie das Thema in zarter Transparenz, dann wieder in kraftvoller Verdichtung.
Auch Mélanie Bonis gehört in das Umfeld des Fin de Siècle. In Bonis‘ Omphale legt Nareh Arghamanyan ein impressionistisches Klangschwelgen an den Tag; bei Arpeggio-Wellen brilliert sie mit makellosem Leggiero.
Musikgeschichte zum Hören
Das Album macht neugierig auf weitere Komponistinnen diesseits und jenseits des Rheins. Für die französische Spätromantik steht Pauline Viardot-Garcias melancholische f-Moll-Serenade, während Johanna Senfter und Else Schmitz-Gohr den herben Einfluss Max Regers weitertragen. Maria Szymanowska wiederum gehört eine Generation vor Chopin zu den ersten weiblichen Klaviervirtuosen Polens.
Neben all diesen Miniaturen steht die E-Dur-Sonate der Haydn-Schülerin Marianne Martines als umfangreichstes Werk des Albums. In ihrer Interpretation legt Nareh Arghamanyan die heitere Anmut der Wiener Klassik an den Tag. Den introvertierten Charakter des Mittelsatzes ruft sie mit subtiler Dynamik und minimalem Pedaleinsatz hervor.
„Femmes de Légende“ hebt die Rolle von Frauen in der Musikgeschichte hervor. Das Album basiert auf einem klugen Konzept, das gemeinsam mit SWR-Kultur-Redakteurin Sabine Fallenstein entwickelt wurde. Nareh Arghamanyans interpretiert die Werke sensibel und technisch präzise, wobei sie die jeweilige charakteristische Klangsprache deutlich herausarbeitet. So wird der Ausflug in die weibliche Musikgeschichte zu einem eindringlichen Hörerlebnis.
Antje Rößler [19.09.2025]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Cécile Louise Chaminade | ||
1 | Arabesque op. 61 Nr. 1 | 00:04:33 |
Johanna Senfter | ||
2 | Vogelweise | 00:03:01 |
Anna Bon di Venezia | ||
3 | Sonate g-Moll op. 2 Nr. 1 | 00:08:20 |
Maria Szymanowska | ||
4 | Nocturne b-Moll | 00:03:47 |
Mélanie Bonis | ||
5 | VII. Omphale (aus: Femmes de Légende op. 86) | 00:04:20 |
Lili Boulanger | ||
6 | Thème et variations | 00:10:37 |
Nadia Boulanger | ||
7 | Vers la vie nouvelle | 00:04:41 |
Ilse Fromm-Michaels | ||
8 | Langsamer Walzer | 00:03:00 |
Else Schmitz-Gohr | ||
9 | Elegie für die linke Hand allein | 00:03:08 |
Marianne Martines | ||
10 | Sonate Nr. 3 E-Dur | 00:13:47 |
Pauline Viardot-Garcia | ||
11 | Sérénade f-Moll VWV 3015 | 00:03:43 |
Louise Farrenc | ||
12 | Étude op. 26 Nr. 29 | 00:01:48 |
Clara Schumann | ||
13 | Präludium und Fuge fis-Moll | 00:01:48 |
Fanny Mendelssohn-Hensel | ||
14 | März (aus: Das Jahr H 385, Zwölf Charakterstücke für Klavier) | 00:04:58 |
Interpreten der Einspielung
- Nareh Arghamanyan (Klavier)