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Besprechung CD

Henriëtte Bosmans

Cello Concertos 1 & 2 • Poème
Raphael Wallfisch • BBC Scottish Symphony Orchestra • Ed Spanjaard

cpo 555 695-2

1 CD • 79min • 2024

06.08.2025

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Seit etwa vierzig Jahren begegnet man der Musik der Amsterdamer Komponistin Henriëtte Bosmans (1895–1952) auf Tonträgern, zunächst eher sporadisch, in den letzten Jahren schon deutlich regelmäßiger. Die vorliegende Neuveröffentlichung des Labels cpo stellt nun ihr Schaffen für Violoncello und Orchester vor, wobei es sich bei den beiden Konzerten zum Ersteinspielungen handelt. Mit Raphael Wallfisch spielt ein ausgewiesener Spezialist für Neuentdeckungen und Premieren den Solopart, und auch der Dirigent Ed Spanjaard dürfte gerade Freunden niederländischer Musik ein Begriff sein; hier dirigiert er das BBC Scottish Symphony Orchestra.

Etappen von Bosmans’ künstlerischer Genese

Bosmans kompositorische Laufbahn verlief bis zu einem gewissen Grade in Etappen, was auch in ihrer stilistischen Entwicklung ihre Entsprechung findet. Sie begann als Komponistin von spätromantisch geprägter Kammermusik, teils basierend auf den Eindrücken diverser Konzerte im Concertgebouw, teils unter Beratung des heute kaum bekannten Jan Willem Kersbergen. Ab 1920 begann sie mit der Komposition von Orchesterwerken, einhergehend mit Unterricht bei Cornelis Dopper; Ende der 1920er Jahre studierte sie bei Willem Pijper, dem zentralem Vertreter der damaligen musikalischen Moderne in den Niederlanden, was wiederum in ihrer eigenen Musik seinen Niederschlag fand. Zeitweise verstummt (u.a. in Reaktion auf den plötzlichen Tod ihres Verlobten und später die deutsche Besatzung, gerade als Tochter einer jüdischen Mutter), konzentrierte sie sich in ihren letzten Jahren vornehmlich auf die Komposition von Liedern.

Essentiell lyrischer Tonfall und exotisches Kolorit

Alle drei hier versammelten Werke entstanden binnen zwei Jahren: das Poème zunächst mit Klavierbegleitung 1922, ein Jahr später dann mit Orchester, das Cellokonzert Nr. 1 1922 und das Cellokonzert Nr. 2 im Folgejahr. Dabei war das Cello für Bosmans speziell in frühen Jahren eine natürliche Wahl: ihr (allerdings sehr früh verstorbener) Vater war Solocellist im Concertgebouw Orkest, und mit den Widmungsträgern beider Konzerte (dem damaligen Solocellisten des Concertgebouw Orkest, Marix Loevensohn, sowie der blutjungen Frieda Belinfante) war sie zeitweise liiert. Wie auch immer: eine gewisse stilistische Homogenität liegt selbstredend nahe, wie gerade das Konzert Nr. 1 und das Poème auch bestätigen. Beide beginnen mit einer dramatisch akzentuierten Orchestereinleitung, und speziell das Konzert zeichnet sich auch im weiteren Verlauf immer wieder durch durchaus passionierte, energisch zugespitzte Momente aus. Nichtsdestotrotz ist Bosmans’ Tonfall ein essentiell lyrischer: schon der erste Einsatz des Cellos weicht vom D-Moll des Orchesters in eine Des-Dur-Kantilene aus, und auch die Durchführung wirkt insgesamt eher rhapsodisch-schweifend (wie übrigens auch das Poème mit Fug und Recht ebenso gut als Rhapsodie hätte bezeichnet werden können). Bosmans’ Tonsprache fußt dabei in der Romantik, lässt aber eine starke Faszination für den Impressionismus erkennen; das Beiheft erwähnt u.a. Ravels Daphnis et Chloé. Bosmans liebt folkloristisches Kolorit, Exotismen, irreguläre Rhythmen (5/4-Takt im Poème), Schlagzeugeffekte und Harfenklänge, die Ganztonleiter und übermäßige Dreiklänge, auch Pentatonik. Das Poème hatte zunächst noch den Zusatz ibérique im Titel, und iberische Einflüsse finden sich nicht nur hier, sondern eigentlich in allen hier vertretenen Werken – jedenfalls passagenweise.

Ein lyrisch beseeltes Kleinod

Dabei wirkt das Hauptthema des Kopfsatzes des Konzerts Nr. 1 insgesamt konventioneller, vielleicht ein wenig routiniert, wobei Bosmans sehr um thematische Verflechtungen bemüht ist: im zweiten Satz kehrt das Thema offensichtlich wieder, und ich würde sogar davon ausgehen, dass man auch das (sehr einprägsame) Rondothema das Finales darauf zurückführen kann. Ein opulentes, stellenweise recht ansprechendes, insgesamt allerdings zu lang geratenes Werk; etwas abgeschwächt gilt dies auch für das Poème. Für mich ist der interessanteste Beitrag auf dieser CD das Cellokonzert Nr. 2, ein deutlich sparsamer orchestriertes, konziseres Werk, lyrisch, beseelt und in überwiegend dezenten Farben gehalten, abgesehen vom langsamen Kopfsatz mit ähnlicher Struktur wie das erste Konzert (Scherzo an zweiter Stelle und ein heiteres Rondo mit ausgedehnter langsamer Einleitung an dritter). Ein sehr aparter, manchmal ein wenig an die englische pastorale Schule erinnernder „Gesang“ für Cello und Orchester, der zugleich durchaus eine Brücke schlägt vom Konzert Nr. 1 zum Neoklassizismus des einige Jahre später entstandenen Concertinos für Klavier und Orchester. Raphael Wallfisch spielt diese Werke sehr solide, im ersten Konzert mit vielleicht etwas geringerem expressiven Ausdruck als möglich, im zweiten beredter, kompetent begleitet vom britischen Orchester unter der Leitung von Spanjaard. Eine insgesamt erfreuliche Neuveröffentlichung.

Holger Sambale [06.08.2025]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Henriëtte Bosmans
1Poème 00:14:45
2Violoncellokonzert Nr. 1 00:38:09
5Violoncellokonzert Nr. 2 00:26:27

Interpreten der Einspielung

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