BIS 2190
1 CD/SACD stereo/surround • 67min • 2015
28.10.2015
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
„Der bloße Unwille macht zwar Verse, aber nicht die besten,” konstatierte einst Jean Paul in seiner Vorschule der Ästhetik. Wut, Ärger, Hass, Groll und all die Zwischentöne dieser destruktiven Emotionen können als Dauerzustand nur in schöpferische Sackgassen führen, indessen sie sich beim Rezipienten rasch abnutzen. Weshalb sich denn auch die verbreitete Vorstellung, der dreizehnten Symphonie von Allan Pettersson sei allein durch die permanent geschwungene Nagaika beizukommen, als grundlegend falsch erweist: Ein fast siebzigminütiger, von gelegentlichen „lyrischen Inseln” durchzogener Wutausbruch sei das, können wir verschiedentlich lesen – und geraten alsbald in einen kaum mehr durchschaubaren, mithin bald ermüdenden, weil überaus privaten Guerillakrieg des Komponisten gegen die Gespenster seiner (allerdings gruseligen) Kindheit und der (nicht minder gruseligen) rheumatischen Erkrankung, die ihn körperlich schließlich paralysierte. Unwillkürlich fällt der Blick aufs schleichende Zählwerk des Wiedergabegerätes, und gern gäbe man einen Kreuzer, wenn’s denn nur vorbei wäre ...
So war es jedenfalls, BIS Christian Lindberg und sein ungeheuer engagiertes, restlos motiviertes Symphonieorchester aus Norrköping aus dem vermeintlichen Tobsuchtsanfall ein großes, ganz und gar nicht mehr privates Werk gemacht haben. Die kluge Erwägung beginnt schon ganz äußerlich bei der Aufteilung des kolossalen Ereignisses in insgesamt zwölf Tracks, die dem undurchschaubaren Wust eine gewisse Transparenz verleihen – eine Durchsichtigkeit, die auf gerade mysteriöse Weise ein völlig neues Stück entstehen lässt. Schon das erste, steil aufsteigende Motiv brüllt nicht etwa los wie ein Tiger hinter Gittern: Es öffnet vielmehr mit einem tiefen Atemzug den Vorhang zu dem grandiosen Drama und lädt uns ein, die mannigfachen Schicksale der Themen und Figuren, der Zitate und Anspielungen, der Reminiszenzen und (womöglich „zufälligen”) Tongleichheiten ebenso gebannt wie entspannt mitzuerleben. Manchmal will der Charles Ives der Robert Browning Overture mitmarschieren, dann wieder erinnert eine Flöte an die Atmosphäre einer nachdenklichen Schostakowitsch-Episode; Berlioz mischt sich in einem langen Bratschensolo ein – und immer wieder offenbart die Musik hinter ihren scheinbar verbohrtesten Momenten einen verblüffenden Swing, der tatsächlich einkomponiert ist und nur erspürt werden muss. Dabei vermeidet Christian Lindberg nicht etwa die Schroffheiten der Partitur. Doch weil er ihrer vielschichtigen Substanz auf den Grund geht, sich die Musik wieder einmal völlig zu eigen macht und „von innen heraus“ projiziert, ergibt sich jene außerordentliche Faszination, aus der das Orchester seine enorme Leistungsbereitschaft und -fähigkeit zieht – und ehe man sich’s versieht, zeigt einem das Zählwerk, dass schon die Hälfte des zwölften Tracks vorbei ist. Dann sind es keine zwei Minuten mehr bis zur wirkungsvollen Schlusskadenz.
Rasmus van Rijn [28.10.2015]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Allan Pettersson | ||
1 | Sinfonie Nr. 13 | 01:06:16 |
Interpreten der Einspielung
- Norrköping Symphony Orchestra (Orchester)
- Christian Lindberg (Dirigent)