Giovanni Bononcini
Astarto
Enea Barock Orchestra, Stefano Montanari

cpo 555 591-2
3 CD • 2h 41min • 2022
29.09.2025
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
In London galt der aus Modena stammende, zu seiner Zeit europaweit hochberühmte Giovanni Bononcini (1670-1747) als stärkster Konkurrent Georg Friedrich Händels, heute sind seine 27 Opern fast gänzlich in Vergessenheit geraten. Erst in jüngster Zeit wurden Versuche einer Wiederbelebung unternommen. Während in Bayreuth seine Griselda vor drei Jahren erneut auf den Prüfstand gestellt wurde, brachten die Innsbrucker Festwochen fast zeitgleich seinen Astarto in der Londoner Zweitfassung von 1720 heraus. Der Audio-Mitschnitt dieser Aufführung, den cpo gewissermaßen als „Weltpremiere“ veröffentlicht, macht unter anderem auch deutlich, warum die großen Erfolge Bononcinis seine Zeit nicht überdauerten.
Höfisches Intrigen-Drama
Gegenstand der Oper Astarto, die im Jahr 1715 während des Karnevals in Rom uraufgeführt und 5 Jahre später für die Aufführung im Londoner Haymarket Theater gründlich überarbeitet und den Möglichkeiten des Kastraten Senesino, der die Titelrolle sang, angepasst wurde, ist ein höfisches Intrigen-Drama mit glücklichem Ausgang. Elisa, Königin von Tiro, will ihren Admiral Clearco heiraten, der sie vor erwartbaren Angriffen ihres ihr unbekannten Widersachers Astarto schützen soll. Diese Verbindung wird aber von mehreren Seiten zu vereiteln versucht. Fenicio, der vermeintliche Vater von Clearco, ist ein Parteigänger Astartos und will sie vernichten. Agenore, der ebenfalls Elisa liebt, versucht den Nebenbuhler durch ein gefälschtes Dokument aus dem Weg zu räumen, und seine Schwester Sidonia, die Nino versprochen ist, aber Clearco liebt, versteht es, die wilde Eifersucht der Königin zu entfachen. Fenicio offenbart unter Druck endlich die Wahrheit. Clearco ist (ohne es bis dahin zu wissen) in Wirklichkeit Astarto, der Sohn des von Elisas Vater ermordeten Königs und damit der rechtmäßige Thronerbe. Die schlussendliche Hochzeit der Beiden sichert ihr Liebesglück und den Frieden.
Auf Dauer einförmig
So abwechslungsreich und verzwickt die Opernhandlung ist, so einfach und auf die Dauer einförmig ist die Musik, bestehend aus einer endlosen Abfolge von kurzen Dacapo-Arien (meist nur drei bis vier Minuten) und langen Rezitativen (die mehr als ein Drittel der Partitur ausmachen. Jeder Akt wird mit einem Duett abgeschlossen, in dem auch mal empfindsame Töne möglich sind. Ansonsten ersetzt das gediegene Handwerk die Inspiration. Es fehlt an starken Kontrasten und eingängigen Melodien. Auch macht der Komponist nur wenig Gebrauch von die Stimme begleitenden Solo-Instrumenten. Insgesamt wird der heutige Hörer dem Historiker und Musikreisenden Charles Burney, einem der Kronzeugen der Musik des 18. Jahrhunderts, kaum widersprechen wollen. Er hat Astarto einer ausführlichen Analyse unterzogen und ist abschließend zu dem vernichtenden Urteil gelangt: „Ich für meinen Teil bin indes unfähig, nur ein einziges Stück zu nennen, das Würde, Originalität des Entwurfs oder eine phantasievolle Melodie enthält“.
Nicht ganz perfekt
Ein zu Unrecht vergessenes Meisterwerk, ein echtes Fundstück, das einen festen Platz im Repertoire der Barock-Oper verdient hätte, ist Astarto zweifellos nicht. Und der akustische Mitschnitt von den Innsbrucker Festwochen 2022 ist auch nicht dazu angetan, eine neue Bewertung zu ermöglichen. Musikalisch hält er nicht das Spitzen-Niveau, das man sonst von Innsbrucker Aufführungen gewohnt ist. Das erst 2018 gegründete Enea Barock Orchestra produziert unter Leitung des hier auch als Violin-Solist hervortretenden Stefano Montanari einen insgesamt zu kompakten, schwerblütigen Klang und bleibt die letzte Präzision schuldig. Die Altistin Francesca Ascioti hat in der für den Kastraten Senesino geschriebenen Titelrolle gegenüber ihrer Leistung in Cestis La Dori an stimmlicher Frische und klanglicher Wärme eingebüßt. Im Zentrum des Geschehens steht die in ihren Gefühlen ständig hin und her gerissene Elisa der Mezzosopranistin Dara Savinova, die zwar nicht eitel Wohllaut verströmt, aber gestalterisch abwechslungsreiche dramatische Akzente setzt. Ebenfalls starke theatralische Präsenz zeigt die leichtstimmige, fast soubrettenhafte Sopranistin Theodora Raftis als Intrigantin Sidonia. Dass die beiden Männerrollen des Nino und des Agenore ebenfalls mit Sopranistinnen besetzt sind, die sich im Klang nicht allzu deutlich von ihr absetzen, ist eine vokaldramaturgisch nicht sehr glückliche Entscheidung und trägt zum insgesamt etwas monotonen Gesamteindruck bei. Die einzige Männerstimme gehört Fenicio, dem vermeintlichen Vater Clearcos. Luigi De Donatos kerniger Bass meistert die vertrackten Koloraturen in seinen drei Arien nur annäherungsweise.
Ekkehard Pluta [29.09.2025]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Giovanni Battista Bononcini | ||
1 | Astarto (Dramma per musica in tre atti) | 02:40:58 |
Interpreten der Einspielung
- Dara Savinova (Elisa, Königin von Tyros - Mezzosopran)
- Francesca Ascioti (Clearco, Elisas Großadmiral - Alt)
- Theodora Raftis (Sidonia, eine Fürstin - Sopran)
- Paola Valentina Molinari (Nino, ein Edelmann - Sopran)
- Ana Maria Labin (Agenore, Bruder der Sidonia - Sopran)
- Luigi Donato (Fenicio, vermeintlicher Vater des Clearco - Baß)
- Enea Barock Orchestra (Orchester)
- Stefano Montanari (Dirigent)