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Besprechung CD

Pervez Mody plays Scriabin Vol. 4

Thorofon CTH2612

1 CD • 69min • 2013, 2014

21.07.2014

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Es gehört unter fachlich versierten Musikfreunden im Allgemeinen zum guten Ton, den Leistungen eines heranwachsenden Pianisten zunächst mit Skepsis, ja mit Misstrauen zu begegnen, sofern sich dessen Vorführungen im medialen Bereich auf einen Komponisten beschränken. Das heißt: der Kenntnisstand bleibt literarisch eingegrenzt und folglich liegt es nahe, mit positiven Urteilen erst einmal abzuwarten, bis der Betroffene sich mit den Werken anderer Komponisten sozusagen bewährt hat. So oder so ähnlich hätte ich auch reagieren können, als ich die erste Scriabin-CD des indischen, in Deutschland lebenden Pianisten Pervez Mody zu besprechen hatte.

Nun liegt mir die Folge 4 eines auf Gesamtheit angelegten Scriabin-Projekts vor – und noch immer fehlen mir die ergänzenden, musikalischen Erfahrungen, was das spielerische Sinnen, Trachten und Können des im Begleitheft ausführlich von Martha Argerich gerühmten Interpreten anbelangt. In diesem Fall jedoch verzichte ich auch jetzt noch gerne auf flankierende Informationen und den Hörwinkel erweiternde Erlebnisse, denn Modys Scriabin-Empfinden, seine eminenten Möglichkeiten, den verschiedenen Schattierungen, den extremsten Gegensätzen emotionaler und klaviertechnischer Ein- und Mehrdeutigkeit nicht nur nachzuspüren, sondern von Stück zu Stück der Plastizität und der im Notentext angezeigten Klimatik dienstbar zu sein – dies und manches mehr an „darstellerischen“ Qualitäten versetzen mich in die schöne Lage, ihn als einen der wichtigsten Scriabin-Gestalter nicht nur der gegenwärtigen Musikszene zu bezeichnen.

Mir scheint es für den Hörer von Nutzen zu sein, dass sich Mody auch in dieser vierten Folge für ein gemischtes Programm entschieden hat. Es handelt sich also in den Folgen eins bis drei und auch bei dieser Nr. 4 um Zusammenstellungen von etwa 70 Minuten Dauer, die dem Ausdrucks- und Mitteilungsreichtum der Musik in mehreren Ausprägungen gerecht werden. Die jeweils ausgewählten Sonaten geben dabei ohne didaktische Zwanghaftigkeit den Rahmen bzw. sind sie als ausführliche Wegmarkierung platziert.

Einige der besonders energisch auf Scriabin fokussierten Pianisten haben sich ja für thematisch konzentrierte Programm entschieden – so etwa Cyprien Katsaris, als er in jungen Jahren alle Tänze präsentierte (EMI LP EMI 2C 181-16198/9, jetzt Piano 21 023-A). Auch Wolfgang Saschowa auf Kaskade-LP 30060 hielt es für förderlich, alle Préludes sozusagen im Paket zu dokumentieren, wobei etwa den reinen Préludes-Serien solche themenverwandten Stücke beigefügt wurden, die in kleineren „Morceaux“-Sammlungen gleichsam versteckt sind. Auch die drei Etüden-Serien op. 8, op. 42 und op. 65 wurden mehrmals auf Langspielplatte und CD veröffentlicht, so zuletzt von der jungen, überaus kompetenten Michèle Gurdal. Sie berücksichtigt natürlich auch die Etüde op. 2,1, aus sehr persönlichen Gründen jedoch überspringt sie die Etüde op. 65,1. Für die Nonen-Ketten dieses Stückes seien ihre Hände zu klein, verrät sie mit entwaffnender Ehrlichkeit im Begleittext… (Challenge CC 72640). Für diese „Allegro fantastico“ geforderten Spreizdissonanzen besitzt Pervez Mody offenkundig die nötige Spannweite. Wichtiger jedoch für die schwelende, gleitende Fantastik dieser „Übung“ dünkt mir Modys technische Geschmeidigkeit, die den Nonen eine überraschende Wendung hin zu vertrautem Wohlklang verleiht.

Umsichtig im Aufspüren von schönen, gleichsam im Text schlummernden Verborgenheiten gelingt es Mody dennoch, jederzeit den von ihm erkannten musikalischen Leitfaden herauszuarbeiten. So wirken die vier scharf voneinander abgesetzten Satzcharaktere der Sonate op. 23 nicht nur erkannt, sondern in ihren gebremsten, fast schon rezitativischen, am Ende freilich stark beschleunigten Ausdrucksmustern bald energisch, bald feinnervig ausgekundschaftet. Unter solch günstigen Umständen, kann es nicht überraschen, dass es Pervez Mody gegeben ist, die gleißende, wie von kühlem Feuer bedrohte und zugleich gebändigte Welt der Sonate op. 70 bis in ihre fernsten Trillerwinkel zu erforschen, zu lüften und zu verdichten. Für mich war die „Lektüre“ dieser sozusagen unverwechselbar „modyfizierten Zehnten“ endlich einmal Anlass, nicht an Horowitz‘ Carnegie Hall-Einspielung aus dem Jahr 1966 zu denken.

Vergleichsaufnahmen: Sonaten op. 23 und op. 70: Shukow (telos Music TLS 035), Ruth Laredo (Nonesuch 73035), Boris Berman (Music & Arts CD 805), Hamelin (Hyperion CDA 67131/2), Dubourg (Tudor 726), Ashkenazy (Decca 425 579-2), Stoupel (audite 21.402), Ugorski (Avi-music 8553195); Nr. 10 op. 70: Horowitz (Studio 4./5.1972 LP CBS 73072; 1966 LP CBS M3 37895, Sony SX13K 53456 Vol. 3), Sofronitzki (Melodya A 08779-80; 2.2.1960 LP Le chant du monde LDX 78764/65), Pletnev (Virgin 554247 2), Volodos (Sony SK 60893), L. Martin (Lidi 0103034-95), B. Glemser (Naxos 8.555368), Banfield (LP Wergo 60081), Biret (LP Finnadar SR 1251298), Taub (Harmonia mundi France HMU 907011), Farago (Salycus Nr. 9), Mustonen (Ondine ODE 1184-2), Martin Tchiba (Challenge Classics CC 72562).

Peter Cossé † [21.07.2014]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Alexander Scriabin
1Klaviersonate Nr. 3 fis-Moll op. 23 00:17:47
5Prélude gis-Moll op. 22 Nr. 1 – Andante 00:01:31
6Prélude cis-Moll op. 22 Nr. 2 – Andante 00:01:01
7Prélude H-Dur op. 22 Nr. 3 – Allegretto 00:00:56
8Prélude h-Moll op. 22 Nr. 4 – Andantino 00:00:55
9Impromptu H-Dur op. 14 Nr. 1 – Allegretto 00:01:56
10Impromptu fis-Moll op. 14 Nr. 2 – Andante cantabile 00:03:59
11Étude op. 49 Nr. 1 00:00:36
12Prélude op. 49 Nr. 2 00:00:57
13Rêverie op. 49 Nr. 3 00:01:19
14Poème op. 69 Nr. 1 – Allegretto 00:02:34
15Poème op. 69 Nr. 2 – Allegretto 00:01:53
16Klaviersonate Nr. 10 op. 70 00:13:29
17Prelude c-Moll op. 13 Nr. 1 – Maestoso 00:02:38
18Prélude a-Moll op. 13 Nr. 2 – Allegro 00:00:52
19Prélude G-Dur op. 13 Nr. 3 – Andante 00:01:17
20Prélude e-Moll op. 13 Nr. 4 – Allegro 00:01:16
21Prélude D-Dur op. 13 Nr. 5 – Allegro 00:00:58
22Prélude h-Moll op. 13 Nr. 6 – Presto 00:01:50
23Masque op. 63 Nr. 1 00:01:00
24Etrangeté op. 63 Nr. 2 00:01:50
25Etüde op. 65 Nr. 1 – Allegro fantastico 00:03:41
26Étude op. 65 Nr. 2 – Allegretto 00:02:17
27Étude op. 65 Nr. 3 – Molto vivace 00:02:11

Interpreten der Einspielung

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