Evening Prayer – Purcell: Anthems and Sacred Songs
Teldec 2564 60290-2
1 CD • 59min • 2003
22.01.2004
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Das Leben Henry Purcells, des „Orpheus Britannicus“ war kurz, doch glanzvoll: Wie ein Komet zog tauchte dieses Genie 1659 am Himmel der Musikgeschichte auf, um bereits 1695 wieder zu verschwinden. 1660 hatte die Restauration der Monarchie die Befreiung von der puritanischen Herrschaft Oliver Cromwells gebracht; und mit der Wiedereinsetzung der Anglikanischen Staatskirche war auch jenes prachtvolle Zwitterwesen zwischen katholischem Prunk und protestantischer Verbundenheit mit dem Bibelwort wiedererstanden, das bis heute auf den europäischen Kontinent einen eigenartigen Zauber ausübt. Der neue König Karl II. hatte im französischen Exil noch lange vor dem Zenith der Versailler Hofhaltung Ludwigs XIV. einen Eindruck von der Prachtentfaltung des absoluten Königtums bekommen. Henry Purcell rückte als Sohn eines bei Hofe beschäftigten Musikers in jugendlichem Alter in die just wiedererstandene „Chapel Royal“ ein, und dort konnte er ausgiebig mit der reichen polyphonen Tradition Englands und Meistern wie Tallis, Byrd und Gibbons Bekanntschaft schließen.
Purcells eigenes kompositorisches Schaffen mutet wie eine Synthese überkommener englischer Kompositionstechniken und moderner kontinentaler Bestrebungen an – hier tritt besonders der französische Einfluß hervor. Seine ganz eigene Art, diese beiden musikalischen Ströme in einen unverwechselbaren Personalstil zu verbinden, sichert ihm bis heute einen hervorragenden Rang in der Musikgeschichte und öffnet ihm – was sicher noch wichtiger ist – die Herzen der Musikliebhaber auch des anbrechenden dritten Jahrtausends.
Für den vorliegenden Sampler mit geistlicher Musik aus Purcells Feder haben sich die Ensembles Chanticleer und Capriccio Stravagante unter ihren Leitern John Jenkins und Skip Sempé vereinigt. Die technischen Fertigkeiten beider Ensembles stehen außer Frage und machen die vorliegende CD für einen vornehmlich dem klanglichen Genuß verpflichteten Hörer zu einem unbedingten Höhepunkt der Neuerscheinungen der zweiten Jahreshälfte 2003, zumal die technische Realisation der Aufnahme keine Wünsche offen läßt. Wer allerdings über Alternativaufnahmen in seiner Diskothek verfügt (für den Track Nr. 6 Evening Hymn wären das die letzte Aufnahme von Alfred Deller, HMC 90249, und die Einspielung mit Jill Feldman, Arcana 310), merkt freilich schnell, daß man mehr als heißes Wasser braucht, um Tee zu kochen. Die Liebhaber dieses in England hochgeschätzten Getränks kennen viele verschiedene Aromen, mit denen getrocknete Blätter heißem Wasser ein reiches Spektrum an Geschmacksnuancen entlocken können. So auch hier: Feldman und Deller befinden sich an verschiedenen Polen der Ausdrucksskala barocker Interpretation, doch sie beziehen Position und erweisen dem Komponisten mit einem persönlichen Interpretationsansatz Respekt. Chanticleer und Capriccio Stravangante dagegen setzen ihren Hörern lediglich nach allen Regeln der Kunst bereitetes heißes Wasser vor.
Detmar Huchting [22.01.2004]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Henry Purcell | ||
1 | Rejoice in the Lord alway (The Bell Anthem) | |
2 | Remember not, Lord, our offences | |
3 | I was glad | |
4 | O Lord, rebuke me not | |
5 | Praise the Lord, O my soul, and all that is within me | |
6 | Now, now that the sun hath veil'd his light Z 193 (An Evening Hymn on a Ground) | |
7 | Hear my prayer, O Lord | |
8 | My heart is inditing |
Interpreten der Einspielung
- Chanticleer (Gesangsensemble)
- Capriccio Stravagante (Orchester)
- Skip Sempé (Dirigent)