CAvi-music 8553215
1 CD • 65min • 2008, 2010
19.11.2010
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Das neue Album von Sheila Arnold treibt das Display des CD-Players in rekordverdächtige Höhen: 57 Tracks! Ob solch digital-detailgenaue Zerstückelung (insbesondere wie hier bei romantischen Variationszyklen) dem Hörer wirklich dienlich ist, sei an dieser Stelle stark bezweifelt, denn letztlich haben wir genau drei Werke vor uns. Sheila Arnold hat sie im Beiheft kurz kommentiert und richtet den Fokus dabei besonders auf Brahms’ erste Variationsreihe für Klavier, die Schumann-Variationen op. 9. Tatsächlich erweist sie sich gerade in diesem introvertierten, schwierigen und zutiefst persönlichen Werk als Pianistin von hoher Sensibilität und Gestaltungskraft. Die inneren Konflikte des jungen Brahms angesichts seiner Situation im Familiensystem der Schumanns, die geprägt war von intensiver Kreativität und Erfüllung, aber auch von differenzierteren und dunkleren Gefühlen: Brahms’ Respekt vor Robert Schumann, das Beobachten dessen allmählichen Vergehens, sein heftiges und diffuses Verehren Clara Schumanns, seine Einsamkeit und das Suchen nach dem eigenen Platz – all jenem Unausgesprochenen zwischen den Noten spürt Sheila Arnold mit viel Ruhe, Einfühlungsvermögen und Liebe nach.
Auch ihre Interpretation der Variationen über ein Thema von Händel op. 24 demonstriert hohes Niveau und beeindruckt durch sauber ausgespielte Technik, gewissenhafte Lesart und nuancenreichen Anschlag. Allerdings hätte diesem Füllhorn Brahmsschen Erfindungsreichtums ein Schuss mehr Musikantentum und letztlich auch Mut zum Risiko gut getan. Zwar ist die Faktur des Stücks stark durch technische Schwierigkeiten geprägt, aber wie so oft in der Romantik sind diese unmittelbar an die emotionale Spannung des Ausführenden gekoppelt – und in diesem Punkt scheint die Kölner Klavierprofessorin zu sehr unter dem Einfluss einer rein manuell gesteuerten Herangehensweise zu stehen. Gerade die brodelnden agitato-Variationen wirken zu abgezirkelt und beherrscht, manchmal beinahe steril. Glücklicherweise gelingt es Sheila Arnold, beim Einbiegen in die Zielgerade doch noch die nötigen Hitzegrade echter Spielfreude zu erzeugen: die letzten Variationen bauen sich zwingend zur Fuge hin auf, und diese wird mit großer Könnerschaft durchlebt.
Programmatisch klug konzipiert, bilden Schumanns Kinderszenen zwischen diesen beiden enorm anspruchvollen Gipfelwerken Brahmsscher Kunstfertigkeit eine willkommene Oase schlichter Schönheit. Noch dazu begleiten viele dieser Stücke jeden Pianisten tatsächlich seit der Kindheit und sind daher vertraute Bekannte. Sheila Arnolds Wiedergabe ist im allgemeinen gut gelungen, nur Schumanns quasi im Rousseauschen Sinn erdachter, natürlicher und liebenswerter Charme will sich nicht überall einstellen: So kommen die Wichtige Begebenheit oder der kurze Forte-Grusel in Fürchtenmachen zu hart daher, während die liebenswerten Schnurren etwa des Hasche-Mann oder der Kuriosen Geschichte noch im schwarz-weiß-Stadium stehen. Ganz nah an die Musik kommt Sheila Arnold aber in den poetischen Momenten, und Fast zu ernst, Kind im Einschlummern oder das abschließende Dichterwort geben ein beredtes Zeugnis von der Kunst des ruhigen, in sich versunkenen Aussingens am Klavier.
Henri Ducard [19.11.2010]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johannes Brahms | ||
1 | Variationen über ein Thema von R. Schumann fis-Moll op. 9 | 00:17:57 |
Robert Schumann | ||
18 | Kinderszenen op. 15 | 00:17:33 |
Johannes Brahms | ||
31 | Variationen und Fuge über ein Thema von Georg Friedrich Händel B-Dur op. 24 | 00:29:03 |
Interpreten der Einspielung
- Sheila Arnold (Klavier)