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ARD-Musikwettbewerb Ein Fenster zu... Kompass

ARD-Musikwettbewerb

Vier Kandidaten für drei Preise

Finale für die Bläserquintette beim ARD-Musikwettbewerb

Vier und nicht nur drei Bläserquintette bestritten das gestrige Finale im Prinzregententheater. Pflichtstück war das Bläserquintett op. 43 von Carl Nielsen (1865-1931), zur Wahl standen zusätzlich 10 Pieces für Wind Quartett von György Ligeti (1923-2006), 5 Distances for 5 Instruments von Harrison Birtwistle (1934-2022) oder Ricorrenze von Luciano Berio (1925-2003). Da es vier Kandidaten für drei Preise gab, war abzusehen, dass ein Preis geteilt werden würde – was auch geschah. Die siebenköpfige Jury unter dem Vorsitz der Fagottistin Julie Price aus Großbritannien war wahrlich nicht zu beneiden, so sehr lagen alle Bläserensembles qualitativ gleichauf.

Wohlig-wohlgerundeter Bläserklang

Den Anfang machte das SenArts Wind Quintet aus Spanien, 2022 in Barcelona gegründet. Es begann mit den 10 Pieces von Ligeti, raffinierten Bläser-Klangexperimenten mit langgezogenen Akkorden, die sich unmerklich verändern, Tönen, die sich verzweigen, murmelnden Klängen und Unisono-Tönen, die sich in Ohr bohren. Immer weich und immer wohlgeformt waren die Töne, die das SenArts Wind Quintet produzierte, „con delicatezza“ war für die Nr. 8 des Stücks vorgeschrieben und „con delicatezza“ könnte man die gesamte Interpretation überschreiben. Der helllichte und geradezu wohlig-wohlgerundete Bläserklang der Spanier war wie geschaffen für das Bläserquintett von Carl Nielsen, alle gingen körperlich mit der Musik mit, die ganz natürlich aus ihren Körpern zu fließen schien. Mit graziöser Lebhaftigkeit gestalteten sie die insgesamt elf Variationen im Finalsatz, für die sie deutliche Pausen machten. Warm belebt war der Klang des Fagotts in seinem Solo, jagdfanfarenartig aufstrahlend das Horn.

Das Singen des Unsingbaren

Nicht so vital, nicht so lebenssprühend und nicht so mitreißend, wenn auch beschwingt, ging das Alinde Quintet aus Tschechien das Nielsen-Quintett an. Die schon „mahlerisch“ anmutenden Akzente im Trio des Menuetts verwischten die tschechischen Bläser etwas, das Lied-Variationsthema stimmten sie etwas rascher an, stellten dafür die einzelnen Charaktere der Charaktervariationen sowie den hymnischen Schluss deutlicher heraus. Den Ligeti nahmen sie deutlich kantabler, sangen so das eigentlich Unsingbare und machten das Klanggemurmel ganz murmelnd.

Vielfach schillernde Klangfarben

Das Pacific Quintet heißt so, weil sich die Musiker beim von Leonard Bernstein gegründeten Pacific Music Festival in Sapporo kennengelernt haben, gegründet wurde es in Berlin. Die Fünf stammen auch aus fünf verschiedenen Ländern von Honduras bis zu Japan. Den Titel 5 Distances von Harrison Birtwistle nahmen sie wörtlich und stellen sich weit distanziert voneinander auf der ganzen Bühne verteilt auf, spielten sich so über weite Distanzen die Töne zu. „Distance“ könnte man auch mit „Weg“ übersetzen, so machten die Fünf klar, dass es fünf verschiedene Instrumente sind, die auf fünf verschiedenen Wegen Musik machen. Völliges Gleichgewicht herrschte zwischen diesen fünf Wegen = Instrumenten, sehr temperamentvoll und durchaus humorvoll war ihre Interpretation, die auch das Publikum sofort begeisterte. Für das Nielsen-Quintett stellten sie sich wieder eng zusammen. Es hörte sich hier gebundener, geschlossener und auch flüssiger an, außerordentlich klangschön war das Horn-Fagott-Duett in der Reprise im ersten Satz und in vielen Klangfarben schillernd kam der zweite Satz. Spannungsvoll spielten die Fünf das einleitende Adagio im Finalsatz, liedhaft schlicht das Variations-Thema, farbenfroh-bunt die schnell aufeinander folgenden Variationen, die dadurch Geschlossenheit erhielten. Zart und innig singend war das Fagott-Solo, mehr Jagdgesang als Fanfare war das Horn-Solo. Und als das Thema am Ende nach den Variationen wiederkehrte, war es, als habe es dazwischen viel mitgemacht: dankbar, feierlich und hymnisch. Heftiger Applaus mit Füßegetrampel schien diesem Quintett schon den Sieg zu verleihen – zumindest den Publikumspreis.

Feinsinnig bis ziseliert

Das Nevsky Wind Quintet aus Russland, hat sich extra für diesen Wettbewerb erst im Dezember 2023 gegründet – diesen Ehrgeiz hörte man. Sie begannen das Nielsen-Quintett feierlich bedeutungsschwanger, als wäre es von Tschaikowsky oder Bruckner: Sie machten dies Stück schwergewichtiger, als es sein will. Trotzdem bemerkte man, dass diese fünf Musiker wohl die beste Tongebung haben, was sich in einer feinsinnig bis ziselierten Gestaltung äußerte. Insgesamt wirkte dieses Ensemble als das reifste, routinierteste und profihafteste – nicht unbedingt als das gewinnendste. Für Ricorrenze von Luciano Berio, Pierre Boulez gewidmet, stellten sie sich weit auseinander. Auch diese verspielte Musik aus repetitiven, pulsierenden und flirrenden Klängen nahm das Ensemble bei aller gezeigten Virtuosität todernst.

Schnelle Entscheidung

Überraschenderweise brauchte die Jury nicht sehr viel Zeit für die Entscheidung, trotz „a lot of talents“, wie Julie Price bei der Preisverleihung sagte. Den mit 15 000 Euro dotierten 3. Preis teilten sich das SenArts Quintet und das Nevsky Wind Quintet, den mit 20 000 Euro dotierten 2. Preis bekam das Pacific Quintet, dazu noch den mit 1.500 Euro dotierten Publikumspreis. Der mit 25 000 Euro dotierten 1. Preis ging an das Alinde Quintet. Das Quintet Itsuki, das nur bis zum Semifinale kam, erspielte sich den Sonderpreis (1000 Euro) für die beste Interpretation der Auftragskomposition, Rauhnacht von Johanna Doderer.

Rainer W. Janka (12.09.2024)

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