BIS 1704
1 CD/SACD stereo/surround • 63min • 2008
21.05.2009
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Das Jahr 2009, in dem Mendelssohns 200. Todestag gedacht wird, bietet Gelegenheit auch an die Werke dieses Komponisten zu erinnern, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht in der Gunst der Interpreten oder des Publikums stehen. Unter den Sinfonien erfreuen sich die Nummer 4 („Italienische“) und Nr. 3 („Schottische“) großer Beliebtheit , gelegentlich wird auch die Nr. 5 („Reformationssinfonie“) aufgeführt - doch wann hört man je im Konzertsaal die stürmische Erste oder gar die Zweite? Umso erfreulicher ist, dass nun aus Skandinavien eine gelungene Neueinspielung der zweiten Sinfonie kommt.
Mendelssohns Zweite ist ein Zwitter: einerseits Sinfonie mit umfangreicher Einleitung, drei rein instrumentalen Sinfoniesätzen (Teil I); andererseits eine „Sinfonie-Kantate“ für Soli, Chor und Orchester (Teil II). Bemerkenswert ist, dass dieses „geistliche“ Werk 1839/40 für einen ganz weltlichen Anlass komponiert wurde: die Vierhundertjahrfeier der Erfindung der Buchdruckerkunst. Mendelssohn verklammert geschickt geistliche und weltliche Thematik. Seine Sinfonie-Kantate nach Worten der Heiligen Schrift hat zwar das Bibelwort „Alles, was Odem hat, lobe den Herrn“ zum Thema. Und die zentrale Aussage, dass anstelle der Finsternis und Dunkelheit das Licht gekommen ist, trifft auch auf den Buchdruck zu, der des ermöglichte, die „Finsternis“ der Unbildung zu überwinden und der seinen entscheidenden Anteil an der Entwicklung der Zivilisation hatte.
Das Erfreulichste an dieser Aufnahme, die anläßlich von Konzerten im April 2008 in Bergen entstand, ist der Verzicht auf (falsche) Feierlichkeit und religiöses Pathos. Die verkündigenden, appellativen oder gar affirmativen Passagen (vor allem der zentrale Choral „Alles, was Odem hat, lobe den Herrn“) werden nicht stürmisch bekennend gesungen, die erzählenden haben keinen belehrenden Unterton. Beispielhaft ist, wie Christoph Prégardien das Rezitativ „Saget es, die ihr erlöset seid“ und die Arie „Er zählet unsere Tränen“ vorträgt: ganz im Oratorienton, ohne falsche Emphase, aber doch mit dem nötigen Affekt; das Duett der Soprane „Ich harrete des Herrn“ hat lyrische Qualitäten; der Chor „Sagt es, die ihr erlöset seid“ hebt mit einem sehr zarten Einsatz der Tenöre an, das Orchester begleitet sehr diskret. Exemplarisch auch, wie der Tenor nach der Arie „Stricke des Todes“ sein „Hüter, ist die Nacht bald hin?“ mit feiner, sich steigernder Dramatik gestaltet und wie auf seine Frage der kräftig antwortende Chor mit „Die Nacht ist vergangen“ eine neue Stimmung schafft.
Andrew Litton, seit 2003 Chefdirigent der traditionsreichen Bergener Philharmoniker, widmet den sinfonischen wie den oratorischen Aspekten des Werkes die gleiche Aufmerksamkeit; er hat die vokalen und instrumentalen Kräfte im Griff, sorgt für Balance und Deutlichkeit. Die Dramaturgie ist stimmig. Litton lässt, wo nötig, mit großer Diskretion begleiten, er vermeidet Überdramatisierung und hat – was nicht zuletzt entscheidend ist – auf Wortverständlichkeit geachtet. Chöre und Solisten singen erfreulich deutlich. Der Klang der Aufnahme ist natürlich, voll, präsent, könnte allenfalls ein wenig transparenter sein.
Peter Heissler [21.05.2009]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Felix Mendelssohn Bartholdy | ||
1 | Sinfonie Nr. 2 B-Dur op. 52 (Lobgesang) |
Interpreten der Einspielung
- Judith Howarth (Sopran)
- Jennifer Larmore (Mezzosopran)
- Christoph Prégardien (Tenor)
- Bergen Philharmonic Choir (Chor)
- KorVest (Bergen Vocal Ensemble) (Chor)
- Danish National Vocal Ensemble / DR (Chor)
- Bergen Philharmonic Orchestra (Orchester)
- Andrew Litton (Dirigent)