Shostakovich
Piano Trios | Piano Quintet
Oliver Schnyder Trio • Julia Fischer • Nils Mönkemeyer

Prospero Classical PROSP0035
1 CD • 77min • 2020
08.08.2025
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Pünktlich zum 50. Todestag Schostakowitschs erscheint beim eigentlich ja noch ziemlich jungen, bemerkenswert umtriebigen Schweizer Label Prospero eine Hommage an den großen sowjetischen Komponisten, die mit dem Klavierquintett und den beiden Klaviertrios zwei seiner populärsten Kammermusikwerke überhaupt enthält. Die Interpreten lesen sich prominent, wird doch das (nach seinem Pianisten benannte) Oliver Schnyder Trio unterstützt durch Julia Fischer an der Violine und Nils Mönkemeyer an der Viola; die Aufnahmen selbst entstanden bereits vor fünf Jahren im Sommer 2020.
Kantabilität in den langsamen Sätzen
Am Beginn des Albums steht das große Klavierquintett g-moll op. 57 (1940). Den gravitätischen Beginn des Werk (das ja in wenigstens drei seiner fünf Sätze deutlich von barocken Einflüssen geprägt ist) begreifen die Interpreten durchaus rund, sonor, mit eher warmem, die Kantabilität der musikalischen Linien betonendem Klang. Dass sie dabei eher verhaltene Tempi wählen, ist für die langsameren Sätze der gesamten CD durchaus typisch. Es ist speziell in diesem Passagen ein beseelter Ansatz, nicht zuletzt auch zu Beginn des Klaviertrios Nr. 2 e-moll op. 67 (1944), wo Benjamin Nyffeneggers Flageloetts bemerkenswert klangvoll anmuten und der Cellist (wie generell die Interpreten auf diesem Album) immer wieder auch gelegentliche Portamenti mit einstreut. Sicher kann man eine solche Stelle auch ein gutes Stück fahler begreifen, wie auch die mit einigem Rubato versehene Totenklage des 3. Satzes dieses Trios; gerade hier bringt das Trio die Musik aber sehr gut in einen melodischen Fluss, der angesichts der Kargheit dieser Musik nicht selbstverständlich so überzeugend zu realisieren ist.
Ein Scherzo mit äußerster Attacke
Von einem in der Totalen lyrischen Ansatz kann dennoch keine Rede sein, denn zum einen stellen die Musiker auch in den besagten langsamen Sätzen die Höhepunkte mit großer Intensität und dramatischer Wucht dar, zum anderen begreifen Schnyder und seine Mitstreiter die eher motorisch geprägten Sätze deutlich robuster, ja teilweise rabiater. Dies ist schon im Scherzo des Quintetts zu beobachten, obwohl hier manche Passagen, etwa ab Ziffer 55 im Klavier, mit etwas mehr Klarheit realisiert werden könnten (vielleicht auch eine Frage des Klangs); andererseits ist z.B. das Duett zwischen der 1. Violine und dem Diskant des Klaviers ab Ziffer 62 ausgezeichnet herausgearbeitet. Ganz besonders gilt dies aber für den 2. Satz des Klaviertrios Nr. 2, der vom Oliver Schnyder Trio mit äußerster Attacke und in rasendem Tempo genommen wird – genau genommen in Einklang mit Schostakowitschs Metronomzahl, die andererseits in gewissem Widerspruch zu einem Allegro con brio steht, sodass das gedrosseltere Tempo manch anderer Ensembles sehr wohl eine gewisse Berechtigung hat. Gerade dieser 2. Satz wird manche Hörer gewiss faszinieren; ich bleibe indes skeptisch: am Ende wirkt diese Interpretation doch zu pauschal aggressiv, und dass man selbst bei einem irrsinnigen Tempo sehr wohl noch stärker (z.B. in Artikulation und Balance) differenzieren kann, zeigen u.a. Gilels, Kogan und Rostropowitsch. Das von jüdischer Folklore inspirierte Hauptthema des Finales nimmt das Oliver Schnyder Trio mit einem gewissen fast schon wiegenden Rubato, allerdings zu Lasten der Trauermarschanklänge dieser Musik.
Eine Frage der Balance
In der Totalen geraten im Klavierquintett vor allem die ersten vier Sätze sehr ansprechend, eigenwilliger dagegen das Finale: das Ritardando zu Beginn nimmt Schnyder zum Anlass, den Beginn dieses Satzes (und gleichzeitig seines Hauptthemas) eher schon im Sinne einer langsamen Einleitung zu gestalten, den Fortgang der Musik begreifen die Musiker eher bedrohlich (vgl. die Marschrhythmik), erst gegen Ende stellt sich eine gewisse Gelöstheit ein. Eine Lesart, die mich nicht recht überzeugt, gerade der Beginn bleibt problematisch: eine Frage der Dosis. In gewisser Hinsicht kondensiert sich all dies im Klaviertrio Nr. 1 c-moll op. 8 (1923), das ja ganz früher Schostakowitsch ist, übrigens in einigen Kleinigkeiten komplettiert von seinem großartigen Schüler Boris Tischtschenko. Natürlich hat das Trio Recht damit, dass schon in der Einleitung eine erhebliche Steigerung vorgeschrieben ist bis ins dreifache Forte. Derart gellend realisiert wie in dieser Interpretation, ist der weitere Verlauf des Satzes, der sich ja auch durch das blühende Melos seines Seitenthemas auszeichnet, allerdings schwer schlüssig darzustellen. Hier kommt viel zusammen, Einflüsse (u.a. von Mjaskowski, wenn man an das Hauptthema des Allegros denkt – sonst kaum einmal zu beobachten bei Schostakowitsch) und Ausblicke, der Schostakowitsch der nur wenig später entstandenen Ersten Sinfonie ist zu hören, aber auch der junge Mann zweier Orchesterscherzi (opp. 1&7) oder der Fantastischen Tänze (op. 5), so in der Presto fantastico-Passage, die dem Oliver Schnyder Trio eher fremd bleibt. Deutungen von hoher Spielkultur, die bei mir aber in ihrer Gesamtheit einen ambivalenten Eindruck hinterlassen.
Holger Sambale [08.08.2025]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Dimitri Schostakowitsch | ||
1 | Klavierquintett g-Moll op. 57 | 00:35:39 |
6 | Trio Nr. 1 c-Moll op. 8 für Violine, Violoncello und Klavier | 00:12:58 |
7 | Trio Nr. 2 e-Moll op. 67 für Violine, Violoncello und Klavier (In memoriam Iwan Sollertinski) | 00:28:12 |
Interpreten der Einspielung
- Julia Fischer (Violine)
- Nils Mönkemeyer (Viola)
- Oliver Schnyder Trio (Klaviertrio)