Antonia Bembo
L'Ercole amante

cpo 555 728-2
2 CD • 50min • 2023
18.08.2025
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die Venezianerin Antonia Bembo (1640-1720) ist eine der ganz wenigen Frauen, die es im Barock wagten, eine Oper zu komponieren. Offensichtlich war man am Hofe des Sonnenkönigs komponierenden Frauen gegenüber durchaus aufgeschlossen, wie man auch der Biographie ihrer Kollegin Élisabeth Jacquet de la Guerre entnehmen kann, von der ebenfalls eine Oper erhalten ist. Allerdings ist es fraglich, ob ihr Ercole amante jemals aufgeführt wurde. Vielmehr ist anzunehmen, dass diese Neukomposition eines Librettos, das bereits ihr Lehrer Francesco Cavalli anlässlich der Hochzeit Ludwigs XIV komponiert hatte, im Zusammenhang mit der Diskussion um den Vorrang der italienischen oder der französischen Musik steht, der um 1700 und noch bis zum Buffonistenstreit die vornehmen Salons beherrschte.
Ein Leben geeignet als Filmvorlage
Die Arzttochter Antonia Padoni heiratete 1659 den venezianischen Adligen Lorenzo Bembo, dessen Familie in Kardinal Pietro Bembo (1470-1574) die bedeutendste Persönlichkeit hervorbrachte und von 1615-18 den Dogen gestellt hatte. Diese Ehe war jedoch unglücklich und so verließ Antonia im Jahre 1676 ihren Mann und die drei Kinder, um ihr Glück in Paris zu suchen. Ludwig XIV hörte die von Cavalli ausgebildete Sopranistin singen, setzte ihr eine Pension aus und brachte sie in der „Petite Union Chrétienne des Dames de Saint Chaumont“, einem vornehmen Damenstift, unter. Dort konnte sie ungehindert ihren musikalischen Neigungen nachgehen und wurde durch die Vereinigung der bei Cavalli erlernten virtuosen italienischen Elemente mit dem französischen Stil Jean-Baptiste Lullys zu einer frühen Vertreterin des „vermischten Stils“.
Lieben, Sterben und Apotheose des Herkules
Ercole amante behandelt die Liebe des Herkules zu seiner Schwiegertochter in spe Iole und den daraus resultierenden Konflikt mit Juno. Seine verstoßene Frau Dejanira reicht ihm das Nessos-Gewand, um seine Liebe zurückzugewinnen. Er stirbt unter Qualen, wird auf den Olymp entrückt und mit Bellezza – der Schönheit – vermählt. Iole heiratet ihren geliebten Hylos, somit das typische lieto fine der Barockoper.
Das wunderbar geschriebene, dem König gewidmete Partitur-Manuskript (man kann es bei Gallica herunterladen) entstand 1707. Vom Höreindruck würde man eher an eine Entstehungszeit um 1680 denken, was auch am Libretto Francesco Rutis aus dem Jahr 1662 liegt, das die Arien-Formen des Hochbarock (Allessandro Scarlatti, Händel) selbstverständlich noch nicht berücksichtigen konnte. Eine klare Reminiszenz an den französischen Geschmack ist die Besetzung der Titelpartie mit einem Basse taille, wie bereits bei Cavalli. In Italien hätte man einen Kastraten gewählt, was in Frankreich verabscheut wurde. Somit erweitern die durchaus virtuosen Arien des Ercole das barocke Repertoire für tiefe Männerstimmen. Insgesamt ist die Anzahl der Hits jedoch überschaubar.
Interessante Ausgrabung, gut interpretiert
Jörg Halubek und Il gusto barocco ist eine engagierte Ersteinspielung und womöglich eine Uraufführung des Ercole nach mehr als 316 Jahren gelungen. Dabei hätte die Trennung französischer Elemente durch eine prononciertere Inégalité in den Tanzsätzen womöglich zu größerer Farbigkeit beigetragen. Da die Partitur keine genauen Angaben zur Instrumentation enthält musste hier, was die Bläser anbelangt, nachgebessert werden, was ausgezeichnet gelungen ist. Das Instrumentalensemble schlägt sich hervorragend. Allerdings hätten einige zusätzliche Agréments à la Hotteterre nicht geschadet. Titelheld Yannick Debus bewältigt die Partie ordentlich, könnte das Vibrato jedoch als Verzierung begreifen und die Koloraturen besser in die Linie einbetten. Überzeugend wiederum durchweg die Damen.
Gegen Aufnahmetechnik und Booklet mit einer guten Einführung durch die Spezialistin für Barockopern, Silke Leopold, gibt es keine Einwände.
Fazit: Ein Werk, das sich wegen der Pionierleistung im „vermischten Stil“, der Spätbarock (Telemann, Bach, Leclair, Blavet) und Frühklassik prägte, anzuhören lohnt. Freunde des späten Monteverdi und Lullys kommen hier gleichermaßen auf ihre Kosten.
Thomas Baack [18.08.2025]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Antonia Bembo | ||
1 | L' Ercole amante (Oper in fünf Akten und einem Prolog) | 01:27:57 |
Interpreten der Einspielung
- Yannick Debus (Ercole - Bariton)
- Alena Dantcheva (Deianira - Sopran)
- Anita Rosati (Iole - Sopran)
- David Tricou (Hyllo - Tenor)
- Flore Meerssche (Giunone - Sopran)
- Chelsea Marilyn Zurflüh (Venere - Sopran, Pasithea - Sopran)
- Arnaud Gluck (Paggio - Alt)
- Andrés Montilla Acurero (Licco - Tenor)
- Hans Porten (Nettuno - Bariton, Eutyro - Bariton, Mercurio - Bariton)
- Il gusto barocco (Orchester)
- Jörg Halubek (Dirigent)