tradizione e libertà
Aniele Steininger
Ars Produktion ARS 38 369
1 CD • 60min • 2023
30.06.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die Berliner Pianistin Aniele Steininger studierte in Basel und Wien. Sie ist kammermusikalisch sehr aktiv und erhielt Preise bei Wettbewerben wie der Orpheus Swiss Chamber Music Competition in Zürich. Nun veröffentlicht sie ihr Solo-Debütalbum „Tradizione e Libertá“. Im Mittelpunkt dieser Einspielung steht Domenico Scarlatti. Sonaten dieses Frühklassikers werden flankiert von Klängen des vor fünf Jahren verstorbenen Georg Katzer sowie von Fanny Hensels Klavierstücken.
Frühklassiker am Hof von Madrid
Der Italiener Domenico Scarlatti stand als Kammercembalist im Dienst der portugiesischen Prinzessin Maria Barbara, die später in Madrid zur spanischen Königin gekrönt wurde. Er hinterließ mehr als fünfhundert einsätzige Cembalo-Sonaten, die er lediglich für sich selbst und seine Schülerin Maria Barbara komponierte. Tonsatz-Regeln ließ er dabei durchaus mal links liegen – es gab ja niemanden, den er damit vor den Kopf stoßen konnte.
Aniele Steininger hat vier dieser höchst experimentierfreudigen Sonaten eingespielt. Sie verwendet den modernen Konzertflügel, wobei es ihr nicht darum geht, den durchsichtigen Cembaloklang zu imitieren. Mit sehr freier Dynamik und Tempogestaltung rückt sie Scarlatti in die Nachbarschaft von Schumann oder Mendelssohn.
In der cis-Moll-Sonate K 247 lässt die Pianistin bei glühenden punktierten Rhythmen und orientalisch anmutenden Verzierungen die Einflüsse spanischer Folklore erkennen. K 27 trägt Züge einer munteren barocken Toccata. Im d-Moll-Stück K 213 singt das Klavier Belcanto. Die A-Dur Sonate K 268 ist ein Ausbruch heiterer, unbeschwerter Virtuosität.
Scarlattis Erbe im 21. Jahrhundert
Scarlatti inspirierte auch den 1935 geborenen Georg Katzer, der zu den Pionieren der elektroakustischen Musik in der DDR gehörte. 1971 schrieb er Fünf Miniaturen, die einen großen Kosmos an Ausdrucksformen bei weitgehend traditioneller Spieltechnik offenbaren. Die kurzweiligen Stücke muten episodenhaft an. Dass sich im Hintergrund strenge Formen und Strukturen verbergen, erkennt man auf Anhieb nicht.
2001 komponierte Katzer seine zehnminütige Hommage an Scarlatti, Aufgrund meiner Verehrung für D.S.. Anklänge oder gar Zitate sind hier nicht zu vernehmen. Es handelt sich um Neue Musik im Geiste Scarlattis, greift Katzer doch hier wie sein Vorbild musikalische Ideen immer wieder auf, um sie verschieden zu beleuchten. Aniele Steininger lotet mit kunstvollem Pedalgebrauch die vielfältigen Klangfarben aus, so dass sich Melodien in reichen Obertonspektren entfalten.
Mit ihrem eher lyrischen Naturell überzeugt die Pianistin am meisten bei Fanny Hensels Vier Lieder für das Pianoforte op. 2. Diese ähneln Mendelssohns "Liedern ohne Worte", waren doch beide Geschwister gleichermaßen an der Entwicklung dieser neuartigen Klaviergattung beteiligt. Aniele Steininger ist hier mit natürlichem Schwung und glänzender pianistischer Technik zu erleben. Ihr einfallsreich zusammengestelltes Debütalbum erweist sich als rundum gelungen.
Antje Rößler [30.06.2024]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Domenico Scarlatti | ||
1 | Klaviersonate cis-Moll K 247 L 256 | 00:07:18 |
2 | Klaviersonate h-Moll K 27 L 449 | 00:03:42 |
3 | Klaviersonate d-Moll K 213 L 108 | 00:10:44 |
4 | Klaviersonate A-Dur K 268 L 41 | 00:04:43 |
Georg Katzer | ||
5 | Aufgrund meiner Verehrung für Domenico Scarlatti | 00:10:38 |
6 | 5 Miniaturen | 00:10:29 |
Fanny Mendelssohn-Hensel | ||
11 | Andante G-Dur op. 2 Nr. 1 (aus: Vier Lieder für das Pianoforte) | 00:03:53 |
12 | Andante con moto h-Moll op. 2 Nr. 2 (aus: Vier Lieder für das Pianoforte) | 00:02:27 |
13 | Allegretto grazioso E-Dur op. 2 Nr. 3 (aus: Vier Lieder für das Pianoforte) | 00:02:44 |
14 | Allegro molto vivace A-Dur op. 2 Nr. 4 (aus: Vier Lieder für das Pianoforte) | 00:03:19 |
Interpreten der Einspielung
- Anelie Steininger (Klavier)