Movie Themes Made In Germany
Orchestral Scores by Enjott Schneider

Solo Musica SM 489
1 CD • 77min • 2025
21.10.2025
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Enjott Schneider will seine Filmmusiken „aus den Archiven raus und ins Konzertleben" bringen, wie er dem Deutschlandfunk verriet. Der Münchener Komponist, der in diesem Jahr 75 Jahre alt geworden ist, lässt auf seinem neuen Album bei Solo Musica ausgewählte Werke aus drei Jahrzehnten als symphonische Suiten wiederauferstehen – und beweist damit, dass diese Musik auch ohne ihre ursprüngliche Filmfunktion überzeugt. Schneiders Filmmusiken wirken zeitlos, weil sie rein instrumental und physisch daherkommen. Das ist ein bewusster Gegenentwurf zu den elektronischen Klangteppichen zahlloser Produktionen, die unweigerlich den Zeitgeist ihrer Entstehung verraten und oft inflationär oder überholt wirken. Trotz unterschiedlicher Instrumentierung fügen sich die Stücke zu einem geschlossenen dramaturgischen Bogen. Empfindsame Harmoniewechsel wirken wie subtile Belichtungswechsel im Kino, instrumentale Stimmen zeichnen Charaktere mit der Präzision eines erfahrenen Kameramanns. Die Musik gebärdet sich tänzerisch leichtfüßig, voller Bewegung auf imaginären Leinwänden, auf denen auch ohne Kenntnis der „Vorlagen" individuelle Filme in der eigenen Fantasie entstehen dürfen.
Soundtracks für die Fantasie
Schneiders Ansatz wird in vielen Facetten spürbar: Er geht der Psychologie eines Films und der Situation eines Charakters auf den Grund, um dies in Klänge, Töne, Motive und Themen zu fassen – damit am Ende eine unmittelbare Wirkung den Kern der Sache trifft. In Jenseits der Sehnsucht entfalten sich zarte Sehnsuchtsträume in fragilen Streicherfarben, manches aus der Spätromantik vertraut, aber durch modernere, subtil spannende Elemente verwandelt. Bei Catarina von Siena ist mit modal anmutender Harmonik mystische Spiritualität im Spiel, während die viersätzige Stalingrad-Suite das Szenario existenzieller Bedrohung in komplexer Dramaturgie zwischen orchestraler Wucht und kammermusikalischer Intimität ohne Worte erzählt. Immer wieder durchsetzt von sehnsuchtsvollen, manchmal verführerischen Wendungen, entbehrt manche Idee nicht einer gewissen Süßlichkeit. Doch der sorgsam ausbalancierte atmosphärische Duft behauptet sich selbstbewusst als ästhetisches Programm, um auch eigenen Bilderwelten in der Fantasie den richtigen Soundtrack zu geben.
Protagonisten als Träger spezifischer Klangcharaktere
Die drei Solisten – Andreas Skouras am Klavier, Friedemann Eichhorn an der Violine und vor allem Inga Balzer-Wolf mit ihren mystischen Sopran-Vokalisen – verstehen sich weniger als virtuose Protagonisten denn als Träger spezifischer Klangcharaktere, die sich organisch in die Orchesterfarben einfügen. Das WDR Funkhausorchester unter Frank Strobel erweist sich als idealer Interpret dieser orchestralen „Übersetzungsleistung". Strobels Dirigat dokumentiert Schneiders ästhetische Haltung mit respektvoller Klarheit und dosiert die emotionalen Farben so behutsam, dass die Anflüge von Pathos und Süßlichkeit immer plausibel wirken und nie in Sentimentalität abgleiten. Fazit: „Movie Themes Made in Germany" beweist, dass so manche Musik zu gut ist, um in den Archiven zu verstauben.
Stefan Pieper [21.10.2025]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Norbert Jürgen Schneider | ||
1 | Jenseits der Sehnsucht (Elegie für Solovioline und Streicher) | 00:04:31 |
2 | Catarina von Siena. Die Mystikerin für Klavier und Orchester | 00:05:12 |
3 | Mondsee für Violine und Orchester | 00:04:22 |
4 | Die andere Frau (Poem für Klavier und Orchester) | 00:09:10 |
5 | Leise Schatten | 00:12:40 |
6 | Movie Themes made in Germany | 00:09:56 |
7 | Die Flucht (Orchestersuite) | 00:11:05 |
11 | Evolution (Konzert für Klavier und Orchester) | 00:13:18 |
14 | Wunder des Mauerfalls - Leipzig 1989 | 00:06:54 |
Interpreten der Einspielung
- Inga Balzer-Wolf (Sopran)
- Friedemann Eichhorn (Violine)
- Andreas Skouras (Klavier)
- WDR Funkhausorchester Köln (Orchester)
- Frank Strobel (Dirigent)