CAvi-music 8553183
1 CD • 68min • 2009
10.03.2010
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Chopin auf einem aus der Entstehungszeit der Préludes op. 28 stammenden Erard-Flügel, wo der Pole doch die Pleyel-Instrumente wegen ihrer feineren Nuancierungsmöglichkeiten bevorzugte? Warum nicht, weiß die in Indien geborene Sheila Arnold diesem Instrument doch selten zu hörende klangfarbliche Schattierungen abzugewinnen, verbunden mit dem Ausreizen dynamischer Kontraste innerhalb eines sehr brillanten Spiels. Auch arbeitet sie besonders in den die Préludes op. 28 einrahmenden Balladen Nr. 1 g-Moll op. 23 und Nr. 4 f-Moll op. 52 die weit auseinander liegenden Extreme in Sachen Gefühlslagen und Tempi anhand feiner Tonmodulationen und glasklarer Artikulation gekonnt heraus. Auch ist die Programmzusammenstellung durchaus sinnvoll. Was die Préludes in 24 Miniaturen an voneinander abgegrenzten lyrischen, epischen und dramatischen Momenten ausbreiten, das vermengt sich in den beiden Balladen jeweils auf engstem Raum. Hierfür trifft Sheila Arnold auf dem Erard-Flügel auch den notwendigen, unverwechselbaren Chopin-Ton, der zwischen unterschiedlichen emotionalen Hitzegraden, zwischen Träumerischem und Dämonischem viele ungeahnte Zwischentöne kennt. Trotzdem stehe ich ihren Chopin-Deutungen etwas ratlos gegenüber.
Teilweise gelingen der Kämmerling-Schülerin fesselnde Stimmungsbilder, in denen sie sich inmitten eines gezügelten Gefühlsüberschwangs als Meisterin des kalkulierten Aufbaus erweist: Der auf einer durchgehenden Vermischung dreier rhythmischer Modelle basierende gespenstische Wirbel des fis-Moll-Préludes (Nr. 8) gelingt ihr vortrefflich, auch das Wiegende des Préludes H-Dur (Nr. 11) oder das frei von jeglicher Sentimentalität gestaltete Des-Dur-Prélude (Nr. 15) samt seinem cis-Moll-Trauerzug, dessen erschütternde Unerbittlichkeit von einer großen dramaturgischen Intelligenz der Künstlerin zeugt. Fortwährend scheint Sheila Arnold Verborgenem auf den Grund gehen zu wollen. Doch verliert sie sich in ihrer Tiefgründigkeit immer wieder in einer äußerst freien und mir sich nicht erschließenden Tempohandhabung, auch in einer bisweilen unorganisch anmutenden Phrasierung. Die Folge sind oftmals abreißende Spannungsbögen und ein bisweilen stockender melodischer Fluss, was der strukturellen Klarheit mancher Stücke nicht gerade dienlich ist. Das e-Moll-Prélude (Nr. 4) verliert dadurch seinen grüblerischen Zug, das feierlich Schreitende des E-Dur-Préludes (Nr. 9) zerfällt ebenso wie der düstere c-Moll-Trauermarsch (Nr. 20); für mich nicht nachvollziehbar ist auch der unregelmäßige Puls des Préludes As-Dur (Nr. 17). Als fast unerträglich empfinde ich schließlich die extrem in die Länge gezogene Largo-Einleitung, das beinahe Zerstückeln des Hauptthemas sowie manch seltsame Rubati im lyrischen Seitenthema der Ballade g-Moll op. 23. Welche interpretatorische Idee hinter all dem steckt, welches Chopin-Bild Sheila Arnold damit vermitteln möchte, bleibt mir leider verborgen.
Christof Jetzschke [10.03.2010]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Frédéric Chopin | ||
1 | Ballade Nr. 1 g-Moll op. 23 – Largo - Moderato | 00:10:49 |
2 | 24 Préludes op. 28 | 00:44:53 |
26 | Ballade Nr. 4 f-Moll op. 52 Nr. 4 | 00:11:50 |
Interpreten der Einspielung
- Sheila Arnold (Klavier)