Ludwig van Beethoven
Piano Concerto No. 5
BIS 1793
1 CD/SACD stereo/surround • 53min • 2009
14.09.2010
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Auch der Abschluss des Beethoven-Konzerte-Zyklus des Labels BIS auf SACD hinterlässt bei mir einen eher zwiespältigen Eindruck, selbst wenn ich Ronald Brautigam als Musiker ganz außerordentlich schätze. In der Tat ist es sein klares, nuancen- und spannungsreiches Spiel, das diese Einspielung in meinen Ohren musikalisch vor allem rettet. Grundsätzlich bedenklich ist für mich der Ansatz, Norringtons problematischen Stuttgart-Sound unreflektiert zu übernehmen: Auch Andrew Parrott, bekannt geworden mit auf alten Instrumenten spielenden Instrumentalisten, möchte gern einen „reinen Klang“, vorgeblich „historisch informiert“, auf ein modernes Sinfonieorchester übertragen. Zur Ehrenrettung des Norrköping Symphony Orchestra sei vorweggenommen, dass sich die Musiker dies nicht nur gefallen lassen, sondern auch ausgesprochen sauber und klangschön umsetzen können. Doch der offenbar ebenfalls der Ideologie vom „non vibrato“ im 19. Jahrhundert verfallene Dirigent lässt die Streicher (wohl auf modernen Saiten), wo immer es ihm angebracht scheint, ausgesprochen gerade, vibratofreie Töne spielen, die dadurch fallweise erschreckend arm an Timbre und Nuancen werden. Das fällt natürlich nicht weiter ins Gewicht, wenn das Orchester reine Begleitfunktion hat. Doch der Verzicht auf noch das leiseste Beben macht den Streicherklang insbesondere im langsamen Satz und bei längeren, melodischen Phrasen ausgesprochen arm. Der Gesamtklang scheint oft nur durch das atmende Spiel des Solisten und den großzügigen Hall zum Tragen zu kommen. Hingewiesen sei zumindest darauf, dass zu Zeiten Beethovens die Klavierdirektion noch keineswegs ausgestorben war und der Klaviersolist durchaus in den Tutti noch den Basso zu verstärken pflegte. Darauf hat man bei dieser Beethoven-Darbietung durch das romantische Missverständnis vom „emanzipierten Solo“ (wie üblich) verzichtet. Dabei hätte gerade die hier herausgestellte Positionierung des Klaviers (ohne Deckel!) in der Mitte des Orchesters ein solches Musizieren ermöglicht. So wirkt alles in allem dieser Beethoven in Sachen Aufführungspraxis ausgesprochen heikel, balanciert auf dem schmalen Grat zwischen „informiert“ und „ignorant“. Besser wäre es gewesen, entweder ein Pianoforte und ein Orchester mit Originalinstrumenten und Darmsaiten zu verwenden, oder im Gegenteil ein modernes Klavier mit einem Pianisten alter Schule, begleitet von einem modernen Orchester, das alle klanglichen Möglichkeiten ausschöpft, als – wie hier – einen Steinway-D-Flügel zu benutzen, zurückhaltend gespielt, und ein modernes Orchester, das halbherzig „historisch informiert“ spielt und auf vorgeblichen „Alt-Klang“ getrimmt ist. Darüber kann auch nicht hinwegtäuschen, das Solist und Orchester vorzüglich musizieren, denn der Klang wirkt insgesamt zu monochrom und dünn. Das kann man nicht mit „kammermusikalischer Intimität“ entschuldigen, wie es der Pianist im Booklet versucht.
Der Chorfantasie mangelt es etwas wenig an Wucht: Gerade solche Stücke waren von Beethoven durchaus darauf berechnet, die Massen zu überwältigen. Der Versuch, Brautigams „kammermusikalischen“ Ansatz hier ebenfalls zu verwenden, funktioniert zwar in der Einleitung, doch im Hauptteil gelingt es den Beteiligten nicht, den Schalter zum Jubel umzulegen: Wenn der Chor etwa drei Minuten vor Schluss endlich zum ersten Mal einsetzt (Tr. 4, 14’51), dringt kaum „Großes ins Herz“, und auch wenn man in der Coda die Anlage voll aufdreht, wird man nicht wirklich von „Göttergunst“ überwältigt. Selbst wenn die Aufnahme im Mehrkanal-Modus noch deutlich besser klingt (in Zweikanal-Stereo klingt beispielsweise die Pauke dumpf), ist dies ein Beethoven wie kalter Kaffee.
Dr. Benjamin G. Cohrs [14.09.2010]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Ludwig van Beethoven | ||
1 | Klavierkonzert Nr. 5 Es-Dur op. 73 | 00:34:23 |
4 | Fantasie c-Moll op. 80 für Klavier, Chor und Orchester (Chorfantasie) | 00:17:26 |
Interpreten der Einspielung
- Ronald Brautigam (Klavier)
- Hanna Holgersson (Sopran)
- Marie Olhans (Mezzosopran)
- Maria Sanner (Alt)
- Mikael Stenbaek (Tenor)
- Gunnar Birgersson (Bariton)
- Ove Pettersson (Bass)
- Norrköping Symphony Orchestra (Orchester)
- Andrew Parrott (Dirigent)