Barber • Ives
escher string quartet
BIS 2360
1 CD/SACD stereo/surround • 74min • 2019
10.10.2021
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Das US-amerikanische Escher String Quartet stellt, nach seiner russischen Greatest-Hits-CD mit slawischen Quartetten (Dvořáks Amerikanisches, Tschaikowskys Nr. 1 und Borodins Nr. 2), nunmehr ein Programm mit international besonders renommierten US-Komponisten vor: das einzige Quartett von Samuel Barber und die zwei Quartette von Charles Ives zuzüglich zweier Beigaben: des ursprünglichen, viel längeren und durchaus gelungenen Finales zum Barber-Quartett und des verrückt anarchistischen Scherzos ,Holding Your Own’ von Ives.
Vorausgeschickt sei, dass die Kombination von Barber mit Ives reichlich absurd ist, und es dürfte kaum etwas geben, was so wenig innere Verwandtschaft wie Barbers wunderbar innig fließendes Adagio und die exzentrischen Tonsatz-Eskapaden von Ives.
Das Originalfinale ist die Sache wert
In Barbers Quartett fällt mir leider im ersten Satz (und dem daran anknüpfenden attacca-Finale zum Adagio auf, dass die Tempi nicht klar empfunden sind und sich daher auch nicht eindeutig kommunizieren, dass oftmals Notenwerte willkürlich verkürzt sind oder eben nur wirklich am Notenbeginn ein klares Bewusstsein über die Tonbildung vorhanden ist, und überhaupt kein Bewusstsein für eine übergeordnet zusammenhängende Gestaltung der teils scharf kontrastierenden Abschnitte besteht. Nicht einmal im berühmten Adagio, dem Herzstück des Ganzen, ist die Gestaltung bezwingend, auch wenn die Bewältigung der kraftvoll zu ziehenden langen Töne durchaus technisch beeindruckend ist. Erfreulich ist jedoch, dass das exzellente ursprüngliche Finale hier auf hohem technischen Niveau eingespielt ist. Alleine dieses Finale auf solchem Niveau hören zu können, ist die Anschaffung der CD wert.
Wacklige, unscharfe Auslegung
Bei Ives spielt das Organische an und für sich eine viel untergeordnetere Rolle. Aber auch hier herrscht viel Verwirrung bezüglich der Auslegung der Tempi, und Anweisungen wie Abstufungen von Allegro, Andante oder Adagio werden recht beliebig verstanden. Es wird insgesamt sozusagen sehr viel auf der Oberfläche interpretiert und wenig aus dem Erleben des Tonsatzes heraus verstanden. Das erste Quartett bleibt im unverbundenen Changieren zwischen geradezu trivial simpler Tonalität und harschen Brüchen mit der Tradition ein problematisch zu verstehendes Werk, dessen erfindungsreiche Eigenwilligkeit unbestreitbar ist. Doch die echt avantgardistischen Werke, also das zweite Quartett und das kurze Scherzo, sind weit origineller und kohärenter im Ausdruck, soweit sich so etwas überhaupt davon sagen lässt. Ein großes Problem vor allem im zweiten Quartett ist die weitgehende Ermangelung dynamischer Angaben, und auch ist nicht nur die Auslegung der Tempi sehr wacklig und unscharf geraten, sondern immer wieder nicht genau ersichtlich, wie Ives das überhaupt meint. Erfreulich ist hingegen, dass alles so sauber gespielt ist, auch wenn der Rhythmus meist zwischen akademischer Steifheit und willkürlichen Rubati oszilliert, anstatt durchgehend ‚grooven‘ zu können – aber wer kann das schon?
Die Klangqualität ist ausgezeichnet durchsichtig und körperhaft, die Liner Notes von Geoffrey Block informieren solide, das Cover ist hübsch. Nächstes Mal wäre jedoch beispielsweise anzuraten, Barber mit Giannini, Schuman oder Mennin zu koppeln und Ives doch lieber mit Cowell, Cage oder vielleicht Riegger.
Christoph Schlüren [10.10.2021]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Samuel Barber | ||
1 | Streichquartett h-Moll op. 11 | 00:18:33 |
4 | Streichquartett h-Moll (originaler Finalsatz) | 00:05:28 |
Charles Ives | ||
5 | Streichquartett Nr. 1 (From the Salvation Army - A Revival Service) | 00:21:27 |
9 | Scherzo Holding Your Own für Streichquartett | 00:01:23 |
10 | Streichquartett Nr. 2 | 00:26:01 |
Interpreten der Einspielung
- Escher String Quartet (Streichquartett)