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Besprechung CD/SACD stereo/surround

Allan Pettersson

Symphony No. 15 • Viola Concerto

BIS 2480

1 CD/SACD stereo/surround • 68min • 2020

14.08.2022

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Christian Lindbergs Zyklus der zweifelsfrei epochalen Symphonien des Schweden Allan Pettersson (1911-1980) schreitet der Komplettierung entgegen. Auf der aktuellen Veröffentlichung spielt Lindberg mit dem Norrköping Symphony Orchestra nun die 15. Symphonie, gekoppelt mit dem – darüber streitet seither die Musikwissenschaft – wohl nicht mehr ganz vollendeten Bratschenkonzert; zumindest was den Feinschliff der Instrumentation betrifft. Die Werke entstanden 1978 bzw. 1979, zeugen von höchster kompositorischer Reife und sind einmal mehr echte Bekenntnismusik des schwerkranken Komponisten, der beider Uraufführungen dann auch nicht mehr erleben durfte.

Höchste Intensität und Ausdruckskraft in der 15. Symphonie

Nach der für Petterssons Verhältnisse völlig überraschend etwas freundlicheren, schon fast zuversichtlichen 14. Symphonie, in der sogar eine Celesta vorkommt, dominieren in der noch im gleichen Jahr beendeten 15. wieder dunklere Farben und Stimmungen. Freilich kehrt der Komponist nicht mehr zu den Gewaltexzessen der 13. zurück: Wenige Motive bleiben über die 36 Minuten des gewohnt monolithischen Stücks jederzeit wiedererkennbar und entwickeln sich stetiger als in anderen Symphonien des Meisters. Es gibt keine abrupten Abbrüche, relativ klare Abschnitte und eine nachvollziehbare Emotionskurve bei enormer Durchsichtigkeit des ja nach wie vor äußerst komplexen Orchestersatzes. Die Musiker aus Norrköping haben bereits für BIS die Erstaufnahme unter Leif Segerstam (1993) übernommen, so dass sich sehr detaillierte Vergleichsmöglichkeiten anbieten: Während der Finne mit gut 32 Minuten nah an Petterssons Vorstellung kommt, das Werk dürfte ca. 31 Minuten dauern, betont Peter Ruzicka in seiner Konkurrenzaufnahme nur Monate später, dass etliche Tutti-Stellen mit den Tempovorgaben der Partitur unausführbar seien und gönnt dem Stück über 38 Minuten. Tatsächlich wirkt Segerstam gerade zu Beginn von allen drei dirigierenden Komponisten am energischsten, bis zum großen Cantando-Abschnitt auch am schlüssigsten, schießt aber emotional leicht übers Ziel hinaus. Bei Ruzicka läuft der Anfang hingegen Gefahr, in divergente Einzelmomente zu zerfallen – weniger eine Frage des Tempos als womöglich zu wenig konsequenter Probenarbeit, die Motiventwicklungen transparent werden zu lassen. Die Überspannung kann Segerstam dann später folgerichtig überhaupt nicht aufrechterhalten, im Gegensatz zu Ruzicka, der teleologisch überzeugend auf den rekapitulierenden Schluss hinzielt.

Goldener Mittelweg bei Christian Lindberg?

Lindbergs Darbietung bahnt sich ihren Weg ziemlich genial dazwischen: von den Tempi her wie beim emotionalen Druck, den der Dirigent nicht künstlich hochpuscht, sondern völlig der musikalischen Entwicklung des Materials vertraut. Die Rechnung geht über weite Strecken auf, wenn auch stellenweise über manches Detail etwas hinweggehastet wird und zum Beispiel der prächtige Choral so ein wenig dünnblütig wirkt. Das gesamte Klangpanorama, gerade mit seinen häufig orgelartigen Schichtungen (Schluss!), wird hingegen konkurrenzlos beeindruckend realisiert – und die BIS-Tontechnik kann gegenüber der alten Aufnahme tatsächlich noch eins draufsetzen. Gerade die Erhabenheit des Bassregisters kommt hier ganz passend daher. Insgesamt wird nicht individuelles Leid, sondern eine Art Weltschmerz im Sinne Gustav Mahlers zelebriert, wobei das quasi offen gehaltene Ende ausdrücklich Kraft spenden möchte.

Die Bratsche als Spiegel von Petterssons Seele

Die schwedische Bratschistin Ellen Nisbeth hat sich in den letzten Jahren zu einem echten Rising Star entwickelt, verfügt mittlerweile über ein riesiges Konzertrepertoire – bei der Pettersson-Aufnahme war sie gerade mal 32. Ihre Tongebung ist einfühlsam, warm, dabei stets intensiv; eine Solistin, die unmittelbar die Herzen der Zuhörer erobert! Echte Ruhepole – anders als bei Nobuko Imai unter Lev Markiz – lassen Nisbeth und Lindberg im halbstündigen Zwiegespräch zwischen Solistin und Orchester hingegen nicht zu. Die zarteren Momente, die es im Violakonzert offenkundig auch gibt, erscheinen viel zu dick aufgetragen. Aufnahmetechnisch behält die Bratsche immer leicht die Oberhand. Wenn Pettersson ganz am Ende des Lebens endlich „sein“ Instrument – er war lange selbst Orchesterbratscher – sprechen lässt, wollte er nicht vielleicht bewusst einen Gegenpol zur enormen Dichte der Symphonien schaffen? Die Neuaufnahme negiert diese Möglichkeit und demonstriert geradezu eine „Bratschensymphonie“; so nannte allerdings selbst die Witwe des Komponisten das erst 1988 uraufgeführte Stück. Man setzt somit eher die Linie des 2. Violinkonzerts fort, was durchaus legitim sein mag. Allerdings bleibt die ziemlich unterschiedliche Auffassung von Imai/Markiz dadurch erst recht eine hörenswerte Alternative.

Vergleichsaufnahmen: [Symphonie Nr. 15] Norrköping SO, Leif Segerstam (BIS-CD-680, 1993); Deutsches Symphonie-Orchester Berlin, Peter Ruzicka (cpo 999095-2, 1993) – [Violakonzert] Nobuko Imai, Malmö SO, Lev Markiz (BIS-CD-480, 1990).

Martin Blaumeiser [14.08.2022]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Allan Pettersson
1Sinfonie Nr. 15 00:35:52
12Fantaisie für Viola solo 00:03:27
13Konzert für Viola und Orchester 00:27:21

Interpreten der Einspielung

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