Man lernt nie aus in der Musik: Immer wieder taucht ein neuer unbekannter Komponist auf. Als immer liebenswürdig und angenehm, hilfsbereit, mit feinen Umgangsformen und einnehmendem Verhalten wurde der holländische Komponist Johannes Bernardus van Bree beschrieben, und so sympathisch und liebenswürdig schaut er einen auch aus dem Porträt im Booklet an. Van Bree ist 1801 in Amsterdam geboren und dort 1857 gestorben. Es war ein fleißiges Musikerleben: Er war als Sologeiger tätig, wurde 1829 zum Musikdirektor der Musikgesellschaft „Felix Meritis“ ernannt, hatte leitende Funktionen in den katholischen Kirchen Amsterdams, hatte eine private Musikschule und gründete die Musikgesellschaft „Caecilia“, aus der de facto das erste niederländische Berufs-Orchester entstand.
Die Barockmusik ist mit Sicherheit eine der beliebtesten Musikrichtungen bis heute in den Konzertsälen – und dennoch birgt sie noch immer viele ungehobene Schätze. Damit sind gar nicht unbedingt die immer noch vorhandenen Komponistinnen und Komponisten gemeint, deren Werk unverdient in der Versenkung verschwunden ist, sondern es gibt durchaus auch Musik aus bekannter Feder, die aufgrund der solistischen Besetzung heutzutage selten zu hören ist. Diesem Umstand haben 1998 Elke und Wolfgang Fabri die Gründung ihres Solisten-Orchesters „caterva musica“ entgegensetzt. Das Orchester vereint zahlreiche hervorragende Musikerinnen und Musiker der Alten Musikszene und widmet sich gerade den selten zu hörenden Solokonzerten der Zeit.
Symphonies Heidelberger Sinfoniker • Johannes Klumpp
hänssler CLASSIC HC24039
4 CD • 4h 44min • 2022, 2023
12.10.2024 • 10 10 10
Mit dieser vier CDs umfassenden Box ist das Projekt der Heidelberger Sinfoniker beendet, alle Haydn-Sinfonien einzuspielen. Begonnen haben die Heidelberger mit dem Dirigenten Thomas Fey, geendet mit Johannes Klumpp. Am besten liest man erst das von Klumpp verfasste Booklet. Denn keiner kann so herzlich nichtwissenschaftlich und doch so feinsinnig-gelehrt und damit so appetitanregend über Haydn-Sinfonien reden bzw. schreiben wie eben Johannes Klumpp.
Eine CD vorwiegend mit Fagott-Soli ist ein Wagnis. Aber warum sollte man dieses Wagnis nicht eingehen, wenn man bereits mit Geburtsjahrgang 2004 über ein solch hervorragendes Können verfügt, dass einem mit einem Nischeninstrument für diese innovative Idee der Fanny-Mendelssohn-Förderpreis zugesprochen wird? Emanuel Blumin-Sint nimmt diese Herausforderung an und ist dabei über weite Strecken erfolgreich. Ja, er hat es sogar erreicht, dass zwei zeitgenössische Komponisten ihm extra Stücke für dieses Projekt geschrieben und gewidmet haben. Über den Umgang mit historischem Material wird zu reden sein.
Obwohl für das Klarinettentrio mit Klarinette, Violoncello und Klavier wunderschöne Kammermusik geschrieben wurde, findet man diese Besetzung doch eher selten als feste Formation. Dass aber gerade die Verbindung von Holzblasinstrument, tiefem Streicher und Tasteninstrument eine besonders reizvolle Kombination ist, die noch dazu ein warmes Timbre hat, bewog die drei Musiker des Chimaera Trios 2012 zur Gründung ihres Ensembles. Annemiek de Bruin (Klarinette), Irene Kok (Violoncello) und Laurens de Man (Klavier) schöpfen in ihren Programmen aus dem erstaunlich großen Repertoire der Originalwerke sowie Arrangements und Neukompositionen für ihr Trio. Nachdem sie sich auf der vorangegangenen Aufnahme dem „Fin de Siècle“ und damit der Musik Gustav Mahlers, Alexander von Zemlinskys, Alban Bergs und Anton Weberns gewidmet haben, ging es für die neue CD bei MDG zeitlich noch einen Schritt zurück und geographisch in den Norden.
Unter der Leitung von Frank Beermann widmet sich die Robert-Schumann-Philharmonie aus Chemnitz nun schon länger der Sinfonik des sowjetisch-armenischen Komponisten Aram Khachaturian. Dabei hat man sich nun von der letzten bis zur ersten Sinfonie vorgearbeitet. Die vorliegende Aufnahme beinhaltet außer der ersten Sinfonie auch eine Tanz-Suite, beide in der ersten Hälfte der 1930er Jahre entstanden. Das Ergebnis ist nicht nur hochinteressant, sondern auch außergewöhnlich gut. Es ist unüberhörbar, dass das Orchester und Beermann in dieser Musik zu Hause sind und sie auf den Punkt bringen.
Unter dem wohl ad hoc gewählten Namen „Duo Blickwechsel“ kreieren hier die einzeln schon in anderen Formationen hervorgetretenen Schweizer Musikerinnen Maria Laschinger (Mezzosopran) und Olivia Zaugg (Klavier) „ihren eigenen kreativ-weiblichen Raum“. Konkret heißt das, dass sie ihr Augen-(oder besser: Ohren-)merk auf die Werke von Komponistinnen richten, die ihrer Auffassung nach im Konzertbetrieb immer noch zu wenig Aufmerksamkeit finden. Im Falle von Rebecca Clarke ist das sicher zutreffend, während Ethel Smyth und Lili Boulanger zumindest per Renommee unangefochtene Größen in der neueren Musikgeschichte sind.
Natura et quatuor elementa dolentia ad Sepulcrum Christi
cpo 555 419-2
1 CD • 59min • 2021
07.10.2024 • 10 10 10
Wer Pier Antonio Cesti (1623-1669) nicht kennt, kennt jedoch womöglich seinen größten Hit „Intorno all’idol mio“, der zu den beliebtesten der Arie antiche gehört, deshalb gern im Gesangsunterricht studiert wird und von Gesangsgrößen wie Elisabeth Schwarzkopf, Janet Baker, Cecilia Bartoli sowie Benjamino Gigli aufgenommen wurde. Die Ensembles Polyharmonique und Teatro del mondo haben sich jetzt eines seiner wenigen geistlichen Werke, einen Oratorium zur Verehrung des Heiligen Grabes, angenommen, das 1667 in Wien uraufgeführt wurde, als sich der Komponist zur Produktion seiner Prunkoper zur kaiserlichen Hochzeit Il pomo d’oro – nicht die Tomate, sondern „Der goldene Apfel“ – dortselbst aufhielt.
Die Pianistin Aliya Turetayeva wurde 1986 in Almaty, Kasachstan, geboren, bekam mit fünf Jahren ihren ersten Klavierunterricht, wurde mit 18 Jahren in die Meisterklasse von Prof. Pavel Gililov an der Musikhochschule Köln aufgenommen, machte dort 2010 ihren Master und absolvierte beim selben Lehrer am Mozarteum Salzburg mit Bestnotenerfolg ihr postgraduales Studium. Sie hat an einigen Wettbewerben mit Erfolg teilgenommen und konzertiert international. Die vorliegende CD mit dem Titel „Credo“ ist also ihr Bekenntnis zu ihren pianistischen Hausgöttern.
Der Münchner Jörg Widmann (Jahrgang 1973) gehört seit Jahren zu den meistgespielten lebenden klassischen Komponisten weltweit, nicht zuletzt seine Werke mit musikhistorischen Bezügen insbesondere zu Komponisten der Romantik: Schubert, Schumann, Mendelssohn und Brahms. Diese können von satztechnischen oder rein klanglichen Parallelen bis zu Allusionen oder – eher selten – wörtlichen Zitaten aus ganz bestimmten Stücken der musikalischen „Paten“ gehen. Um Widmanns Intentionen zu folgen, ist es unumgänglich, diese Vorbilder zumindest grob zu kennen. Es geht hierbei freilich nie um das Spiel: „Rate den Komponisten“ oder das konkrete Stück. Vielmehr taucht der Hörer in eine Welt ein, die sehr bewusst die Romantik reflektiert, oft traumwandlerisch, quasi unbewusst, aber bisweilen auch recht derb parodistisch oder ironisch.
Schlagwerker im Orchester stehen oft am hinteren Rand der Bühne, dabei sorgen sie für den pulsierenden Herzschlag im Klangkörper und liefern viele Klänge, die gerade in einer Partitur benötigt werden. Als hochausgebildete Spezialisten verspüren sie nicht selten das Bedürfnis, aus dem Schatten heraus und ins Rampenlicht hinein zu treten. Und zwar nicht aus Eitelkeit, sondern aus künstlerische Konsequenz. Lukas Staffelbach, Fabian Ziegler und Matthias Kessler folgten diesem inneren Drang von Beginn ihrer Ausbildung an und haben sich nun mit ihren Album „En Couleur“ einen Traum verwirklicht, hinter dem fünf Jahre Entwicklungsarbeit stehen.
Wollte man sich eine zugkräftige Headline zu den Metamorphosen des Publius Ovidius Naso – so Ovids vollständiger Name – ausdenken, dürfte diese wohl zu Recht „Verwandlungen zum Negativen im Reich der Titanen, Götter und Heroen“ lauten. Da das Werk Stützfeiler fortgeschrittener Latinität war, konnte Karl Ditters (1739-1799), dem Kaiser Joseph II. nach der Verleihung des päpstlichen „Ordens vom goldenen Sporn“ das Adelsprädikat „von Dittersdorf“ verlieh, sämtliche Details der Episoden bei seinen gebildeten Hörern – anders als heute – voraussetzen. Dem Württembergischen Kammerorchester gelang eine hörenswerte Einspielung dieser Vorläufer von Beethovens Pastorale.
Der Titel dieses neuen Albums suggeriert, dass man sich auf etwas gefasst machen muss: „Käfer töten“. Und richtig - das neue Album des jungen, hochgelobten Komponisten Alexander Maria Wagner zieht uns hinein in ein schräges Panoptikum aus Wahnsinn und schwarzem Humor. Wagner hat offensichtlich erkannt, dass wahre Kunst immer auch etwas mit Subversion zu tun hat und jede Angepasstheit auf Dauer lähmend, ja mitunter tödlich wirkt. Zusammen mit dem schottischen Vokal-Künstler Graham Valentine und einem handverlesenen Kammerensemble führt er dies eindrucksvoll vor.
Dieses Instrument ist ein wahres Zwitterwesen aus Gitarre und Cello und lebte auch nicht lange: das (oder die oder der: ich habe schon alle Artikel dafür gelesen) Arpeggione. „Arpeggione“ heißt wörtlich „großer Akkord“. Diese Bezeichnung findet sich nur bei Franz Schubert, sonst heißt das Instrument „Guitare d’amour“ oder Bogen-Gitarre. Gitarre deswegen, weil dies Instrument gebaut und gestimmt ist wie eine Gitarre, aber mit einem Bogen gestrichen wird – die Bauprinzipien einer Gitarre sollte mit den Ausdrucksmöglichkeiten und dynamischen Qualitäten des gestrichenen Tones kombiniert werden. Der Cellist Martin Zeller wirbt auf dieser CD vehement für den Klang und gefühlvollen Ausdruck des Arpeggione. Er rühmt im sehr persönlich gehaltenen Booklet „das Zarte, Innerliche, Liedhafte“ dieses Instrumentes.
Mannigfaltig ist die Überlieferung seines Namens: Schmierer, Schmicerer bzw. Schmicorer, und eben auch Schmikerer, als der er in der Titelei dieser CD auftritt. Die auf dem Back-Inlay aufgeführten Lebensdaten 1682-1762 stammen allerdings aus dem Nirgendwo: Trotz ausführlicher Suche in den verschiedensten lexikalischen Quellen waren keine anderen Angaben zu finden als 1661-1719; und wie durch ein Wunder finden sich eben diese Daten auch in Hans Bergmanns informativem Begleittext zu dieser Produktion. Glücklicherweise hat diese editorische „Großzügigkeit“ – immerhin macht sie den Komponisten um etwa eine Generation jünger – nichts mit den Leistungen der Musiker gemein, welche diese reizvollen Orchestersuiten der Vergangenheit entrissen haben und den Liebhabern von Barockmusik hier zu Gehör bringen.
Frage an Radio Eriwan: Können 10 Blechbläser und ein Schlagzeuger ein komplettes Orchester ersetzen? Antwort: Im Prinzip nein, aber seit 50 Jahren gibt es eine Truppe namens German Brass aus Solobläsern namhafter Orchester mit Hochschulprofessuren, die bekommen das ohne weiteres hin. Zum goldenen Jubiläum hat sich das mit je drei Trompeten, Hörnern und Posaunen, Tuba und Schlagzeug musizierende Ensemble neun bekannte Ouvertüren vorgenommen. Eine Einspielung, vor der man den Hut ziehen und gratulieren muss.
Peter Jablonski hat in den letzten Jahren auf dem Ondine-Label einige hochinteressante Alben herausgebracht – neben Chopin und Skrjabin auch Musik jenseits des Mainstreams, zum Beispiel von Stantschinski oder Bacewicz. Sein neuestes Album widmet sich dem noch immer viel zu wenig beachteten Briten Ronald Stevenson (1928–2015), dessen äußerst umfangreiches Klavier- und Liedschaffen erst nach und nach in computergesetzten Noten erscheint.
Während der Italiener Mauro Giuliani (1781- 1829) in Wien, Rom und Neapel für längere Zeit feste Spielorte fand, war sein Zeitgenosse Niccoló Paganini (1782 – 1840) ein Prototyp des reisenden Virtuosen, der in Europa als musikalischer Hexenmeister gefeiert wurde. Es ist durchaus sinnvoll, Werke beider Meister in einem Album nebeneinander zu stellen, da viele ihrer Kompositionen für die Duo-Besetzung Violine und Gitarre bestimmt sind. Der 2017 verstorbene Geiger Rainer Kußmaul, der von 1993 bis 1998 erster Konzertmeister der Berliner Philharmoniker war und außerdem einen bedeutenden Ruf als Lehrer hatte, erarbeitete gemeinsam mit der Freiburger Gitarristin Sonja Prunnbauer ein Programm, das die Klangwelt dieser speziellen Kombination am Übergang von der Klassik zur Romantik spiegelt.
for Clarinet, Viola and Piano Schumann Amberg Juon Françaix
Prospero Classical PROSP0084
1 CD • 64min • 2023
26.09.2024 • 8 9 8
Im Jahr 2020 gegründet, besteht das Trio Eiger (in der Besetzung Klarinette, Viola und Klavier) aus drei jungen Musikerinnen aus dem Orchester des Opernhauses Zürich (wobei die Pianistin Kateryna Tereshchenko mittlerweile an der Zürcher Hochschule der Künste arbeitet). Ihr Debütalbum rekurriert bereits in seinem Titel auf eines der bekanntesten Werke dieser Besetzung, und so bilden Schumanns Märchenerzählungen auch die zentrale Achse, den Referenzpunkt dieses Programms, flankiert von Werken von Paul Juon, Jean Françaix und – als Rarität – Johan Amberg.
Die unbestreitbar grandiosen Fähigkeiten des bedeutendsten Beethoven-Schülers, Ferdinand Ries (1784-1838), als Pianist und Komponist müssen nach zahlreichen Rezensionen seines völlig zu Recht wieder in den Fokus gelangten Schaffens auf dieser Plattform nicht mehr verteidigt werden. Waren die meisten Veröffentlichungen der letzten 30 Jahre Ersteinspielungen, legt nun Ondine die bereits zweite CD einer Neuaufnahme aller acht Symphonien Ries’ mit der Tapiola Sinfonietta unter Janne Nisonen vor.
Das Trio Parnassus wurde 1982 von dem Pianisten Friedemann Rieger, dem Geiger Wolf Dieter Streicher und dem Cellisten Michael Groß gegründet, eine Formation, die bis 1989 in dieser Besetzung bestand. Ein spezielles Unternehmen war die Einspielung aller sieben Klaviertrios von Johann Nepomuk Hummel (1778 – 1837) in den Jahren 1987/88. Hier ging es darum, einem Komponisten, der im Schatten Beethovens als „Kleinmeister“ wirkte, zur verdienten Anerkennung zu verhelfen. Hummel, der zunächst Nachfolger Haydns beim Fürsten Esterházy war, dann in Stuttgart und ab 1819 bis zu seinem Tod in Weimar lebte, war vor allem als Pianist und Klavierkomponist hoch angesehen. Kein Wunder, dass vor allem der Klavierpart in den sieben Trios besondere Anforderungen stellt.
Das Jahr 1726, so informiert uns der aufschlussreiche Booklet-Beitrag von Peter Wollny, stellte eine Wende im reichen Kantatenschaffen von Johann Sebastian Bach dar. Anstelle der opulenten Orchesterbesetzungen und klangprächtigen Chöre, die vorher das Leipziger Publikum entzückt hatten, traten nun fein ausgearbeitete Arien, die mit kleinen Instrumentalensembles korrespondierten. Und bei den bevorzugten Texten, die großenteils von dem Leipziger Theologie-Studenten Christoph Birkmann und dem nachmaligen Darmstädter Hofpoeten Georg Christian Lehms stammten, trat nun das lyrische und bekennende Ich in den Mittelpunkt.
Magnus Lindberg, Jg. 1958, gehört zu den international bekanntesten finnischen Komponisten unserer Tage, und erste Referenz für Aufnahmen seiner Werke ist schon lange das Label Ondine, das mittlerweile seit Jahrzehnten sein Schaffen auf Tonträger dokumentiert. Mit der vorliegenden Neuerscheinung erreicht die Werkschau nun die Kompositionen des gegenwärtigen Jahrzehnts. Neben zwei kürzeren Orchesterstücken bildet Lindbergs Violakonzert, gespielt von seinem Widmungsträger Lawrence Power, den Kern des Albums; das Finnische Rundfunk-Sinfonieorchester wird von seinem aktuellen Chefdirigenten Nicholas Collon geleitet.
Max Volbers recorder • Alexander von Heissen harpsichord
Berlin Classics 0303407BC
1 CD • 77min • 2023
21.09.2024 • 10 10 10
Max Volbers und sein Partner an Cembalo und Orgelpositiv Alexander von Heissen nehmen sich in ihrer neuesten Einspielung dem dankbaren Thema der Blockflötenmusik in London zwischen 1700 und 1730 an. Schließlich bestand ein Drittel aller Ausgaben des als Verleger und Raubkopierer berüchtigten John Walsh aus Publikationen für dieses bei den Gentlemen ungemein beliebte Instrument. Die beiden Interpreten mischen hier gekonnt seit langem im Repertoire Verankertes mit eigenen Arrangements von eigentlich für andere Instrumente gedachten Kompositionen. Bei zwei „Schlachtrössern“ gelingt ihnen eine Referenzaufnahme.
Die Aufnahmen der Klavierquartette in A-Dur op. 26 und in c-Moll op. 60 von Johannes Brahms sind dem Gedenken an den Pianisten Lars Vogt (1970 - 2022) gewidmet. Kurz vor seinem Tod wurden die beiden Werke im Sendesaal Bremen eingespielt, wobei es beim c-Moll-Quartett nur zu einem einfachen „Durchspielen“ reichte.
Vor noch nicht einmal zehn Jahren gab es von der Musik des in Prag geborenen, aus einer jüdischen Familie stammenden Hans Winterberg (1901–1991) weder kommerzielle Einspielungen noch Notenausgaben. Die Gründe dafür sind vielschichtig und in wenigen Zeilen kaum befriedigend wiederzugeben. Zu Winterbergs verschlungenem Lebensweg, der ihn, nachdem er das Ghetto Theresienstadt überlebt hatte, nach Bayern führte, wo er beim Rundfunk eine Anstellung fand, kommt eine komplexe familiäre Konstellation hinzu; sein Stiefsohn versah Winterbergs Nachlass u.a. mit einer Sperrklausel bis zum Jahre 2030. Es ist dem Engagement von Winterbergs leiblichem Enkel Peter Kreitmeir zu verdanken, dass diese Musik der Versenkung und dem Vergessen entrissen wurde.
Der rumänische Pianist Victor Nicoara, der heute in Berlin lebt, widmet sich vor allem dem weniger bekannten Klavierrepertoire und ganz besonders dem Schaffen von Ferruccio Busoni (1866 – 1924). Die neue CD trägt den Titel „Polyphonic Dreams“ und weist damit auf einen charakteristischen Wesenszug Busonis hin: seine an Johann Sebastian Bach geschulte und zugleich auf die moderne Musik vorausschauende Denkweise. Bezeichnend dafür ist die epochale Fantasia Contrappuntistica, mit der sich der Komponist von 1910 bis in die Zwanziger Jahre beschäftigte. Sie geht von der Grundidee aus, Bachs Kunst der Fuge zu vollenden, greift dabei aber weit in die Zukunft voraus.
Dass Gustav Mahlers 12 Lieder aus Des Knaben Wunderhorn, in den Jahren 1892-1898 entstanden, dem Publikum vor allem in ihren Orchesterversionen bekannt sind, hat einen einfachen Grund: der Verlag Universal Edition hatte jahrzehntelang nur Klavierauszüge dieser Orchesterfassungen aufgelegt und die von Mahler selbst geschaffenen Klavierversionen ignoriert. Erst 1993 wurden diese im Rahmen der kritischen Gesamtausgabe von Renate Stark-Voit und Thomas Hampson neu herausgegeben. Das vorliegende Album verbindet diese zwölf Gesänge mit 8 originalen Klavierliedern auf „Wunderhorn“-Texte aus den Jahren 1887-1891.
Vermutlich ist der russische Komponist Viktor Ewald (1860–1935) den meisten Musikliebhabern eher kein Begriff, und dies paradoxerweise, obwohl die auf dieser CD vorgestellten Werke für cpo-Verhältnisse eigentlich diskographisch ungewöhnlich gut erschlossen sind (teilweise mehr als ein Dutzend Einspielungen). Ewald gehörte dem Kreis um den russischen Musikmäzen Mitrofan Beljajew an und spielte lange Zeit auf dessen Freitagstreffen im Streichquartett den Cellopart. Hauptberuflich war er Bauingenieur, hatte jedoch am Petersburger Konservatorium eine gründliche musikalische Ausbildung genossen.
Hier wächst zusammen, was nicht zusammengehört – jedenfalls wenn man herkömmliche Stilschubladen bemüht. Tango und Chaconne haben nun wirklich nichts miteinander gemeinsam, auf dieser CD aber kombiniert das experimentierfreudige Ensemble La Ninfea munter beide Tänze und fügt gleich noch weitere hinzu. Von Forqueray und Händel bis Piazzolla reicht das stilistische Spektrum, das hier bunt durcheinandergewürfelt wird, und auch Mozart ist mit dabei. Das Ergebnis ist unkonventionell aber auch sehr erfrischend.