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Besprechung CD/SACD surround

Walter Kaufmann

Orchestral Works / Orchesterwerke
Philharmonisches Orchester Regensburg, Stefan Veselka

MDG 901 2363-6

1 CD/SACD surround • 51min • 2024

17.09.2025

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Als der junge Komponist und Musikethnologe Walter Kaufmann 1934 zu einer Forschungsreise nach Indien aufbrach, ahnte er – deutschsprachiger Böhme aus jüdischstämmiger Familie – noch nicht, dass sich dieser Aufenthalt infolge der politischen Ereignisse in Europa zu einem zwölfjährigen Exil auswachsen und er nicht wieder in seine Heimat zurückkehren sollte. Das künstlerische Schaffen Kaufmanns, der nach dem Zweiten Weltkrieg als Dirigent in Kanada und als Universitätsprofessor in den USA wirkte, hat von den Jahren in Indien immens profitiert. Vergleichbar dem eine Generation älteren Engländer John Foulds, der nahezu zeitgleich auf dem Subkontinent eintraf und wie Kaufmann als Musikdirektor bei All India Radio wirkte, betrachtete er die Musik Indiens nicht als Fundgrube effektvoller Exotizismen, die man der hergebrachten abendländischen Konzertmusik überstreifen kann, sondern schuf auf ihrer Grundlage einen neuen folkloristischen Stil, ähnlich wie es Béla Bartók mit der Musik der ungarischen Landbevölkerung getan hatte.

Neue Klassizität auf indischer Grundlage

So verwendet Kaufmann anstelle von Dur- und Molltonarten Raga-Modi, wobei die Ausdeutung des harmonischen Spannungspotentials innerhalb des Modus gewissermaßen als Ersatz für die modulatorische Durchführungsarbeit der abendländischen Tradition fungiert. Auch von der abendländischen Polyphonie nimmt Kaufmann Abstand und vertraut ganz dem melodischen Potential der Modi, das er mit fein ausgeschmückten Begleitstrukturen grundiert. Die geniale Einfachheit dieser Musik zeigt sich nicht zuletzt in der Instrumentation, die bei aller Farbenpracht doch stets dezent und transparent wirkt. Busonis Wort von der neuen Klassizität scheint mir bei Kaufmann wohl am Platze.

Glücklicherweise scheint man jetzt nach und nach auf Kaufmann aufmerksam zu werden, nachdem seine Werke lange Zeit ein Schattendasein geführt hatten: Hatte cpo letztes Jahr die erste ausschließlich ihm gewidmete Orchestermusik-CD herausgebracht, zieht MDG nun mit einem weiteren Album nach, auf welchem das Philharmonische Orchester Regensburg unter der Leitung von Stefan Veselka vier Orchesterwerke Kaufmanns präsentiert.

Transparent, liebevoll, feierlich

Das eröffnende Stück, Madras Express, inspiriert von einer Zugfahrt durch Südostindien, erlaubt die Gegenüberstellung mit zwei weiteren Aufnahmen, da es sich bei diesem gut fünfminütigen, schwungvollen Satz, dessen einzelne Unterabschnitte die Unterteilung des Vierertaktes in 3+3+2 variieren, um das Finale der (nicht nummerierten) Indian Symphony handelt, die bereits von David Robert Coleman (auf dem erwähnten cpo-Album) und von Leon Botstein eingespielt wurde. (Über diesen Zusammenhang erfährt man im Beiheft leider nichts.) Veselkas Aufnahme erscheint als die klanglich transparenteste und besticht durch tänzerische Leichtfüßigkeit, während Coleman mehr auf Wucht setzt – eine Tendenz, die bei Botstein ins Grobschlächtige abgleitet. Auch die übrigen drei Kompositionen erfahren durch Veselka und die Regensburger eine liebevolle Darbietung. Der schwebenden Melodik Kaufmanns wird stets genug Raum zur Entfaltung gelassen, sodass die gewisse Feierlichkeit spürbar wird, die auch die lebhafteren Sätze durchzieht.

Große Wirkungen mit wenigen Mitteln

Als starker Kontrast zum Madras Express folgt mit Dirge ein ausgedehnter, unsentimentaler Klagegesang, der trefflich von Kaufmanns Begabung zeugt, mit wenigen Mitteln große Wirkungen zu erzielen. Die „feierliche Rhapsodie“ Indian Facades besteht aus sieben direkt aufeinanderfolgenden Sätzen von eineinhalb bis viereinhalb Minuten Dauer, denen folkloristische Melodien bzw. Raga-Modelle zugrunde liegen. In der dreisätzigen Symphonie Nr. 2 zeigt Kaufmann, dass motivische Entwicklung nach abendländischer Tradition sehr wohl auf Grundlage indischer Folklore möglich ist. So zeigt sich im Kopfsatz nach und nach, dass die eröffnende Fanfare und das folgende Gesangsthema im Grunde Varianten eines gemeinsamen motivischen Kerns sind. Besonders faszinierend ist der mysteriöse langsame Satz, dem sich ein rhythmisch höchst lebendiges Finale anschließt.

Diese CD ist sehr dazu angetan, dem Komponisten Walter Kaufmann Freunde zu gewinnen. Kritisch anzumerken wäre höchstens, dass das Album mit 50 Minuten relativ kurz geraten ist. Da Knappheit bei Kaufmann die Regel ist, wäre durchaus noch Platz für ein oder zwei weitere Werke gewesen.

Norbert Florian Schuck [17.09.2025]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Walter Kaufmann
1Madras Express 00:05:23
2Dirge 00:10:18
3Indian Facades (A Solemn Rhapsody for Orchestra) 00:19:38
10Sinfonie op. 2 00:15:17

Interpreten der Einspielung

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