Reverie & Reality
Austro-Hungary meets Bohemia

MDG AUD 703 2361-2
1 CD • 68min • 2024
24.06.2025
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Dem Namen Széchényi begegnet man in Budapest auf Schritt und Tritt. Die von Istvan Széchényi (1791-1860), dem großen Reformer des Landes, initiierte und nach ihm benannte Kettenbrücke ist eines der touristischen Wahrzeichen der Hauptstadt, auch das weltbekannte Heilbad trägt seinen Namen. Über Generationen hinweg haben die Grafen Széchényi von Sárvár und Felsövidék und ihre Familien eine bedeutende Rolle in der Geschichte ihres Landes gespielt, als Politiker, Wissenschaftler und Künstler. Gemeinsam war allen eine besondere Liebe zur Musik, die sie als Liebhaber teilweise auch ausübten. Das vorliegende Album versammelt dichterische und musikalische Arbeiten der Széchényis und verbindet sie mit einigen Kompositionen der böhmischen Adligen Franziska von Teschek (1857-1938).
Die Familie Széchényi
Lajos Széchényi (1781-1855), der ältere Bruder Istvans, der am Wiener Hof Karriere machte, muss ein künstlerisches Allround-Talent gewesen sein und soll als Dichter, Komponist, Klavierspieler und Sänger gesellschaftlich reüssiert haben. Er war mit Haydn gut bekannt, überließ dem jungen Schubert zwei ungedruckte Gedichte zur Vertonung und gehörte später zu den Förderern von Franz Liszt. Seine Schwester Franciska Batthyány (1783-1861) war künstlerisch nicht minder vielseitig, soll während des Wiener Kongresses auch öffentlich als Klavierspielerin aufgetreten sein und gilt als die erste ungarische Komponistin. Nach einem von privaten Schicksalsschlägen geprägten Leben trat die tiefreligiöse und stets als Wohltäterin aktive Musikerin im Alter in ein von ihr selbst gegründetes Kloster ein. Istvans Sohn Ödön (1839-1922) erwarb sich Ruhm vor allem als Feuerwehrfachmann, Imre II (1858-1905) und Imre III (1899-1922), Enkel und Urenkel von Lajos, taten sich als Agrarwissenschaftler hervor.
Gebildete Dilettanten
Die in diesem Album versammelten Kompositionen sind Dokumente aus einer Zeit, deren Ausläufer bis ins frühe 20. Jahrhundert reichen und in der gebildete adlige (aber auch bürgerliche) Dilettanten als Dichter und Musiker über professionelle Qualitäten verfügten. Originalität darf man bei ihnen nicht unbedingt erwarten, aber eine handwerkliche Vertrautheit mit den Mustern der Klassik und Romantik. Die einfachen Lieder und Klavierstücke erheben keinen anderen Anspruch als zu gefallen. Im Zentrum des Programms steht eine Art Uraufführung. Kálmán Széchényi (Jg. 1944) hat die Lebensbeschreibung seiner Urahnin Franciska Batthyány in Form eines Märchens konzipiert, das sein Schwager Rudolf Marko (1937-2024), seinerseits Urgroßenkel Franziska von Tascheks, wenige Tage vor seinem Tode in eine erzählerische Form gebracht hat. Sie verbindet acht unzusammenhängende Kompositionen Franziskas zum Zyklus Die Botschaft der weißen Reiterin.
Liebevolle Ausführung
Wer die Idee gehabt hat, diese aparte Fußnote zur Musikgeschichte ins rechte Licht zu rücken, ist dem informativen und mit den Liedtexten versehenen Booklet nicht zu entnehmen. Möglicherweise war Helmut Deutsch der spiritus rector, der seinen nicht besonders herausfordernden Klavierpart mit Liebe ausführt. Die Sopranistin Katharina Ruckgaber, die im Märchen auch die Funktion der Erzählerin übernimmt, bereitet mit ihrem vokalen Charme, klarer Diktion und unverkünsteltem Vortrag ungetrübte Freude. Der Bariton Tamás Egresi sekundiert ihr in den Duos zuverlässig, lässt freilich in seinen Soli, vor allem in der höheren Lage, technische Mängel erkennen. Überzeugend in der farbigen Gestaltung zeigt er sich in dem das Album abschließenden heiteren Lied Bö szüret (Reiche Weinlese) des früh verstorbenen Imre III Széchényi.
Ekkehard Pluta [24.06.2025]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Franziska von Taschek | ||
1 | Traum | 00:01:58 |
Imre II Széchényi | ||
2 | Wenn es dunkel werden will | 00:01:32 |
Lajos Széchényi | ||
3 | Die Rose und die Liebe | 00:02:44 |
Franz Schubert | ||
4 | Die abgeblühte Linde op. 7 Nr. 1 D 514 (1817) | 00:03:38 |
5 | Der Flug der Zeit op. 7 Nr. 2 D 515 | 00:02:21 |
Franziska von Taschek | ||
6 | Praeludium | 00:01:36 |
Franciska Batthyány | ||
7 | Die Botschaft der weißen Reiterin | 00:31:02 |
Franziska von Taschek | ||
21 | Chorgesang | 00:00:56 |
Imre II Széchényi | ||
22 | Ah, wie schade (Gesangswalzer) | 00:07:22 |
Ödön Széchényi | ||
23 | Canzone | 00:03:37 |
Franziska von Taschek | ||
24 | Barcarole | 00:01:59 |
Imre II Széchényi | ||
25 | O brich nicht, Steg | 00:00:49 |
Franziska von Taschek | ||
26 | Lied | 00:01:07 |
Imre II Széchényi | ||
27 | Ungarischer Marsch | 00:04:37 |
Imre III Széchényi | ||
28 | Reiche Weinlese op. 1 | 00:02:42 |
Interpreten der Einspielung
- Katharina Ruckgaber (Sopran)
- Tamás Egresi (Bariton)
- Helmut Deutsch (Klavier)