Pasqual Dusapin
À Quia • Aufgang • Wenn du dem Wind...
BIS 2262
1 CD/SACD stereo/surround • 79min • 2017
01.03.2019
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Mehr als die meisten anderen traditionellen Genres ist es das Solokonzert, durch welches die heutigen Komponisten stets aufs Neue angeregt werden. Die Gegenüberstellung von Soloinstrument und Orchester kann ja auf mannigfache Weise musikalische Gestalt annehmen – sei es als erbitterter Wettstreit zweier Konkurrenten, als symbolhafte Darstellung des Verhältnisses eines Individuums zur Gesellschaft, oder als Monolog, bei denen das Orchester die Rolle des Zuhörers einnimmt. Auch Pascal Dusapin hat sich – besonders seit Beginn des 21. Jahrhunderts – immer wieder der Gattung des Solokonzerts gewidmet.
Zwei dieser Werke befinden sich auf der vorliegenden SACD: À quia für Klavier und Orchester, komponiert 2012, sowie das Violinkonzert Aufgang, vollendet 2011. Die Einspielung wird ergänzt durch eine Suite aus Dusapins Kleist-Oper Penthesilea für Sopran und Orchester mit dem Titel Wenn du dem Wind .... Für Dusapin, dessen Musik bevorzugt dunkle Gefilde durchstreift, ist das Solokonzert das geeignete Medium, Konflikte darzustellen – allerdings weniger in einer herkömmlichen Wettkampf-Situation. Das Soloinstrument befindet sich vielmehr in einer Art Käfig, symbolisiert durch das Orchester, aus dem es auszubrechen versucht.
Das betrifft vor allem À quia: "Jemanden in ein 'à quia' zu manövrieren, heißt – so steht es im (französischen) Wörterbuch – ihm keine Antwortmöglichkeiten mehr zu lassen, sämtliche seiner Argumente zu widerlegen" – so erklärt der Komponist im Beihefttext den Titel des Werks. Klavier und Orchester arbeiten sich also permanent aneinander ab. Einen Gewinner gibt es dabei keinen, auch wenn das Klavier das letzte Wort behält. Hinzu kommt, dass vor allem die Solostimme bis kurz in einem Pool von Tönen gefangen bleibt, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint. Dusapins Tonsprache ist im Vergleich zu seiner früheren, von Xenakis inspirierten Schaffensphase wesentlich melodischer geworden – allerdings nicht im Sinne der herkömmlichen Dur-Moll-Tonalität, sondern eher an eine modale Schreibweise erinnernd. Der Modus von À quia ist gleichzeitig das Gefängnis des Solisten. Es kann bedrückend sein, diese Musik zu hören – ungeachtet der Tatsache, dass sie fantastisch instrumentiert ist.
Einen weit lichteren und positiveren Charakter besitzt Aufgang – zum einen durch die meditative, beinahe exotische Atmosphäre der ersten beiden Sätze, zum anderen dadurch, dass es der Solostimme am Schluss gelingt, den destruktiven Kräften wie auch dem Käfig des Tonmaterials zu entkommen. Wer noch nichts von Dusapin kennt, sollte mit diesem Werk beginnen.
Beide Werke liegen bereits auf CD vor, doch im Vergleich mit dem Pianisten Ian Pace (Naive) und dem Geiger Renaud Capuçon (Warner) wissen sich Carolin Widmann (in Aufgang) und vor allem Nicolas Hodges mehr als achtbar zu behaupten. Das hervorragende Klangbild sorgt zudem dafür, dass die Neuerscheinung insgesamt die Nase vorn hat, und zum Schluss gibt es noch ein großes Kompliment für das Orchestre National des Pays de la Loire und den Dirigenten Pascal Rophé, die beiden Aspekten von Dusapins Musik gerecht werden: ihrem Farbenreichtum und der Ökonomie ihrer thematischen Gestaltung.
Thomas Schulz [01.03.2019]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Pascal Dusapin | ||
1 | Wenn Du dem Wind... (Drei Szenen aus der Oper Penthesilea nach Heinrich von Kleist) | 00:19:01 |
4 | Aufgang für Violine und Orchester (Konzert) | 00:32:24 |
7 | À quia für Klavier und Orchester (Konzert) | 00:26:29 |
Interpreten der Einspielung
- Natascha Petrinsky (Mezzosopran)
- Carolin Widmann (Violine)
- Nicolas Hodges (Klavier)
- Orchestre National des Pays de la Loire (Orchester)
- Pascal Rophé (Dirigent)