Wagneriana
Wagner paraphrasiert und arrangiert von Leopold Brauneiss und Fazil Say
Ars Produktion ARS 38 655
1 CD • 50min • 2023
07.04.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Unter dem Titel „Wagneriana“ finden sich im Katalog zahlreiche und sehr unterschiedliche Sammelprogramme, deren gemeinsamer Nenner darin liegt, dass die einzelnen Stücke nicht in den Originalfassungen des Meisters erklingen, sondern in Arrangements und Paraphrasen, oft auch lediglich von Wagners Werk und schillernder Persönlichkeit inspiriert sind. So ist das auch im vorliegenden Fall. Anlass war hier ein Konzert zur Feier des 150jährigen Bestehens der (seit 1977 so benannten) „Josef Matthias Hauer Musikschule“ in Wiener Neustadt, an dem ehemalige Schüler des Instituts wie der Tenor Norbert Ernst, die Pianistin Christine David und das aus drei Posaunen und einer Tuba bestehende Blechbläserquartett teilnahmen. Der Musikwissenschaftler, Pädagoge und Komponist Leopold Brauneiss, ebenfalls der Hochschule verbunden, war damit beauftragt, für diese Formation Arrangements vom Preislied aus Meistersinger und Lohengrins Gralserzählung zu schaffen. Aus dieser Keimzelle entwickelte sich das hier präsentierte, auf Wagner fokussierte Programm.
Marginales und Fragmentarisches
Vom Meister selbst stammen dabei neben den beiden Opernarien nur vier marginale Kompositionen. Gefälligkeitsarbeiten wie die Polka für die Wesendoncks und das Albumblatt für die Fürstin Metternich, deren originale Klavierfassungen hier für das Bläserquartett (+ Violine im zweiten Fall) arrangiert wurden. Und zwei der Lieder, die er 1839 zu Beginn seiner Pariser Hungerjahre schrieb, um über die Runden zu kommen. Aber niemand kaufte sie ihm damals ab. Heute werden einige davon wie die Heine-Adaption Les deux grenadiers und Adieu de Marie Stuart gelegentlich gesungen, doch die beiden Hugo-Vertonungen sind völlig unbekannt. Aus gutem Grund: sie sind fragmentarisch geblieben. Bei Extase musste der Schluss ergänzt werden, bei La tombe dit à la rose der gesamte Klavierpart. In beiden Fällen sorgte Brauneiss für die Komplettierung. Ganz verschollen ist das Manuskript zu Abendglocken, der Vertonung eines Gedichts von Wagners Freund Theodor Apel. Hier wurde der Arrangeur zum Eigenschöpfer, der sich in den Geist des Meisters versetzte und dabei Reminiszenzen aus Die Walküre und Parsifal zu Hilfe nahm.
Paraphrasen
Die Technik des kreativen Nachempfindens setzte Brauneiss auch bei Richard an Judith. 5 Paraphrasen in Wort und Ton ein. Die Schriftstellerin Judith Gautier, eine herausragende Schönheit ihrer Zeit, die später auch ein Buch über Wagner geschrieben hat, war die letzte große Liebe des alternden Meisters. Seine Liebesbriefe an sie haben allerdings kaum literarischen Wert. Brauneiss päppelt sie als eine Klangcollage aus Zitaten und eigenen Eingebungen ins Opernaffine auf, wobei neben dem Klavier wieder das Bläserquartett zum Einsatz kommt. Fazil Says Klavier-Diptychon Nietzsche und Wagner versteht sich als eine moderne Paraphrase von Tristan und Isolde.
Gar nichts mit Wagner zu tun haben die 5 Miniaturen mit 7 bis 12 Tönen, in denen Leopold Brauneiss herkömmliche Dur- und Molltonleitern mit Zwölftonreihen spielerisch verknüpft, wobei der klangliche Reiz aus der ungewöhnlichen Verbindung von Violine und Tuba im lustvoll musikantischen Zusammenspiel von Gert Schubert und Raoul Herget entsteht.
Stärken im Liedgesang
Norbert Ernst, lange Jahre fest an der Wiener Staatsoper engagiert und bei den Bayreuther Festspielen aktiv, hat seine Wagner-Kompetenz in Partien wie Erik, David und vor allem Loge mehrfach unter Beweis gestellt, strebt seit einigen Jahren nun zum heldischen Fach und hat in Prag sogar Tristan gesungen. Sein Vortrag von Walthers Preislied und Lohengrins Gralserzählung wirkt auf mich, den unmittelbaren Vergleich mit dem ebenfalls aus dem leichteren Fach kommenden Daniel Behle noch im Ohr, etwas bemüht und ohne lyrischen Zauber. Einen weitaus günstigeren Eindruck hinterlässt Ernst mit den diversen Lied-Beiträgen, die er durchweg fesselnd und mit vorbildlich prägnanter Diktion gestaltet.
Ekkehard Pluta [07.04.2024]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Richard Wagner/Leopold Brauneiss | ||
1 | Walthers Preislied für Singstimme, Klavier und Blechbläserquartett (aus: Die Meistersinger von Nürnberg WWW 96) | 00:04:53 |
2 | Extase WWV 54 für Singstimme und Klavier | 00:02:05 |
3 | La tombe dit à la rose WWV 56 für Singstimme und Klavier | 00:02:19 |
Leopold Brauneiss | ||
4 | Glockentöne für Singstimme und Klavier | 00:03:19 |
5 | Richard an Judith für Singstimme, Klavier und Blechbläserquartett (5 Paraphrasen in Wort und Ton) | 00:11:35 |
Richard Wagner/Leopold Brauneiss | ||
10 | Polka WWV 84 für Posaune und Tuba | 00:00:51 |
11 | In das Album der Fürstin M. WWV 94 für Violine, Posaune und Tuba | 00:04:43 |
Fazil Say | ||
12 | Nietzsche und Wagner op. 49 | 00:05:29 |
Leopold Brauneiss | ||
13 | 5 Miniaturen mit 7 bis 12 Tönen für Violine und Tuba | 00:08:51 |
Richard Wagner/Leopold Brauneiss | ||
18 | Gralserzählung für Singstimme, Klavier und Blechbläserquartett (aus: Lohengrin) | 00:05:49 |
Interpreten der Einspielung
- Norbert Ernst (Tenor)
- Christian David (Klavier)
- Gert Schubert (Violine)
- Johann Ströcker (Posaune)
- Markus Pichler (Posaune)
- Jürgen Sklenar (Posaune)
- Raoul Herget (Tuba)