Foreign Masters
Max Volbers recorder • Alexander von Heissen harpsichord
Berlin Classics 0303407BC
1 CD • 77min • 2023
21.09.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Max Volbers und sein Partner an Cembalo und Orgelpositiv Alexander von Heissen nehmen sich in ihrer neuesten Einspielung dem dankbaren Thema der Blockflötenmusik in London zwischen 1700 und 1730 an. Schließlich bestand ein Drittel aller Ausgaben des als Verleger und Raubkopierer berüchtigten John Walsh aus Publikationen für dieses bei den Gentlemen ungemein beliebte Instrument. Die beiden Interpreten mischen hier gekonnt seit langem im Repertoire Verankertes mit eigenen Arrangements von eigentlich für andere Instrumente gedachten Kompositionen. Bei zwei „Schlachtrössern“ gelingt ihnen eine Referenzaufnahme.
Blockflöten nicht nur in C und F
Der neben den Denners wohl berühmteste Blockflötenbauer des Barock, Pierre Bressan, baute in London nicht nur Instrumente in F (heute: Alt-Flöte, damals: Common Flute) und C (heute: Sopranflöte, damals, da eine Quinte höher stehend: Fifth Flute) Zwischenstufen in D (klein Sixth Flute, in Tenorlage: Voice Flute mit dem Umfang der Traversflöte) B (Fourth Flute), und A (Third Flute). Zudem gab es in Italien noch einen Alt in G, auf dem sich einige Kammerkonzerte Vivaldis wesentlich angenehmer spielen lassen. Max Volbers verwendet für seine Einspielung alle diese exotischen Varianten, sodass man sich endlich einmal einen Eindruck vom Klangfarbenreichtum unterschiedlicher Blockflötentypen verschaffen kann.
Händel on the Rocks
Natürlich nehmen Georg Friedrich Händel und sein Umfeld bei dieser Wahl des Repertoires einen prominenten Platz ein. Volbers und von Heissen gelingt eine Referenzaufnahme der Sonate HWV 367a in h-Moll, die wohl ursprünglich für die Common Flute in d-moll zum Continuo-Unterricht von Prinzessin Anne, Tochter Georg II, geschrieben wurde. Die h-Moll Fassung ist eine Raub-Adaption für die Traversflöte vom Verleger Walsh, die sich aber auf der Voice-Flute ebenfalls hervorragend macht und im Furioso (Track 3) dem Cembalisten bequemer in den Fingern liegt. Ihre Interpretation übertrifft – gerade, was die fantasievolle, affektgemäße, aber niemals plakative Erfindung von freien Verzierungen im Stil Corellis betrifft – alle bisherigen Aufnahmen. Alexander von Heissen, zeigt bereits hier durch seine gekonnte Realisierung des Generalbasses, was in ihm steckt. Ein wahres Feuerwerk brennt er jedoch in William Babells Bearbeitung von Vo fa guerra aus Rinaldo ab, die eine Aufzeichnung von Händels eigener Realisierung des obligaten Cembalo-Parts sein soll.
Ebenso brillant gelingt den Beiden die mittlerweile von den Blockflötisten als Quasi-Original adoptierte, virtuose Bearbeitung von Arcangelo Corellis La Follia op. 5, 12, die aufgrund eleganter Ornamentik und kluger Phrasierung ebenfalls zur neuen Referenz aufsteigt.
Die Suite XVI von Jacques Paisible gefällt mir wegen der eher zackig-eckigen Interpretation hingegen weniger. Da fehlt mir der lässige französische Charme.
Bearbeiten gehört zum Handwerk
Man mag diskutieren, ob man, wenn beispielsweise die 24 Sontaten aus L’Alphabeth de la Musique von J. C. Schickhardt weitestgehend noch einer Einspielung harren, unbedingt Werke für Violine oder Traverso kapern muss. Allerdings sind diese Bearbeitungen durchweg gelungen, sodass man über diese Piraterie auch nicht allzu bös sein kann.
Souveräne Virtuosen
Max Volberts und Alexander v. Heissen erweisen sich in dieser Einspielung als souveräne Virtuosen auf ihren Instrumenten. Beide sind in ihrer künstlerischen Entwicklung mittlerweile so weit vorgedrungen, dass sie es nicht mehr nötig haben, ihr selbstverständlich fließendes Musizieren mit äußeren Effekten und Mätzchen abzuwerten. Zu den schwersten Aufgaben eines Blockflötisten gehört es, eine ergreifende Linie schlicht und ohne Schnörkel beseelt vorzutragen. Dies gelingt im abschließenden Come o Sleep von Alessandro Scarlatti.
Volberts sehr gelungener Booklet Text mit vollständigen Angaben zu Instrumenten und Stimmung erläutert die Hintergründe und die Aufnahmetechnik schafft es endlich einmal, das Cembalo als gleichberechtigten Partner abzubilden.
Fazit: Referenzaufnahme für Händel und Corelli. Das können Michala Petri und Dan Laurin auch nicht besser. Ein paar überflüssige Unarten à la Steger im Paisible und den dann allerdings gegen Schluss mit hinreißender Zungenfertigkeit gestaltetem Variationen von G. Carbonelli kann man ignorieren. Definitiv empfohlen und für die Jahresliste vorgemerkt.
Thomas Baack [21.09.2024]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Georg Friedrich Händel | ||
1 | Sonate d-Moll HWV 367a für Blockflöte und B.c. | 00:12:57 |
Anon. | ||
8 | Cibell by Sigr. Baptist | 00:01:17 |
Giuseppe Matteo Alberti | ||
9 | Sonate op. 3 Nr. 4 für Violine und B.c. | 00:07:29 |
Johann Christoph Pepusch | ||
12 | Cease your funning | 00:02:10 |
Giuseppe Sammartini | ||
13 | Sonate g-Moll op. 13 Nr. 5 | 00:07:52 |
William Babell | ||
16 | Vo fa guerra | 00:11:14 |
Jacques Paisible | ||
17 | Suite XVI a-Moll für Blockflöte und B.c. | 00:07:58 |
Giovanni Stefano Carbonelli | ||
22 | Sonata da Camera Nr. 6 A-Dur für Blockflöte und B.c. | 00:06:04 |
Francesco Barsanti | ||
23 | The lass of Peatie's mill | 00:03:12 |
Arcangelo Corelli | ||
24 | Sonata op. 5 Nr. 12 für Blockflöte und Basso continuo (La Folia, Variationen über eine altspanische Sarabande) | 00:10:34 |
Alessandro Scarlatti | ||
32 | Pyrrhus and Demetrius (Come O Sleep; transkr. für Blockflöte: Max Volbers) | 00:04:16 |
Interpreten der Einspielung
- Max Volbers (Blockflöte)
- Alexander von Heissen (Cembalo)