Johann Joseph Abert
Ein musikalisches Portrait

Ars Produktion 38 679
1 CD • 69min • 2004, 2005, 2017, 2023
07.05.2025
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Mit dem Namen Abert verbindet der gebildete Musikfreund zwei bedeutende Musikwissenschaftler, Hermann und Anna Amalie. Deren Vater und Großvater, Johann Joseph (1832-1915), zu seiner Zeit ein erfolgreicher Dirigent und Komponist, ist dagegen kaum mehr ein Begriff. Seine Oper Ekkehard nach dem Roman Victor von Scheffels (1878) wurde zwar vor einem Vierteljahrhundert in Bad Urach wiederentdeckt und bei Capriccio als CD veröffentlicht (die heute als frühes Tondokument der späteren Weltstars Jonas Kaufmann und Christian Gerhaher geschätzt wird), doch fand sie danach keinen Eingang ins Repertoire. Der vom SWR und dem Label Ars Produktion gemeinsam unternommene Versuch, Abert mit einem Komponisten-Portrait zu ehren, füllt in jedem Fall eine diskographische Lücke.
Aufstieg und Vergessen
In Böhmen geboren und in Prag ausgebildet, fand Abert seinen Wirkungskreis in Stuttgart, erst als Kontrabassist im Orchester, später als Musikdirektor und schließlich durch die Protektion der einflussreichen Pauline Viardot als Hofkapellmeister. Schon in seiner Studienzeit hatte er mit dem Komponieren begonnen und war dann in seinen Stuttgarter Jahren auch in dieser Hinsicht sehr intensiv tätig, wobei der Schwerpunkt auf dem Gebiet der Oper lag. Abert pflegte Kontakte zu den Dichtern Ludwig Uhland und Eduard Mörike, mit dem wesentlich älteren Justinus Kerner und dessen ebenfalls dichtenden Sohn Theobald war er befreundet. Bei einem mehrmonatigen Studienaufenthalt in Paris machte Abert Bekanntschaft mit den Größen der französischen Oper, ebenso mit Gioacchino Rossini und Richard Wagner, auch bei der skandalumwitterten Tannhäuser-Premiere war er dabei. In den 1870er Jahren wurde er dann zu einer festen Größe im Musikbetrieb, dessen Werke von führenden Verlagen wie Breitkopf & Härtel und Schott vertrieben wurden. Doch gegen Ende des Jahrhunderts begann sein Ruhm zu verblassen, und als er mit 82 Jahren starb, war er so gut wie vergessen.
Querschnitt durch das Schaffen
Von seinen Bühnenwerken hatte neben dem seinerzeit vielgespielten Ekkehard die 1866 in Stuttgart uraufgeführte romantische Oper Astorga den größten Erfolg. Sie behandelt eine historisch nicht verbürgte Episode aus dem abenteuerlichen Leben des sizilianischen Komponisten Emanuele Astorga (1680-1755), dessen Stabat mater (das in der Oper kurz zitiert wird) noch heute gelegentlich aufgeführt wird. Astorga liebt Eleonore, die Frau seines Todfeindes Balbaces, und wird seinerseits von seiner hochbegabten Schülerin Angioletta heimlich geliebt, was genügend opernfähiges Konfliktpotential bietet. Sofern man das aus den drei vorliegenden, lediglich klavierbegleiteten Ausschnitten schließen kann, steht Abert hier in der Tradition Webers und der romantischen Opern Wagners. Seine über zwei Dutzend Lieder, von denen das Album etwa die Hälfte enthält, gewinnen gegenüber den Arbeiten großer Zeitgenossen wie Johannes Brahms kaum individuelles Profil. Melodisch eingängig, bleiben sie in der Klavierbegleitung relativ konventionell. Von den sieben Symphonien, die Abert zwischen 1852-1894 komponiert hat, ist hier der dritte Satz der vierten (mit dem programmatischen Titel Columbus. Musikalisches Seegemälde in Form einer Sinfonie) in einem zeitgenössischen Klavier-Arrangement zu hören, das keine Rückschlüsse auf Aberts Instrumentierungskünste zulässt. Den stärksten musikalischen Eindruck hinterlässt in dieser Sammlung das Streichquartett A-Dur, von dem leider nur zwei Sätze gespielt werden, darunter das originelle Scherzo.
Gepflegtes Niveau
Das von Joachim Draheim konzipierte und kommentierte Komponisten-Portrait ist offenbar in zwei Etappen entstanden. Die Hälfte der Titel wurde schon vor zwanzig Jahren aufgenommen, der Rest in jüngster Zeit, ohne dass sich im Darstellungsstil Brüche ergeben. Die Instrumentalisten können sich dabei mehr profilieren als die Sänger, die durchweg gepflegtes Stadttheater-Niveau halten. Die Soubrette Larissa Wäspy, die einen Teil der Lieder und die Opern-Ausschnitte gestaltet, verfügt naturgemäß nicht über den stimmlichen Farbenreichtum, um die beiden gegensätzlichen Frauenrollen in Astorga deutlich voneinander abzusetzen.
Ekkehard Pluta [07.05.2025]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johann Joseph Abert | ||
1 | An Lina | 00:01:08 |
2 | Verschiedene Empfindungen an einem Platze | 00:01:46 |
3 | Trennungsschmerz op. 5 | 00:04:42 |
4 | Liebesahnung op. 6 | 00:03:11 |
5 | Mutter und Tochter op. 7 | 00:02:26 |
6 | 2. Satz Adagio aus Streichquartett A-Dur op. 25 | 00:05:05 |
7 | 3. Satz Scherzo - Trio Un poco più lento aus Streichquartett A-Dur op. 25 | 00:04:39 |
8 | Präludium Nr. 1 Es-Dur | 00:02:48 |
9 | Freies Präludium Nr. 2 E-Dur | 00:01:44 |
10 | Abends auf dem Meere op. 31 (Musikalisches Seegemälde in Form einer Sinfonie) | 00:07:57 |
11 | Astorga (1. Akt Nr. 3: Szene und Arie der Angioletta) | 00:07:12 |
12 | Astorga (2. Akt Nr. 7: Rezitativ und Arie der Eleonore) | 00:05:33 |
13 | Astorga (2. Akt Nr. 8: Rezitativ Balbaces/Eleonore und Cavatine des Balbaces) | 00:03:12 |
14 | Dort ist so tiefer Schatten | 00:03:07 |
15 | Kalt und schneidend weht der Wind | 00:02:24 |
16 | Süße, liebliche Gestalt | 00:02:22 |
17 | Wiegenlied | 00:01:35 |
18 | Wandern | 00:01:47 |
19 | Auf geheimem Waldespfade | 00:02:32 |
20 | Des Glasers Töchterlein | 00:03:17 |
Interpreten der Einspielung
- Larissa Wäspy (Sopran)
- Roswitha Sicca (Mezzosopran)
- Thomas Pfeiffer (Bariton)
- Martin Nagy (Tenor)
- Claus Temps (Bariton)
- Ljiljana Borota (Klavier)
- Megumi Sano (Klavier)
- Heike Bleckmann (Klavier)
- Ira Maria Witoschynskyi (Klavier)
- Joachim Draheim (Klavier)
- Jürgen Rieger (Orgel)
- Albert Quartett Stuttgar (Streichquartett)