Mozart's night train
Trio Clarinor
GP Arts 502
1 CD • 59min • [P] 2024
12.04.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Ob man sich all das schon im Jahr 2013 gedacht hat, als Ivo und Ilja Ruf zum ersten Mal einen Preis beim Bundeswettbewerb von Jugend musiziert gewannen? Elf Jahre später zeigen sich die beiden zusammen mit dem Pianisten Nikolai Gast als Trio Clarinoir hervorragend aufeinander eingeschworen. Ihr CD-Debüt hatten sie bereits vor vier Jahren vorgelegt, das musikalische „Roadmovie“ begann. Von konzeptionellem Weitblick zeugt, wie sie jetzt eine dazu passende Veröffentlichung, nämlich einen „Night Train“ nachlegen. Was einmal mehr zeigt, dass diese drei Musiker den Begriff „Musik machen“ tatsächlich wörtlich nehmen. Im Idealfall bedeutet das, nicht nur respektvoll Meisterwerke zu interpretieren, sondern auch selber Musik zu kreieren. Also holen die drei hier Mozart aus einem bildungsbürgerlichen Elfenbeinturm, auf dem dieser sich wohl selbst auch nicht wohlgefühlt hätte. Stattdessen laden sie ihn ein, zusammen mit ihnen zusammen im „Night Train“ auf die Reise zu gehen und das Leben zu feiern.
Start ohne Grenzen
Temperamentvoll stehen für den Night Train to Brooklyn die Signale auf Los. Von Klezmer-Trubel über rotierenden Gypsy Swing bis hin zu bebenden Dynamikwechseln versetzt die Fahrt in einen anregenden Schwindel dank der hervorragenden Virtuosität in diesem Trio. Eine Hommage an den Tango im folgenden Stück Adios Maestro rundet den Bogen weiter ins Lyrische ab. Dann ist es Zeit, ein paar treffsicher ausgewählte Mozart-Bearbeitungen anzukoppeln. Ein Divertimento aus der Hochzeit des Figaro und die Arie „Voi che sapete“ sprühen auch im „Trialog“ dieser drei jungen Musiker vor Darstellungslust.
Auch in der Moderne sehr versiert...
Eine Suite für Klarinetten-Trio, komponiert von Ilja Ruf, offenbart eine andere, große Facette des kreativen Könnens der drei Musiker. Denn sie fühlen sich auch in der Tonsprache der Moderne pudelwohl, was hier in einer sechsteiligen Suite auf eine harmonisch kühne, aber zugleich erfrischend zugängliche Interaktion inklusive gut abgehangener Jazzelemente hinaus läuft. Die hohe Kunst dieses jungen Trios, neue, frische Maßstäbe in Sachen Klangfarbe und reichhaltigem, genre-übergreifenden Spiel auf der Klarinette zu setzen, ist definitiv „nicht vom Himmel gefallen“, sondern das Ergebnis einer – auch schon bis hierhin – sorgsam gebauten künstlerischer Karriere. Ivo Ruf ist mittlerweile stellvertretender Solo-Klarinettist des SWR-Sinfonieorchesters. Nikolaj Gast hat einen ähnlich prominenten Job beim hessischen Theater Wiesbaden. Ilja Ruf kann derweil einige sehr prominente Kollaborationen, etwa mit Nils Landgren und Daniel Hope vorweisen. Vor allem studiert er aktuell am Berkley College of Music, der nach wie vor renommiertesten Kaderschmiede im Jazz.
Nichts dem Zufall überlassen
Das Trio Carinoire tut mit der vorliegenden Veröffentlichtung gut daran, den Reiz einer physischen CD als etwas Haptisches zum Anfassen und Betrachten nicht außer acht zu lassen, haben sie doch auch das Artwork ihres zweiten Albums nicht dem Zufall überlassen: Die französische Künstlerin Eléonore Dadoit-Cousin bietet mit ihren fantasievollen Bildcollagen eine hervorragende imaginäre „Reisebegleitung“.
Stefan Pieper [12.04.2024]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Ilja Ruf | ||
1 | Night Train to Brooklyn | |
2 | Adios Maestro | |
Wolfgang Amadeus Mozart | ||
3 | Die Hochzeit des Figaro (Divertimento) | |
Ilja Ruf | ||
6 | Suite for Clarinet Trio | |
12 | Le petit coquin | |
13 | Maribella | |
14 | On a Tipsy Evening |
Interpreten der Einspielung
- Ivo Ruf (Klarinette)
- Nikolai Gast (Klarinette)
- Ilja Ruf (Klarinette, Klavier)