Richard Wagner
Die Walküre
Naxos 8.660394-97
4 CD • 3h 57min • 2016
15.11.2016
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Nicht nur die großen, sondern auch die mittelgroßen und kleinen Theater setzen heute ihren Ehrgeiz daran, Wagners Ring des Nibelungen komplett aufzuführen und anschließend auf CD oder DVD zu veröffentlichen. Der bekennende Wagnerianer, falls er sich nicht auf die historischen Aufnahmen aus Bayreuth kapriziert, hat die Auswahl an neueren Mitschnitten aus Wien, Hamburg, Frankfurt, Weimar und Lübeck, aber auch aus Kopenhagen, Amsterdam und Buenos Aires. Doch nun hat man sich auch im fernen Hong Kong (konzertant) an die Tetralogie gewagt, die jetzt bis zur Walküre gediehen ist und in fortgeschrittenster Aufnahmetechnik bei Naxos publiziert wird.
Angesichts des Überangebotes stellt sich freilich die Frage, für welchen Käuferkreis diese Mitschnitte produziert werden, sieht man einmal vom Reiz des exotischen Orchesters ab. Denn auf dem Besetzungszettel finden sich viele bekannte, auch Bayreuth-erprobte Namen von Künstlern, die schon in früheren Live-Dokumenten zu erleben sind. Allenfalls das Wotan-Debut des renommierten Liedsängers Matthias Goerne fordert besondere Neugier heraus.
Das klangliche Resultat ist respektabel, setzt aber keine neuen Akzente oder interpretatorische Glanzlichter. Die chinesischen Musiker lassen sich von dem in diesem Repertoire erfahrenen holländischen Dirigenten Jaap van Zweden gut auf Wagners Idiom einstimmen. Van Zweden dröselt die Partitur gleichsam auf, nimmt das Orchester oft zurück, um die Sänger plastischer hervortreten zu lassen, denen er ein hohes Maß an Textverständlichkeit abverlangt. Über weite Strecken erlebt man ein Wohnzimmer-kompatibles Kammerspiel. Das ist wohlgetan und ganz in Wagners Sinne. Die breiten Tempi – die Oper dauert eine halbe Stunde länger als bei Clemens Krauss und Karl Böhm - bringen allerdings auch einen Spannungsverlust mit sich; die voll ausgekosteten orchestralen Höhepunkte wie Walkürenritt und Feuerzauber stehen etwas isoliert da, im Ganzen fehlt der große epische Atem.
Goernes Leistung ist in vokaler wie gestalterischer Hinsicht beachtlich und macht neugierig auf die weitere Entwicklung des Sängers in diesem Fach, auch wenn er kein echter Heldenbariton ist (und wahrscheinlich auch nicht werden wird). Doch die deklamatorische Prägnanz in den Dialogen mit Fricka und Brünnhilde und das vollmundige Legato bei Wotans Abschied lassen auch beim verwöhnten Hörer kaum Wünsche offen. Ihm ebenbürtig an mustergültiger Diktion und liedhafter Phrasierung ist der australische Tenor Stuart Skelton als Siegmund. Das ist Wagner-Belcanto pur, wie man ihn heute nur noch selten erlebt. Falk Struckmann, der Wotan im Hamburger „Ring“, hat nunmehr zum Hunding gewechselt, ohne deshalb ein Bassist geworden zu sein. Da fehlen die dunklen Farben, die man von Gottlob Frick oder Kurt Moll im Ohr hat, aber dank scharfer sprachlicher Profilierung bringt er die sinistren Seiten der Figur deutlich heraus.
Mit den weiblichen Protagonisten kann ich mich weniger anfreunden. Heidi Melton nimmt mit schöner Mittellage für sich ein, gerät in der Höhe aber schnell ins Kreischen und mit einiger Skepsis sehe ich ihrer weiteren Entwicklung entgegen, denn sie ist mittlerweile schon zu den hochdramatischen Partien Isolde und Brünnhilde vorgestoßen. Die wird hier von Petra Lang mit einer immer noch jugendlich klingenden Stimme gestaltet, die freilich in den exponierten Lagen aus dem Fokus gerät und mit einer Tendenz zum Portamentieren leicht ins Heulen gerät. Michelle de Young reduziert die Fricka auf den keifenden Ehedrachen, wobei die argumentative Kraft ihrer Auseinandersetzung mit Wotan verloren geht.
Das Booklet enthält eine äußerst knappe Werkeinführung und Handlungsbeschreibung in englischer und deutscher Sprache sowie die obligatorischen Kurzbiographien der Künstler mit Fotos. In diesem besonderen Falle wäre auch ein Bericht über die Produktion interessant gewesen.
Ekkehard Pluta [15.11.2016]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Richard Wagner | ||
1 | Die Walküre |
Interpreten der Einspielung
- Stuart Skelton (Siegmund - Tenor)
- Heidi Melton (Sieglinde - Sopran)
- Falk Struckmann (Hunding - Bass)
- Matthias Goerne (Wotan - Bass)
- Petra Lang (Brünnhilde - Sopran)
- Michelle DeYoung (Fricka - Mezzosopran)
- Sarah Castle (Waltraute - Sopran)
- Karen Foster (Gerhilde - Sopran)
- Katherine Broderick (Helmwige - Sopran)
- Anna Burford (Schwertleite - Mezzosopran)
- Elaine McKrill (Ortlinde - Sopran)
- Aurhelia Varak (Siegrune - Mezzosopran)
- Okka Damerau (Grimgerde - Mezzosopran)
- Laura Nykänen (Roßweiße - Mezzosopran)
- Hong Kong Philharmonic Orchestra (Orchester)
- Jaap van Zweden (Dirigent)