Virgin 5 45676 2
2 CD • 2h 26min • 2004
28.04.2005
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Die Opernproduktion des 18. Jahrhunderts ist unüberschaubar, die Unzahl der Werke ruft den Vergleich mit einer musikalischen Milchstraße hervor. Unzählige Opernkomponisten gibt es in dieser Periode, die meisten unter ihnen von geradezu unglaublicher Fruchtbarkeit. Vivaldi mit seinen rund 50 Opern ist da nur einer unter vielen. Ob sie allesamt den Rang musikalischer Kostbarkeiten einnehmen können, muß fraglich bleiben. Immerhin hat sich mit der Hervorholung der tragedia per musica Bajazet (erstmals in Verona, 1735) ein Glücksfall ereignet. Das Werk ist voll von originellen Einfällen, allein die Sinfonia ist ein Musikstück von überraschender Struktur und packender Wirkung. Wie alle Opern dieser Epoche besteht Bajazet (auch Tamerlano genannt) aus dem Wechsel von Rezitativ und Arie, ein einziges Mal vereinigen sich die Gesangsstimmen zu einem Quartett und zum Schluß gibt es den obligaten kurzen Chor, der in dieser Aufnahme von sämtlichen Solisten vorgetragen wird. Der Inhalt der Oper greift ein „osmanisches“ Sujet auf: Der grausame Sultan Bajazet wurde von Tamerlan, dem Tartarenfürsten, besiegt und gefangen gehalten, und rund um dieses Ereignis rankt sich eine verzweigte Liebes- und Eifersuchtsgeschichte, die den sechs Sängern Gelegenheit zu Arien von höchstem Schwierigkeitsgrad bietet, teils in feierlich-edlem Trauerton, dann wieder in wildem, rasantem Rache-oder Verzweiflungsfuror. Daß einige verloren gegangene Arien durch Stücke aus anderen Vivaldi-Opern ergänzt wurden, darf man nicht beanstanden, die Elemente dieser Werke sind austauschbar.
Dem Ensemble Europa Galante unter Fabio Biondi gelingt eine impulsive Wiedergabe, die keinen Moment der Langeweile aufkommen läßt, es wird auf großartige Art und Weise musiziert. Vor allem aber bietet die Aufnahme von Vivaldis Bajazet ein Fest der Stimmen. Ildebrando D’Arcangelo als grimmiger Sultan Bajazet imponiert mit der stupenden Beweglichkeit seiner umfangreichen, bis in die Tenorlage reichenden Baßstimme. Patrizia Ciofi (Idaspe) läßt glitzernde Sopran-Girlanden ertönen, Elina Garana (Andronico) bietet dazu den weichen, milden Mezzo-Gegenpart. Zwei Meisterinnen des barocken Operngesangs lassen ihre fabelhafte Kunst in einer ganzen Serie von Bravourarien erstrahlen: die Mezzo-Sopranistinnen Vivica Genaux (Irene) und Marijana Mijanovic (Asteria). Den zahlreichen Bartoli-Schwärmern sollte man einmal die virtuosen Soli der Vivica Genaux vorspielen, um ihnen zu zeigen, wie geschmeidig und zugleich perlend eine „legato“ geführte Koloratur klingen kann. Daß die Rolle des Tamerlano einem Countertenor anvertraut wurde, ist nicht ganz zu begreifen, denn Vivaldi selbst hat für diese Partie anstelle eines Kastraten eine Altsängerin gewählt. Der einst so geschätzte Countertenor David Daniels vermag als einziger mit dem exorbitanten Niveau des übrigen Gesangsensembles nicht mitzuhalten. Männliche Altstimmen nützen sich frühzeitig ab.
Der Aufnahme wurde als Bonus eine DVD von halbstündiger Spieldauer beigegeben, die einen fesselnden Einblick in die Entstehung der Produktion gewährt.
Clemens Höslinger [28.04.2005]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Antonio Vivaldi | ||
1 | Bajazet (Tragedia per musica) |
Interpreten der Einspielung
- David Daniels (Tamerlano - Countertenor)
- Ildebrando d' Arcangelo (Bajazet - Baß)
- Marijana Mijanovic (Asteria - Mezzosopran)
- Elīna Garanča (Andronico - Mezzosopran)
- Vivica Genaux (Irene - Mezzosopran)
- Patrizia Ciofi (Idaspe - Sopran)
- Europa Galante (Orchester)
- Fabio Biondi (Dirigent)