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Besprechung CD/SACD stereo/surround

BIS 1989

1 CD/SACD stereo/surround • 77min • 2013

03.10.2014

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 8

Im Rahmen seiner kleinbesetzten Gesamtaufnahme der Sinfonien Franz Schuberts mit dem Swedish Chamber Orchestra für BIS ist Thomas Dausgaard nun bei den zwei frühesten Sinfonien des Meisters angelangt, die dieser als Jugendlicher vollendet hat. Außer jeder Frage steht die Qualität dieser Musik, auch der mit 16 Jahren komponierten ersten Sinfonie in D-Dur, die bereits mit ihrem mächtigen Kopfsatz höchsten Anspruch einlöst.

Dausgaards Zugang ist von der Auseinandersetzung mit der historischen Aufführungspraxis geprägt, doch weicht er in manchen Punkten erfreulich von den geläufigen Standards ab. So werden viele Notenlängen auch in den Streichern gewissenhaft ausgespielt, wo andere alles stereotyp kurz nehmen, sobald keine Legatobögen dies unmöglich machen. (Andererseits gibt es auch extrem abgerupfte Tutti-Staccati mit entsprechend unausgewogener Klangwirkung.) Dausgaard hat einen durchaus natürlichen Instinkt für lyrische melodische Bögen und besticht mit lebendig artikulierter Rhythmik. Weniger ausgeprägt ist das harmonische Gespür, wo Modulationen eben nicht sinnfällig dargestellt werden in ihrem Gefälle von Spannungs- und Entspannungsmomenten, was in der Feindifferenzierung freilich auch in keiner Partitur steht.

Problematisch ist die sehr kleine Streicherbesetzung. Dies kommt zwar oftmals dem Hervortreten der Holzbläser zugute, doch wird dann eben zu oft alles andere im forte und fortissimo durch massives Blech niedergebügelt. Was ist die Alternative? Äußerste Diskretion der Blechbläser wäre zu wünschen, und eben nicht gleicher Kraftaufwand für Stärkere wie für Schwächere. Andernfalls braucht man doch wieder einen größeren Streicherapparat, was zur Folge hat, dass sich eventuell gelegentliche Verdopplungen des Holzbläsersatzes empfehlen. Aber davon sind wir hier meilenweit weg, also bliebe nur der Verzicht auf ein pauschales Fortissimo in allen Stimmen, was ohnehin der einzige Weg zu einer kultivierten Darstellung ist. Hier ist insbesondere der Beginn der ersten Sinfonie stark entstellt, indem die punktierten Werte der Streicher teils vollkommen überdeckt werden, und die melodischen Sprünge im Menuett der Ersten sind zu einem guten Teil mit dem Ohr nicht verifizierbar – dies nur die gröbsten Schnitzer hinsichtlich der Balance.

Viele Fragen entstehen zu den Tempi. Am dramatischsten ist dies traditionell im Kopfsatz der ersten Sinfonie, deren Adagio-Einleitung zum Allegro vivace-Haupttempo mit Alla breve bezeichnet ist, was für eine ziemlich flotte Gangart sorgt. Da aber dieser Anfang dann mitten im Satz ohne Kennzeichnung wiederkehrt, geht die Rechnung gar nicht auf, und sehr unorganisch bremst Dausgaard merklich ab, um dann ebenso unorganisch das Tempo wiederaufzunehmen. Nun wissen wir, dass Alla breve in zwei entgegengesetzten Richtungen verwendet wurde: halbtaktiger Puls statt Vierteln wie jedermann bekannt, oder acht statt vier Schläge pro Takt! Letzteres wäre die einzig mögliche Lösung, um einen identischen Puls mit den Halben des Haupttempos zu erreichen. Sodann auch: warum hier eine effekthaschende Schluss-Stretta?

Der zweite Satz ist ein 6/8-Siciliano-Andante. Hier steht nichts von Alla breve und es steht außer Zweifel, dass Achtel die gegebene Lösung sind – wodurch das Tempo breiter und die Gestaltung viel detailgerechter würde, ohne dass es deswegen schleppend sein müsste. Auch das Menuett wird zu zügig genommen, wodurch das Trio deutlich breiter daherkommt, wo nur ein fein nuancierter kleiner Unterschied passen würde.

Wie wenig sinnvoll es ist, überall Wiederholungen zu spielen, wo sie konventionell notiert sind, zeigt sich bei der lang ausladenden Exposition des Kopfsatzes der zweiten Sinfonie – es wird einfach endlos und hält nicht mehr zusammen, da kann man mit noch so viel Verve agieren. Im zweiten Satz, Andante-Variationen über ein bezaubernd volstümlich anmutendes Thema, macht Dausgaard dynamische Modifikationen bei den Wiederholungen, die zwar nicht ohne einen gewissen Reiz sind, jedoch von Schubert in keiner Weise intendiert wurden. In der dramatischen Moll-Variation lässt er dann genau diese an der betreffenden Stelle weg und alterniert stattdessen mit extremen Kontrasten von Tenuto und Staccato, die seine persönliche Erfindung sind. Das Menuett wird viel zu schnell genommen, was zur Folge hat, dass das Trio völlig isoliert dazwischentritt, und in der Coda des Finales brennen wieder alle Temposicherungen durch.

Zwischen die beiden Sinfonien ist als wirkungsvoller Kontrast der verhaltene Trauermarsch aus dem Opernfragment Adrast von 1820 eingeschoben, und zum Schluss erklingt die berühmte Zauberharfe-Ouvertüre (gemeinhin bekannt als Rosamunde-Ouvertüre) – auch diese wird mit einer galoppierenden Schluss-Stretta aufgepeppt.

Aufgrund der generellen Balanceprobleme ist die Tontechnik häufig über die ihr zur Verfügung stehenden Manipulationsmöglichkeiten hinaus überfordert. Wo dies nicht der Fall ist, ist das Klangbild sehr stimmig und durchsichtig. Der Booklettext von Horst A. Scholz informiert gründlich.

Christoph Schlüren [03.10.2014]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Franz Schubert
1Sinfonie Nr. 1 D-Dur D 82 00:27:21
5Adrast D 137 (1817/1819) 00:04:23
6Sinfonie Nr. 2 B-Dur D 125 00:33:46
10Ouvertüre zu "Die Zauberharfe" D 644 00:09:51

Interpreten der Einspielung

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