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Besprechung CD

Lars Vogt

Schubert

Ondine ODE 1285-2

1 CD • 67min • 2016

09.11.2016

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 7
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 8

Liest man im Booklet zum vorliegenden Schubert-Programm das kluge Interview mit Lars Vogt, beeindruckt eine scheinbar tiefe Einsicht ins Werk eines Komponisten, zu dessen Charakteristika neben unmittelbar zugänglicher Schönheit an der Oberfläche eben auch – höchst ambivalent – eine immer latente Gegenwart von Untiefen und Abgründen gehört. Im Gegensatz zu Beethoven, dessen Musik meist klar zielgerichtet erscheint, bleibt bei Schubert bis zum Schluss vieles offen, unsicher, nicht selten geradezu illusorisch – „der Weg ist das Ziel˝. Gerade im Klavierwerk wird dies durch den Eintritt des Unerwarteten bereits im kleinsten Detail erreicht – besonders auf harmonischer wie auch auf Artikulationsebene. Dass Vogt sich dessen sehr bewusst ist und versucht, diese Feinheiten auch sämtlich hörbar zu machen, funktioniert leider im Endergebnis noch nicht überzeugend. Man erlebt zwar eine äußerst differenzierte Dynamik, aber in einigen Fortissimo-Passagen schießt Vogt übers Ziel hinaus – so bei den erlkönigartigen Triolen im ersten Impromptu oder stellenweise im fünften der Moments musicaux: Das wirkt dann nicht etwa bedrohlich, sondern knallig bis penetrant. Andererseits kommt ein wirklicher Höhepunkt wie die Es-Moll-Coda des 2. Impromptus gar nicht erst zustande. Schlimmer wiegt, dass der Pianist besagte Details immer quasi auch noch mit erhobenem Zeigefinger herausstellt. Ständig ergänzt er dort seine klanglich-artikulatorischen Mittel noch um kleine Tempomodifikationen, meist Verzögerungen, die den Fluss der Musik so erheblich stören, dass diese allzu oft bis hin zu lediglich Zweitaktgebilden zerfällt. Durch nicht gerade geschickte Pedalbehandlung kommen bei Vogt auch längere Legato-Kantilenen in der Oberstimme kaum zur Geltung. Und virtuose Eleganz, die ja zunächst erst einmal überhaupt vorhanden sein muss, um gebrochen werden zu können, wird Schubert ebenso eher nicht zugestanden (Impromptus Es- bzw. As-Dur). So erweisen sich die nötigen tiefenpsychologischen Einblicke als dauernde Stolpersteine, die Formentfaltung praktisch komplett verhindern – Schubert mit Hinkefuß?

Die Sechs Deutschen Tänze D. 820 sind keine Einzelstücke, sondern ein Zyklus wie die Walzerfolgen der großen Konzertwalzer von Johann Strauß. Vogt lässt in der Tat einfallsreich die verschiedenen Register des Flügels aufblitzen, wodurch klanglich keine Langeweile aufkommt. Doch auch hier gelten die bereits angebrachten Kritikpunkte: Der nötige Zusammenhang bleibt auf der Strecke und lässt diese Musik leicht hinterwäldlerisch wirken, was so von Schubert kaum intendiert sein dürfte.

Erfreulich, dass die Moments musicaux D. 780 erheblich besser gelingen. Zwar technisch etwas leichter als die Impromptus, stehen sie ihnen an musikalischer Substanz jedoch keineswegs nach. Endlich macht sich Vogts Genauigkeit bezahlt, wirkt nicht manieriert; die strukturelle Einfachheit und Klarheit dieser Musik wird hier nicht in Mitleidenschaft gezogen und die Übersicht bleibt gewahrt. Klanglich geradezu traumhaft – quasi dem Sog der Zeit entrückt – entfalten sich die beiden langsamen Stücke (Nr. 2 und Nr. 6) sowie der Mittelteil des vierten. Mit diesen ganz und gar lyrischen Momenten kann Lars Vogt vollends überzeugen und zumindest ein kleines Ausrufezeichen innerhalb der gewaltigen Zahl an Konkurrenzaufnahmen setzen. Diese Schubert-Darbietung lässt aufhorchen, ist aber noch entwicklungsfähig.

Aufnahmetechnisch ist die Einspielung tadellos; insbesondere gefällt die erstaunlich gute räumliche Abbildung des Flügels gerade wegen der Zurückhaltung des Aufnahmeteams beim Hinzufügen von Hall.

Martin Blaumeiser [09.11.2016]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Franz Schubert
1Impromptu c-Moll op. 90 Nr. 1 D 899 Nr. 1 00:09:57
2Impromptu Es-Dur op. 90 Nr. 2 D 899 Nr. 2 00:04:54
3Impromptu Ges-Dur op. 90 Nr. 3 D 899 Nr. 3 00:05:37
4Impromptu As-Dur op. 90 Nr. 4 D 899 Nr. 4 00:07:33
56 Deutsche Tänze D 820 00:06:27
11Moment musical C-Dur op. 94 Nr. 1 D 780 00:06:16
12Moment musical As-Dur op. 94 Nr. 2 D 780 00:06:35
13Moment musical f-Moll op. 94 Nr. 3 D 780 00:01:58
14Moment musical cis-Moll op. 94 Nr. 4 D 780 00:05:27
15Moment musical f-Moll op. 94 Nr. 5 D 780 00:02:09
16Moment musical As-Dur op. 94 Nr. 6 D 780 00:09:03

Interpreten der Einspielung

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