Dopo notte
Arias by Handel and Hasse for Faustina Bordoni and Giovanni Carestini
Megan Kahts Mezzo Soprano

Solo Musica SM 493
1 CD • 52min • 2025
27.08.2025
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Mit ihrem zweiten, selbst produzierten Album „Dopo notte“ macht die in Wien lebende südafrikanische Mezzosopranistin Megan Kahts direkt dort weiter, wo sie mit „Il dolce abbandono“ (Solo-Kantaten von Händel und Haydn) aufgehört hatte. Nun wird Händel in einer knappen Auswahl von Opernarien mit seinem Zeitgenossen und partiellen Konkurrenten Johann Adolph Hasse (1699-1783) verbunden. Schier unübersichtlich ist auf dem derzeitigen Tonträgermarkt das Angebot hochrangiger Interpretationen barocker Opern, in denen insbesondere Mezzosoprane und Countertenöre miteinander und gegeneinander in Wettbewerb treten. Die aufstrebende Künstlerin Megan Kahts, die zwar schon beträchtliche Erfolge vorzuweisen, aber noch keinen marktgängigen „Namen“ hat, stellt sich dieser Herausforderung mit erfrischendem Selbstbewusstsein.
Bordoni und Carestini
Gewidmet ist das Album der Mezzosopranistin Faustina Bordoni (1697-1781) und dem Kastraten Giovanni Carestini (1700-1759), deren Ruhm zu wesentlichen Teilen mit den Werken Händels und Hasses verbunden war. Die Bordoni muss nach zeitgenössischen Berichten von Burney, Quantz und anderen nicht nur eine fabelhafte virtuose Sängerin gewesen sein, sondern auch eine starke Bühnenpräsenz besessen haben, die sie in heroischen, elegischen und heiteren Rollen gleichermaßen reüssieren ließ. Händel schrieb für sie die Partien der Rossane in Alessandro und der Elisa in Tolomeo, den Schwerpunkt ihres Repertoires bildeten aber nicht weniger als 23 Opern ihres Ehemannes Hasse. Carestini war einer der erfolgreichsten Kastraten seiner Zeit (in Hogarths Gemälde „Morgen-Lever“ bildlich verewigt), begann in Sopran-Partien und wechselte später ins Alt-Fach. Er kreierte die Titelpartie in Händels Ariodante und den Ruggiero in dessen Alcina, fand aber auch in Hasses Opern, insbesondere Arminio, für seine Stimme geeignete Aufgaben.
Grenzen und Möglichkeiten
Insbesondere die virtuosen Arien beider Komponisten verlangen den Sängern einen großen Stimmumfang ab und die Fähigkeit, durch die verschiedenen Register mühelos und spielerisch gleichsam zu „surfen“. Das stellt heutige Interpreten, ob Countertenöre oder Mezzosopranistinnen, vor spezielle Herausforderungen. Megan Kahts, die schon als elfjähriges Wunderkind in Südafrika auf dem Konzertpodium stand und ihre professionelle Ausbildung in Wien erhielt, ist nach Anfängen als Sopranistin ins Mezzo-Fach gewechselt. Nach meinem Höreindruck ist sie aber von der Stimmfarbe und dem natürlichen Stimmumfang her ein Sopran geblieben. Die tiefe Lage erscheint mir nicht organisch gewachsen, sondern mühsam erarbeitet. So liegt ihr insbesondere Hasses Arie „Ti lascio in ceppi avvinto“ aus Arminio, die eine Stimme vom Typ Ewa Podles‘ verlangt, nicht besonders komfortabel in der Kehle. In den Bordoni-Arien, die eine klangvolle Mittellage und eine leichte Höhe fordern, entwickelt sie dagegen einigen stimmlichen Glanz.
Von den Müttern lernen
Die das Album einleitende und ihr den Titel gebende Bravour-Arie „Dopo notte, atra e funesta“ aus Ariodante gehört zu den Vorzeigestücken aller Sängerinnen und Countertenöre, die in der Barockoper einen Schwerpunkt ihrer Arbeit gefunden haben. Ich habe mir zum Vergleich die fulminanten Interpretationen von Cecilia Bartoli, Joyce Di Donato, Ann Hallenberg und Vivica Genaux noch einmal angehört – vier Sängerinnen der „Mütter“-Generation. Die 1989 geborene Megan Kahts kann neben diesen Koryphäen mit Anstand, aber auch einem gewissen Abstand bestehen. Das gilt auch für Ruggieros „Mi lusinga il dolce affetto“ aus Alcina in der unmittelbaren Gegenüberstellung mit Vesselina Kasarova. In allen diesen Händel-Stücken fehlt es der jüngeren Sängerin noch etwas an emotionaler Durchdringung und farblichen Abstufungen. Da wird in den nächsten Jahren sicher noch einiges dazu wachsen. Die Anlagen, auch im Gestalterischen, sind zu erkennen. Eine hervorragende Unterstützung, nicht nur in klanglicher, sondern auch in stilistischer Hinsicht, erfährt Megan Kahts durch das Orchester Wiener Akademie unter Jeremy Joseph.
Ekkehard Pluta [27.08.2025]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Georg Friedrich Händel | ||
1 | Dopo notte, atra e funesta (Arie des Ariodante - aus: Ariodante HWV 33) | 00:06:51 |
2 | Tempesta e calma (aus: Alessandro HWV 21) | 00:04:22 |
Johann Adolf Hasse | ||
3 | Ti lascio in ceppi avvinto (aus: Arminio) | 00:07:03 |
Georg Friedrich Händel | ||
4 | Scherza infida in grembo al drudo (Arie des Ariodante - aus: Ariodante HWV 33) | 00:10:42 |
Johann Adolf Hasse | ||
5 | Vo disperato a morte (aus: Tito Vespasiano) | 00:03:46 |
6 | Che sorte crudele (aus: Cleofide) | 00:07:24 |
Georg Friedrich Händel | ||
7 | Quanto è felice quell' augelletto (aus: Tolomeo HWV 25) | 00:04:43 |
8 | Mi lusinga il dolce affetto (Arie des Ruggiero - aus: Alcina HWV 34) | 00:06:48 |
Interpreten der Einspielung
- Megan Kahts * 1989 (Mezzosopran)
- Wiener Akademie (Orchester)
- Jeremy Joseph (Dirigent)