Niels W. Gade Piano Works
cpo 777 628-2
1 CD • 59min • 2010
07.11.2013
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Merkwürdigerweise konnte die Musik des Dänen Niels Wilhelm Gade (1817 – 1890) im internationalen Konzertbetrieb nie so heimisch werden wie die seines etwas jüngeren norwegischen Kollegen Edvard Grieg. Gades Hauptwerke, die Sinfonien, aber etwa auch intimer besetzte Werke wie die Klaviersonate op. 28 beweisen ein Talent für große Formen, die durch interessante motivische Arbeit erfüllt werden. Diesen langen Atem hatte Grieg nicht, doch machten ihn vielleicht die geschickt eingestreuten Skandinavismen europaweit attraktiv, die Gade tendenziell weniger wichtiger waren. Vielmehr zeigt die schön zusammengestellte Auswahl von Klavierwerken, welche die dänische Pianistin Christina Bjørkoe vorlegt, dass Gade sich eher an der poetischen Kunst Robert Schumanns orientierte als an Nationalismen. Es ist deshalb dieser Musik sehr angemessen, dass Bjørkoes Spiel eine sehr beachtliche Sensibilität aufweist; sie hat ein Ohr für Zwischentöne, abgeschattete Farben, effektvolle Ritardandi, überhaupt eine lebendige Agogik, kurz: Sinn für das reflektierende Sich-selbst-Nachlauschen der Musik.
All diese Qualitäten machen Christina Bjørkoes Spielweise aber nicht einseitig romantisch; gerade in den beiden Sammlungen von Tonbildern, den Aquarellen, wird durch den kernigen, distinkten Anschlag und das differenzierte Non-Legato zusätzlich zur Klangsinnlichkeit auch genügende Transparenz erreicht. Leider ist, eigentlich unüblich für eine cpo-Produktion, das Klangbild etwas problematisch. Die Akustik des Kopenhagener Saals, in dem die Aufnahmen 2010 gemacht wurden, ist offenbar ziemlich stumpf; es wäre nicht etwa mehr Brillanz gefragt, aber doch ein höheres Maß an Obertonreichtum und ein breiteres dynamisches Spektrum. Die Begleitfiguren im furiosen Finale der Klaviersonate etwa erreichen trotz Christina Bjørkoes Energien nicht die Intensität, die sie haben könnten, sondern verbleiben in einer dynamisch eigentümlich geduckten Haltung. Das untergründige, gefährliche Brodeln, das eigentlich auskomponiert ist, kann sich so nicht einstellen. Auch die Höhepunkte im Scherzo der Klaviersonate, die nach dem Notentext eine fast orchestrale Macht ausbilden, könnten sicherlich noch stärker entfesselt werden. Zwar hat die Zurückhaltung, die Christina Bjørkoe hier übt, auch den Vorteil, dass die Musik selbst innerhalb größter Erregung stilvoll bleibt; verbunden mit der reduzierten Klangphotographie jedoch verbleibt die Dynamik in einem etwas gemäßigten, ja braven Umfang.
Prof. Michael B. Weiß [07.11.2013]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Niels Wilhelm Gade | ||
1 | Klaviersonate op. 28 | 00:22:29 |
5 | Aquarelle op. 19 (Heft 1) | 00:07:41 |
10 | Aquarelle op. 19 (Heft 2) | 00:09:32 |
15 | Neue Aquarelle op. 57 (Tonbilder für Pianoforte) | 00:12:17 |
20 | Andantino | 00:01:57 |
21 | Klaviersatz (ursprünglich 4. Satz aus der Klaviersonate) – Andantino | 00:04:39 |
Interpreten der Einspielung
- Christina Bjørkøe (Klavier)