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Besprechung CD

TYXart TXA 15061

1 CD • 64min • 2015

02.09.2015

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 7
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 8

Hermann Goetz (1840-76), im für immer erloschenen Königsberg geboren und später in der Schweiz heimisch geworden, starb zu früh, um sich wirklich umfassend zu entfalten. Das Erhaltene spricht nicht nur dafür, dass er eine der größten Begabungen seiner Generation war: sein schmales Œuvre ist von durchweg hoher Qualität, und zweifellos gehört er zu den bedeutendsten Komponisten aus der „zweiten Reihe“, also unter den Vergessenen, wo er immer wieder neben feinen Meistern wie Burgmüller, Volkmann, Draeseke oder Gernsheim Erwähnung findet. Hier erklingt neben dem 1867 komponierten, Brahms zugeeigneten Klavierquartett E-Dur op. 6, mit dem er zu Lebzeiten erfolgreich war, das nachgelassene Klavierquintett c-Moll op. 16 von 1874, welchem Goetz das Motto ‚Und wenn der Mensch in seiner Qual verstummt, gab mir ein Gott zu sagen, was ich leide’ voranstellte. Dieses Quintett ist in der Besetzung von Schuberts Forellenquintett gehalten, also mit einem Kontrabass anstatt eines 2. Cellos oder einer 2. Bratsche, und muss als eine der erlesensten kammermusikalischen Kompositionen seiner Zeit gelten. Das Klavierquartett verwendet zyklisch verbindende Elemente wie die reizvoll überraschende, kurze Antizipation des Scherzos kurz vor dem nicht schließenden Ende des langsamen Variationssatzes, das die Attacca-Folge des Scherzos verlangt. Formal knapper und insgesamt noch bezwingender, und im Ton von entschiedenerer Eigenart, ist das Klavierquintett. Überall zeigt sich ein Meister, dessen melodische Erfindung ausdrucksvoll, edel und wohlbalanciert ist, der beweglich moduliert und kadenziert wie ein Fisch im Wasser, über einen kraftvollen, einprägsamen Rhythmus, verfeinerte kontrapunktische Meisterschaft und einen ausgeprägten Sinn für das spezifisch Instrumentale verfügte.

Man kann diese Musik also nur uneingeschränkt empfehlen und hoffen, dass sie sich endlich weiter verbreitet und diese Neuaufnahme einen Anstoß dazu gibt. Leider ist es bei diesen Besetzungen nicht üblich, wie etwas bei Streichquartetten oder Klaviertrios eine eingespielte Formation zu bilden, wodurch wir uns fast immer auf einem Niveau bewegen, das wir z. B. auf dem Gebiet des Streichquartetts allenfalls tolerieren, keineswegs jedoch für bemerkenswert erachten könnten. Auch hier sind die Musiker offenkundig nicht aufeinander eingespielt, zu unterschiedlich sind der Zugang und das Verständnis der Beteiligten. Oliver Triendl, der als Pianist zugleich das größte Kontingent an Noten zu bewältigen hat, bildet dabei den sicheren Fels in der Brandung, um den sich das Geschehen formieren kann, wobei ihm sein unbestechlicher Rhythmus besonders gut zustatten kommt. Die oftmals sehr uneleganten, da plötzlich stockenden Gliederungs-Rubati gehen aufs gemeinsame Konto, da weiß der Hörer nicht, wer hier der Anstifter war. Die Geigerin Marina Chiche neigt zu dominantem Spiel, es wäre anzuraten, sich mehr als Teil eines fragilen Ganzen zu begreifen und aus diesem Bewusstsein heraus zu agieren, und unbedingt bräuchte es mehr differenziertes Bewusstsein für die Phrasierung, die in sehr stereotyper Weise fast immer gleichbedeutend mit Betonung der schweren Zeiten ausfällt. Jedenfalls ist so Bratschistin Peijun Xu oft im Hintergrund, wo sie sich bestimmend einbringen sollte, und auch dem erfahrenen Cellisten Niklas Schmidt kann es nicht gelingen, derlei Inhomogenitäten auszugleichen (nichts anderes gilt für den Kontrabassisten Matthias Beltinger). Diese Musiker mögen alleine oder in anderen Formationen zu ungleich überzeugenderen Aussagen in der Lage sein, hier agieren sie weitgehend nebeneinander her.

Auch gelingt es der Tontechnik durchaus nicht, das klar auszuleuchten, was die Aufführung nicht realisierte. Von großer Zuneigung ist der Booklettext von Gottfried Franz Kasparek gezeichnet. Leider gelingt es im ersten Satz des Klavierquartetts nicht, die Vorschrift ‚Rasch und feurig’ wirklich einzulösen, was nicht am absoluten Tempo liegen muss – es fehlt das Vorandrängende als grundsätzlicher Ausdruckswert in einem Sinne, der eigentlich an Schumann erinnert. Die dynamische Palette ist weitestgehend zu flach erfasst, was sowohl daran liegt, dass z. B. meist nicht wirklich Pianissimo als Grundwert realisiert wird, wo es erforderlich ist, als auch das gemeinsame Forte und Fortissimo keine Kompaktheit aufweist, weil keine wirkliche Abstimmung der Bogenführung untereinander stattfand. Das müsste alles viel orchestraler, vielschichtiger, bewusster in der Dimensionierung begriffen werden! So wirkt alles kleinteiliger, domestizierter, uninspirierter, als es unbedingt sein sollte. Eine verdienstvolle Leistung, die manche Bemühungen der Vorgänger übertrifft, jedoch auch darauf wartet, von künftigen Anwärtern übertroffen zu werden.

Christoph Schlüren [02.09.2015]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Hermann Goetz
1Klavierquartett E-Dur op. 6 00:37:42
5Klavierquintett c-Moll op. 16 00:26:01

Interpreten der Einspielung

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