Phantomes An Organ Spectacular
OehmsClassics OC 606
1 SACD • 74min • 2004
06.06.2006
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Innerhalb der Orgeldiskographie stellen diejenigen Recitals, welche die Orgel als ein „spektakuläres“ oder „sensationelles“ Instrument präsentieren wollen, eine eigenständige Untergattung dar. Harald Feller, Professor an der Münchner Musikhochschule, wählt für sein „Organ Spectacular“-Genrestück eine recht interessante Programm-Idee: Er kontrastiert bekannte Originalwerke mit neu-arrangierter Filmmusik, wobei Nino Rotas Sonata per Organo als das Originalwerk eines besonders als Filmkomponisten bekanntgewordenen Tonsetzers eine Art Zwischenstück darstellt.
Leider ist die Realisation der Idee nicht ganz geglückt. Das bekannteste der Originalwerke, Bachs Toccata und Fuge d-moll BWV 565, legt Feller in einer, vorsichtig gesagt, sehr wenig individuellen, ja, akademischen Interpretation vor, die weder einen spontanen Eindruck erweckt, der das legendäre Werk quasi-improvisatorisch auffassen würde, noch durch eine besonders bruchlose formale Gestaltung überzeugt. Kurzweiliger geriet die Ouvertüre zu Rossinis Wilhelm Tell, weil die Bearbeitung von Edwin H. Lemare die Möglichkeiten der modernen Orgel tatsächlich ausnützt, um orchestrale Effekte zu imitieren; doch auch hier wirkt der reine Verfremdungseffekt interessanter als die tatsächliche Spielweise, die Rossinis Orchesterreißer eher ungelenk und buchstabierend wiedergibt als besonders energetisch. Viernes titelgebendes Stück Phantomes schließlich zerfällt gemäß seiner eher kruden, im Begleitheft abgedruckten ästhetischen Programmatik in einzelne Episoden, die sich aber zu keinem musikalischen Ganzen runden.
Der Gesamteindruck der Platte ist jedoch auch deshalb zu durchwachsen, weil die im engeren oder weiteren Sinne filmmusikalischen Werke von so unterschiedlichem Wert sind. In seiner Orgelsonate von 1965 stellte Nino Rota für sich reizvolle Gedanken vor, konnte jedoch nicht wirklich an die ästhetische Wirkmacht seiner besten Filmpartituren (man denke etwa an die Hyper-Opernhaftigkeit des Paten!) anknüpfen. Es zeigt sich an seinem Beispiel nicht zum ersten Mal, daß die Anforderungen an eine faszinierende Filmmusik wesentlich andere sind als die an eine interessante Konzertmusik. Auch Norbert Jürgen Schneiders Toccata konnte schon im Film Schlafes Bruder nicht die dramaturgische Funktion erfüllen, die ihr der Handlungsverlauf eigentlich abverlangt hätte, nämlich das Auftreten einer genialen Improvisationskunst zu suggerieren: Mit viel zu abgestandenen, bloß beliebig zusammenmontierten Gesten wird hier Pseudo-Virtuosität vorgespiegelt; überflüssig zu sagen, daß die Musik ohne Filmbilder noch weniger trägt.
Bleibt Fellers Re-Interpretation der Star Wars-Musik John Williams, die hier den einzigen tatsächlichen filmmusikalischen Wurf darstellt. Abgesehen davon, daß man in dieser Version einmal einiges an kleingliedrigem Figurenwerk deutlich hören kann, ist die Orgel der martialischen Präzision des originalen Blechbläsersatzes der Orchesterpartitur jedoch nicht gewachsen. – Diese Platte ist insgesamt eher kurios als spektakulär.
Prof. Michael B. Weiß [06.06.2006]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johann Sebastian Bach | ||
1 | Toccata und Fuge d-Moll BWV 565 | |
Gioachino Rossini | ||
2 | Ouvertüre zu Wilhelm Tell | |
Louis Vierne | ||
3 | Phantômes (aus: Pièces des Fantaisie) | |
Nino Rota | ||
4 | Orgelsonate (1965) | |
John Williams | ||
5 | Star Wars-Suite (Bearb. für Orgel) | |
Norbert Jürgen Schneider | ||
6 | Toccata (Schlafes Bruder) |
Interpreten der Einspielung
- Harald Feller (Orgel)