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Besprechung CD

Ich sehe still vorüberziehen

Lieder von Richard Strauss, Josephine Lang, Nadia Boulanger & Ethel Smyth

Ars Produktion ARS 38 656

1 CD • 54min • 2023

10.03.2024

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 7
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 8

Von Felix Mendelssohn-Bartholdy maßgeblich gefördert, von den Kolleginnen Fanny Hensel und Clara Schumann hochgeschätzt, entwickelte sich das vormalige Wunderkind Josephine Lang (1815-1880) als Erwachsene zu einer der wichtigsten und fruchtbarsten Komponistinnen der Romantik. Lange von der Kritik gehätschelt, geriet sie allerdings schon zu Lebzeiten fast in Vergessenheit. Ihre nach 1850 entstandenen Arbeiten wurden kaum noch zur Kenntnis genommen. Eine Reihe von privaten Schicksalsschlägen (nach dem frühen Tod ihres geliebten Mannes starben drei ihrer sechs Kinder) führte dazu, dass sie ihre Lieder vor allem als eine Art „biographisches Tagebuch“ auffasste, das ihre jeweiligen Seelenzustände zum Ausdruck brachte, mithin also auch eine therapeutische Funktion hatte. Von ihren 124 Liedern stehen 9 unveröffentlichte aus verschiedenen Lebensperioden im Zentrum dieses Recitals, das die Arbeit dreier sehr unterschiedlicher Komponistinnen zum Thema hat und – als ironischer Kontrapunkt – mit dem altväterlichen, vom jungen Richard Strauss (1887) allerdings frisch und erfindungsreich vertonten Zyklus Mädchenblumen von Felix Dahn eingeleitet wird, der ein verkitschtes Frauenbild nach Art der „Gartenlaube“ vermittelt.

Wie von selbst entstanden

Josephine Langs Liedschaffen ist beeinflusst von ihrer überaus erfolgreichen Tätigkeit als Pianistin wie als „Hofkapellsängerin“ (seit 1840), wobei die Gesangsstimme denkbar einfach geführt wird (vieles kann man beim ersten Hören gleich mitsingen, ohne dass es deswegen trivial erscheint), der Klavierpart aber gelegentlich virtuos gestaltet ist. Es entsteht ein lebendiger Dialog zwischen Stimme und Instrument. Langs Musik ist vor allem eines: ungekünstelt, unprätentiös. Und es ist kaum kokettierende Bescheidenheit oder schiere Höflichkeit, wenn sie an Eduard Eyth, den Dichter des Liedes Auf dem Felsen schreibt: „Das Gedicht ist an und für sich schon Melodie! – daß ich wirklich gestehen muß, daß es schon während dem Durchlesen sich zum Liede gestaltete ohne all mein Zuthun!“ Der Eindruck des „wie von selbst Entstandenen“ entsteht auch in den meisten anderen Liedern dieser Auswahl, wobei zu bemerken ist, dass die Texte oft von Familienangehörigen oder Freundinnen stammen, im Falle von Die scheidende Braut (zur Hochzeit einer Tochter) sogar von ihr selbst.

„La mer“ und „The sea“

Meeresbilder beschwören auf sehr unterschiedliche Weise die Engländerin Ethel Smyth (1858-1944) und die Französin Nadia Boulanger (1887-1979). Anders als Josephine Lang muss man diese einem heutigen Publikum nicht (oder nicht mehr) in Erinnerung rufen. Boulanger steht als Komponistin zwar im Schatten ihrer genialen, früh verstorbenen Schwester Lili, ist aber als Dirigentin und Pädagogin eine Musikerin von epochaler Bedeutung. Ihr Lied La mer ist deutlich dem Spätimpressionismus verpflichtet. Eine andere Spielform des Fin-de-siècle, der Symbolismus, prägt den dreiteiligen Gedichtzyklus Three Moods oft the Sea von Arthur Symons, dessen Vertonung zufälligerweise im Geburtsjahr von Benjamin Britten (1913) veröffentlicht wurde, in dessen Werken das Meer eine bedeutende Rolle spielt. Ethel Smyth, die bei uns gerade als Opernkomponistin wiederentdeckt wird, zeigt hier besonders bei der klanglichen Inszenierung des Sturms eine wahre Pranke. Sie war als militante Frauenrechtlerin wohl auch privat eine resolute Persönlichkeit.

Das Klavier dominiert

Alle in diesem Album gesammelten Lieder lohnen das Kennenlernen und den Initiatoren gebührt schon deshalb besonderer Dank. Bei der Sängerin Yvonne Prentki gibt es kleinere Einschränkungen in der künstlerischen Bewertung zu machen. Ihr Bemühen um textliche Klarheit und angemessene Intimität des Vortrags ist anzuerkennen, doch ist ihr fragiler lyrischer Sopran nicht sehr belastbar und verfügt über eine nur schmale Farbpalette. Sie agiert gegenüber der Musik oft ausgesprochen defensiv, behauptet sich nur halbherzig gegen das Klavier, das von Benedikt ter Braak brillant beherrscht wird und insbesondere im furiosen Before the Squall gewaltig aufrauscht.

Ekkehard Pluta [10.03.2024]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Richard Strauss
1Kornblumen op. 22 Nr. 1 00:01:48
2Mohnblumen op. 22 Nr. 2 00:01:31
3Epheu op. 22 Nr. 3 00:02:47
4Wasserrose op. 22 Nr. 4 00:03:24
Josephine Lang
5An sie 00:01:47
6Ob sie meiner wohl gedenkt 00:03:36
7Nichts über Ruh 00:01:08
8Die scheidende Braut 00:02:06
9Das ist die wehmuthvollste Zeit 00:02:59
10Stummsein der Liebe 00:03:43
11Am Grabe 00:07:11
12Auf dem Felsen 00:01:24
Nadia Boulanger
13Soir d'Hiver 00:03:22
14La Mer 00:02:46
Ethel Smyth
15Requies 00:03:07
16Before the Squall 00:04:41
17After Sunset 00:03:34
Josephine Lang
18Einziger Trost 00:03:13

Interpreten der Einspielung

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