Bruch + Tveitt
Berlin Classics 0302757BC
1 CD • 61min • 2022
11.04.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Dies ist das dritte Album, das die norwegische Geigerin Ragnhild Hemsing für das Label Berlin Classics aufgenommen hat. Ragnhild Hemsing ist keine "normale" klassische Geigerin. Neben der Violine spielt sie auch die norwegische Hardangerfiedel, die neben den herkömmlichen vier Saiten noch über einige Resonanzsaiten verfügt, die unter dem Griffbrett verlaufen und die dem Instrument einen volleren, "akkordischeren" Klang verleihen, als man ihn von der Konzertgeige gewohnt ist. Erst im vergangenen Jahr machte die Künstlerin mit einer für Hardangerfiedel, Violine und Streicher arrangierten Version von Griegs Peer Gynt-Musik von sich reden; die CD erschien ebenfalls bei Berlin Classics.
Sigurd Lie – ein jung verstorbener Meister
Auch auf der vorliegende Einspielung ist die Hardangerfiedel wieder dabei – mit einem eigens für sie komponierten Konzert des Norwegers Geirr Tveitt, seinem zweiten für dieses Instrument. außerdem gibt es zwei weitere norwegische Werke für Violine und Orchester: Johann Svendsens einst sehr populäre Romanze sowie Huldra aa'n Elland des 1904 jung verstorbenen Sigurd Lie. Und dann, als Brücke zur deutschen Romantik, Max Bruchs unverwüstliches Violinkonzert Nr. 1. Alle Komponisten des Programms verbindet, dass sie in Leipzig studierten.
Temperamentvoller Bruch
Bei einer solch ungewöhnlichen Kombination liegt es auf der Hand, das es die norwegischen Kompositionen sind, die zuerst und vor allem interessieren. Zwar liefert Ragnhild Hemsing eine ausgesprochen sensible und klangschöne, gleichzeitig temperamentvolle Interpretation des Bruch-Konzerts, die sämtlichem Kitschverdacht konsequent aus dem Weg geht und die durch die betont tänzerische Herangehensweise im Finale tatsächlich einen Bogen zu Tveitts Konzert spannt. Doch wurde dieses Werk natürlich so oft aufgenommen, dass jeder seine persönliche Lieblingsaufnahme besitzt oder zumindest im Kopf hat. Es spricht für Hemsings Interpretation, dass sie sich mühelos im oberen Feld behaupten kann. Ihre Stärken spielt sie aber ebenso überzeugend in den beiden kurzen Stücken von Svendsen und Lie aus, wobei sie das Bergen Philharmonic Orchestra unter Eivind Aadland hochkompetent unterstützt.
Tveitt – ein Unikat
Tveitts Konzert mit dem Untertitel Drei Fjorde stellt dann zweifelsohne den Höhepunkt der Veröffentlichung dar. Das Werk ist – nicht unlogischerweise aufgrund der Wahl des Soloinstruments – von der norwegischen Folklore beeinflusst. Dies allerdings in Kombination mit Tveitts unverwechselbar eigener Tonsprache. Darin ähnelt Tveitt Komponisten wie Bartók, auch wenn die Musik des Norwegers nicht so modern klingt wie die Bartóks. Spätromantisch ist sie allerdings auch nicht, sondern einfach: ein Unikat. Es ist zu wünschen, dass sowohl Tveitt als auch Ragnhild Hemsing mit dieser CD viele neue Freunde finden.
Einen kleinen Minuspunkt gibt es nur für das Beiheft: Es finden sich keine Künstlerbiographien, die Entstehungszeit des Tveitt-Konzerts (1965) sucht man vergeblich, und auch über Geschichte und Charakteristika der Hardangerfiedel hätte man gern ein paar Worte gelesen.
Thomas Schulz [11.04.2023]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Max Bruch | ||
1 | Konzert Nr. 1 g-Moll op. 26 für Violine und Orchester | 00:24:31 |
Johan Severin Svendsen | ||
4 | Romanze op. 26 für Violine und Orchester | 00:08:00 |
Sigurd Lie | ||
5 | Huldra aa'n Elland für Violine und Orchester (Konzertstück) | 00:09:04 |
Geirr Tveitt | ||
6 | Konzert Nr. 2 op. 252 für Hardangerfiedel und Orchester (Drei Fjorde) | 00:19:35 |
Interpreten der Einspielung
- Ragnhild Hemsing (Violine)
- Bergen Philharmonic Orchestra (Orchester)
- Eivind Aadland (Dirigent)