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Besprechung CD

Ludwig van Beethoven

Theatre Music

cpo 555 754-2

4 CD • 4h 23min • 2018,2019, 2020

20.10.2025

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Zuerst und vor allem sei die Konzeption dieser Vierfach-CD gelobt: Ich kenne keine Aufnahme, die alle, wirklich alle Theatermusiken Beethovens vereinigt: alle Ouvertüren, die Theatermusiken zu den textlich fragwürdigen Die Ruinen von Athen op. 113 und König Stephan op. 117 auf Texte von August von Kotzebue, zu Goethes Egmont op. 84 sowie das komplette Ballett Die Geschöpfe des Prometheus, aber auch das weihevolle Opferlied op. 121, die Chorkantate Meeresstille und glückliche Fahrt op. 112 und sogar das kanonenknallende und fanfarenfreudige Opus Wellingtons Sieg op. 91, das der Dramaturg Kai Weßler im auskunftsfreudigen und erklärungsreichen Booklet wegen der „räumlichen Entfaltung der realistischen Schlachtendarstellung und in der klanglichen Überwältigung“ kurzerhand als theatralisch definiert.

Erzählerische Vehemenz bei den Schauspielern

Kai Weßler benennt aber auch das editorische Problem: „Spielt man Beethovens Musik ohne gesprochenen Text, dann reduziert man ein Werk, in dem Sprache und Musik eng miteinander verbunden sind, auf eine beliebige Folge von musikalischen Nummern.“ Weil Kotzebues Text aber heute fragwürdig bis unverständlich wirkt, hat Kai Weßler diese Texte bearbeitet:

Den Text der Ruinen von Athen hat er stark gekürzt und Fragmente von Schillers Gedichten (Der Antritt des neuen Jahrhunderts, Das Eleusische Fest und Ode an die Freude) collagenartig eingebaut. Das hebt die Qualität des Gesamt-Opus nicht unerheblich, Schillers Pathos ist ja dem von Beethoven adäquat. Für Egmont hat Weßler die deklamatorisch verbindenden Texte von Grillparzer gewählt. So rücken Schauspieler in eine wichtige Interpretationsrolle der theatralischen Musik: Sidonie von Krosigk spricht als Athene in natürlichem Sprachfluss deutlich mit sehr sympathischem Timbre, emphatisch dem Text hingegeben und manchmal geradezu lodernd vor eifrigem Mitteilungsdrang. Männlich-kernig ist die Stimme von Bernd Tauber in König Stephan, erzählerische Vehemenz mit großer Variationsbreite des Erzählens, nämlich mal verkündend, mal raunend, mal liebesflüsternd, mal nachdenklich, herrscht bei Frederic Böhle in Egmont. Die alte Form des Melodrams kommt hier bestens zur Geltung. Alle Texte sind deutsch und englisch im Booklet abgedruckt.

Ein schlank und klangsatt singender Chor

Der Tschechische Philharmonische Chor Brünn agiert hier Gottseidank nicht als vibrato-wabernder Opernchor, sondern als schlank, aber klangsatt singender, durchaus durchschlagskräftiger Oratorienchor mit deutlicher deutscher Artikulation – nur einige Vokalfärbungen verraten die nichtdeutsche Herkunft. In Meeresstille und glückliche Fahrt entäußert sich der Chor nach dem äußerst spannungsgeladenen Pianissimo zu Beginn in fast ekstatischem Jubel. Auch als reine Männer- und Frauenchöre können die Sänger und Sängerinnen bestehen. Als griechischer Oberpriester führt Simon Bailey in den Ruinen von Athen einen echt dramatischen Bass ins Feld, Raffaela Lintl ist ein Klärchen voll Klarheit und mädchenhaftem stimmlichen Charme.

Nimmermüder dramatischer Furor im Orchester

Doch der theatralische Hauptakteur ist das Orchester, das Opernorchester der Opernfestspiele Heidenheim, nämlich die Cappella Aquileia, die den alten lateinischen Namen dieser Stadt in ihrem Namen trägt. Markus Bosch, seit 2010 Leiter dieses Orchesters, treibt es zu nimmermüdem dramatischem Furor an. Wendig und arbeitsfreudig, mit immer neuem frischen Schwung und Elan, immer vorwärtsdrängend, immer beschwingt und befeuernd, rasch in Fahrt kommend, mit sehr präzis einsetzenden Bläsern und herrlich klingenden Hörnern bringt das Orchester die theatralische Musik Beethovens mit allem exotischem Klingeln, Trompetenglanz und vibrierendem Streicherglanz zum Erklingen. Dabei bleibt alles geschmackvoll, auch bei allem Lärmen und Schmettern z. B der König-Stephan-Ouvertüre oder der Knalligkeit und Klangmonstrosität in Wellingtons Sieg.

Entdeckenswerte Musik jenseits der Symphonien

Wie detailreich Bosch arbeitet, lässt die hervorragende Tonregie immer wieder hören, so z. B. im Presto-Jubel der Streicher in Leonoren-Ouvertüre N. 2, wo die Streicher fein artikulieren und nicht alles, wie sonst oft, in ein Streichergeschmier ausartet. Und geradezu liebevoll gestalten Marcus Bosch und seine Cappella Aquileia Beethovens Ballettmusik Die Geschöpfe des Prometheus op. 43. Dazu lässt sich der Musikwissenschaftler und Journalist Eckardt van den Hoogen im Booklet wild-assoziationsreich und etwas flapsig aus, gibt aber gute Hinweise, wie bzw. was man in den einzelnen Sätze hören könnte. „Unvergleichliche Musik“ und „ein Stück wie für eine Symphonie“ findet er in dem längsten Satz Nr. 5 (CD 4, Track 7) und preist da den Einsatz einer Harfe, die selten bei Beethoven ist, ein liebreiches Fagott und ein schön singendes Cello (tonschön: Clemens Weigel). Und liebevoll kosten die Musiker dieses hochidyllische Stück aus. Aber auch der fröhlichen Marschmusik in Nr. 8 schenken sie die gleiche Aufmerksamkeit wie dem überraschenden Einsatz des träumerischen Bassetthorns in Nr. 14.

Für Vollständigkeitsfanatiker wie für diejenigen, die Beethoven abseits seiner Symphonien kennenlernen wollen, ist diese Vierfach-CD eine wahre Fundgrube, hübsch präsentiert von der Cappella Aquileia unter Marcus Bosch.

Rainer W. Janka [20.10.2025]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Ludwig van Beethoven
1Die Ruinen von Athen op. 113 00:41:30
20Meeresstille und glückliche Fahrt op. 112 00:06:43
21Opferlied op. 121b 00:05:04
CD/SACD 2
1König Stephan Es-Dur op. 117 (Festspiel von August Kotzebue. Komponiert zur Eröffnung des Theaters in Pest im Jahre 1812) 00:32:25
16Leonoren-Ouvertüre Nr. 2 C-Dur op. 72a 00:11:54
17Leonoren-Ouvertüre Nr. 3 C-Dur op. 72b 00:12:10
18Leonoren-Ouvertüre Nr. 1 C-Dur op. 138 00:08:19
19Ouvertüre zu "Fidelio" op. 72 00:05:56
CD/SACD 3
1Musik zu J. W. v. Goethes Trauerspiel "Egmont" op. 84 00:38:34
18Coriolan-Ouvertüre c-Moll op. 62 00:06:58
19Die Weihe des Hauses C-Dur op. 124 (Ouvertüre) 00:09:35
20Zur Namensfeier op. 115 (Ouvertüre) 00:07:03
21Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria op. 91 00:09:30
CD/SACD 4
1Die Geschöpfe des Prometheus op. 43 (Ballett) 01:02:17

Interpreten der Einspielung

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