Rhapsody in Blue
Freddy Kempf
BIS 1940
1 CD/SACD stereo/surround • 74min • 2011
18.09.2012
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Nicht wenige sozusagen „klassische“ Pianisten wagen sich – zumindest für ihre Verehrer – urplötzlich an die konzertanten Stücke George Gershwins. Manche wiederum belassen es bei den für ästhetische Nebenbeschäftigungen schier unverzichtbaren drei Préludes, gelegentlich pickt sich der eine oder andere etwas aus der Sammlung kleiner Songbook-Schlüpfrigkeiten heraus. Im Fall des in F notierten Concertos denke ich vor allem an Sviatoslav Richters ehrliches, aber doch etwas sonderbar anmutendes Spätbemühen, ich denke auch an Kurt Leimers Concerto-Aufnahme mit einem durchaus passend getauften „Skyline Orchestra“. Von den auf Beethoven und sein Umfeld fixierten Interpreten dürfte Rudolf Buchbinder wohl der Einzige sein, der das Concerto nicht nur häufig gespielt hat (und sicher noch spielen wird!), er ist auch einer der wenigen Europäer, der diese „neuweltliche“ Spezialkunst wie seine eigene Umgangssprache zu servieren weiß. Umso freudiger durfte ich vor wenigen Tagen den Umstand notieren, dass der deutsche Pianist Michael Endres die Solofassung der Rhapsodie in blue, die drei Préludes und das komplette Songbook auf so geschliffene, verführerische und milieusichere Weise zu bieten vermag, wie das meines Erachtens auf dem solistischen Parcour nur André Watts gegeben ist (Oehms OC 418).
Freddy Kempf betritt mit besten manuellen Voraussetzungen dieses ur-amerikanische Terrain und zeigt sich im Sentimentalen wie im Wirbelnden dieser leichten, aber niemals ganz leichtfertigen Musik als ein Meister pianistischer Winkelzüge und in schönen Ansätzen auch einer Melodiebehandlung, die sich des Traums unter dem Sternenbanners bewusst weiß, aber auch von dessen Western-Robustheit und nationaler Überheblichkeit kündet. André Watts schenkte dies alles (vor allem in der Solofassung) um eine Spur selbstverständlicher, lässiger, aber Kempf bleibt den genannten, hier nur herausgepickten emotionalen und nationalen Kriterien dicht auf der Spur, zumal die Musiker der Bergener Formation bei transparenter, das heißt: sinnstiftend leicht angetrockneter Akustik eine üüberzeugende Verbindung aus Jazzband und Traditionsphilharmonie eingehen und auch durchhalten. Hier dürfte der auf diesem Gebiet erfahrene Andrew Litton seine Kenntnisse eingebracht haben, so dass der mitunter unangenehme Eindruck von europäischer Soundverdichtung gar nicht erst aufkommen kann.
Scharf und eindringlich gelingen Kempf jene wirkungsvollen Passagen, die durch vertrackte Tonrepetitionsartistik oft wie gesonderte Etüdenstrecken ausgelagert werden. Hier bleiben sie in den logischen Prozess der Rhapsody eingebunden, fallen ebensowenig aus dem Strom der musikalischen Zielpassion heraus, wie ähnlich brillante Tastenübungen im Verlauf des Klavierkonzerts. All diese Vorzüge seitens des Solisten und seiner ebenso drastisch wie unbarmherzig argumentierenden Partner sind im Fall der Second Rhapsody für die Katzí! Gershwins Nachfolgewerk ist von schwacher, in manchen Momenten bestenfalls von milder Invention. Alle bisherigenVersuche, es im Konzertleben zu etablieren, sind erfolglos geblieben. Der Vollständigkeit halber mag es auch hier getrost mit eingepackt sein. Zu den liebenswürdigen I got Rhythm-Schlenkern hätten allerdings ein paar Solonummern aus dem erwähnten Songbook besser gepasst – oder meinetwegen auch die drei so häufig ausprobierten Préludes.
Vergleichsaufnahmen: Rhapsody in Blue: Bernstein (DG 410 025-2), Weissenberg – Ozawa (EMI CDC 7 47152-2), Previn (Philips 412 611-2; EMI CDC 7 47161 2), Wild – Toscanini (Hunt Productions 534), Litton (Original Jazz Band-Version /RPO Records CDRP08008), Levant – Ormandy (CBS MK 42514), Adni – Alwyn (EMI CD-CFP 9020), Tritt – Kunzel, (Telarc CD-80166), Barto – Andrew Davis (EMI CDC 7 49495 2), Lowenthal – Abravanel (Vanguard VBD-10017), Tocco- Geoffrey Simon (The Gala Series CACD 2), Katchen – Kertész (Decca 4757221), Cziffra – Rozsnay (Hungaroton HCD 31569), Jardon – Penin (AR Ré-Sé AR 2001-3), Fontaine – Wroe (Transart TR 155), Wild – Mitchell (Ondine ODE 1190-2D), Watts (Solo-Fassung /CBS LP 76508), Gershwin (Pearl GEM 00221927), Wild – Whiteman (Orchestra and 16 voice chorus! Ivor< 64405-70702); Second Rhapsody Nr. 2: Ortiz – Previ (EMI CDC 7 47021 2), Levant – Morton Gould Morton (CBS MK 42514); Concerto in F: Reiter – Güller Philharmonie (ambitus 97836), Leimer – Neidlinger (Colosseum classics COL 9202.2), Richter ? Eschenbach (Hänssler 93.707).
Peter Cossé † [18.09.2012]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Georges Gershwin | ||
1 | Konzert F-Dur für Klavier und Orchester | 00:32:54 |
4 | Rhapsody in Blue für Klavier und Orchester | 00:16:21 |
5 | Second Rhapsody für Klavier und Orchester | 00:15:02 |
6 | Variations on "I got Rhythm" | 00:08:29 |
Interpreten der Einspielung
- Freddy Kempf (Klavier)
- Bergen Philharmonic Orchestra (Orchester)
- Andrew Litton (Dirigent)