Ilya Shmukler
Concours Géza Anda 2024 • The Winner's Recital
Beethoven | Schubert | Liszt | Bartók | Stravinsky

Prospero Classical PROSP0117
1 CD • 59min • 2024
29.06.2025
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Im vergangenen Jahr gewann der russische Pianist Ilya Shmukler, Jahrgang 1994, den 16. Concours Géza Anda in Zürich, dazu gleich vier Sonderpreise. Diesen Erfolg dokumentiert auch sein vorliegendes erstes Album, „The Winner’s Recital“ benannt, ein leicht unscharfer Titel, denn faktisch enthält es Aufnahmen aus den ersten beiden Runden dieses Wettbewerbs, in denen die Teilnehmer Sololiteratur vortragen. Die Darbietung von Beethovens Klaviersonate Nr. 1 stammt dabei aus der ersten Runde, die übrigen Aufnahmen aus der zweiten.
Temperament und intelligent gestaltete Dramaturgie
In der FAZ hat Jan Brachmann Ilya Shmukler angesichts von dessen Interpretation des Grieg-Konzerts im Finale ebendieses Wettbewerbs als „Vulkan“ bezeichnet, und dieses Attribut greift auch die vorliegende CD bzw. Shmuklers offizielle Biographie gerne auf. Nicht zu Unrecht, denn zu den eindrucksvollsten Momenten der vorliegenden CD gehört zweifelsohne Shmuklers Fähigkeit, in Stücken wie Liszts Funérailles, Bartóks Suite op. 14 (speziell im 3. Satz) oder der Semaine grasse aus Strawinskis Trois mouvements de Pétrouchka förmlich die Luft zum Brennen zu bringen. Dahinter verbirgt sich aber längst nicht nur Temperament, sondern ebenso die Fähigkeit, die Steigerungen und Bögen dieser Musik intelligent zu gestalten, und zwar sowohl im Detail als auch im großen Stil. In Liszts Funérailles lässt sich Shmukler zu Beginn sehr bewusst (bei allem Eindruck, den die schweren Glockenklänge bereits hier schon hinterlassen) durchaus noch Luft für weitere Zuspitzungen, die es ihm ermöglicht, die Spannung über das ganze Stück hinweg zu halten und schließlich, am Höhepunkt angelangt, eine stupende Wucht zu entfalten.
Zwischen Tradition und Aufbruch
Aufschlussreich auch Shmuklers Interpretation von Beethovens Klaviersonate Nr. 1 f-moll op. 2 Nr. 1. Natürlich ist das Finale erwartungsgemäß von vorzüglich realisierter stürmisch-passionierter Intensität geprägt, doch gleichzeitig beweisen die übrigen Sätze die Breite der musikalischen Qualitäten des jungen Pianisten. Im ersten Satz etwa, der auf eine eigentümliche Art und Weise zwischen Tradition und expressivem Vorwärtsdrang steht, gelingt es Shmukler bemerkenswert gut, ebendiese (durchaus fragile) Balance zu halten: weder unterschätzt er die Musik, noch überlädt er sie. Ähnlich gut austariert mutet auch der Kontrast zwischen dem Menuettthema und den durchaus scherzoartigen heftigen Fortissimo-Einschüben im 3. Satz an.
Wunderbares Dolce, subtile Anschlagskultur
Wunderbar gerät das Dolce, mit dem Shmukler manche Passagen des langsamen Satzes von Schuberts Klaviersonate A-Dur D 664 veredelt. Seine sehr nuancierte und variable Anschlagskultur lässt sich aber auch im Kopfsatz dieser Sonate (vgl. etwa kurz vor Beginn der Reprise) exemplarisch beobachten. Insgesamt legen Shmuklers Interpretationen besonderes Gewicht auf die Harmonik und die Dramaturgie der Stücke, wohingegen das Melos zumindest stellenweise (jedoch sicher nicht durchgängig!) eine Nuance ins Hintertreffen gerät. Dies kann man nicht nur bei Schubert beobachten, wenn die melodischen Bögen hier und da eine Spur bewusster geformt (und abgerundet) werden könnten, sondern etwa auch in Bartóks Suite, die unter den Händen von Zoltán Kocsis eben in der Souveränität der Darstellung ihrer melodischen Linien noch eine Spur überzeugender gerät. Dies ist freilich Kritik auf hohem Niveau, und wohl vor allem eine Frage des Fokus.
Ein sehr hörenswertes Debüt
Das Klangbild der CD, grundsätzlich im ordentlichen Bereich, ist eine Spur zu basslastig und wirkt dadurch stellenweise etwas mulmig. Der Vollständigkeit halber sei zudem erwähnt, dass Shmukler die Musik mal mehr (Schubert), mal weniger deutlich mit einer Art leisem Mitsummen garniert – nichts, auf das man sich allzu sehr kaprizieren sollte. Das Beiheft ist eher dünn und besteht lediglich aus einer kurzen Vorstellung des Concours Géza Anda (speziell auch in Bezug auf diese CD-Edition) sowie Shmuklers Lebenslauf; hier wäre mehr möglich. So oder so ein sehr hörenswertes Debüt.
Holger Sambale [29.06.2025]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Ludwig van Beethoven | ||
1 | Klaviersonate Nr. 1 f-Moll op. 2 Nr. 1 | 00:14:49 |
Franz Schubert | ||
5 | Klaviersonate Nr. 13 A-Dur D 664 op. posth. 120 | 00:15:07 |
Franz Liszt | ||
8 | Les Funérailles S 173 Nr. 7 (aus: Harmonies poétiques et religieuses) | 00:10:57 |
Béla Bartók | ||
9 | Suite op. 14 Sz 62 BB 70 | 00:09:07 |
Igor Strawinsky | ||
13 | La semaine grosse (The Shrovetide Fair; aus: Three Mouvments from Petrushka) | 00:09:00 |
Interpreten der Einspielung
- Ilya Shmukler (Klavier)