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Besprechung CD/SACD stereo/surround

Sinfoniettas

Poulenc • Prokofiev • Britten

BIS 2601

1 CD/SACD stereo/surround • 63min • 2021

30.12.2022

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Unter der Leitung ihres langjährigen russischen Chefdirigenten Dima Slobodeniouk hat die Sinfonia Lahti an sechs Tagen im Januar 2021 drei zwischen 1909 und 1947 entstandene Sinfonietten eingespielt, in welchen das finnische BIS-Stammorchester seine hohe instrumentale Klasse auf den individuellen Positionen und seine synchrone Disziplin tadellos unter Beweis stellt. Es handelt sich um technisch sehr heikle Partituren, die sich mit relativ kleiner Streicherbesetzung realisieren lassen und klanglich dadurch recht nah an den heute wieder aus Kostengründen in Mode gekommenen Kammerorchester-Besetzungen stehen.

Technisch anspruchsvolle Stücke

Die größten Schwierigkeiten bietet die teils klanglich das lakonisch Spröde streifende, hochoriginelle dreisätzige Sinfonietta des 18jährigen Benjamin Britten von 1932.

Prokofieffs frühe, fünfsätzige Sinfonietta op. 5 von 1909 (20 Jahre später revidiert) ist ein zeitloses Meisterwerk höchster Genialität und Originalität (von Philip Borg-Wheeler wird sie in seinem ausgezeichneten Booklettext zu Recht in unmittelbare Nachbarschaft zur Symphonie classique gerückt, und wenn man bedenkt, wie populär diese ist, kann man nur den Kopf darüber schütteln, wie unbekannt die Sinfonietta geblieben ist). Bei diesem Werk übersieht man aufgrund der mühelos überschäumenden Inspiration und des tiefsinnigen Humors auch leicht, welcher eisernen Professionalität es bedarf, die verwinkelte Faktur mit ihren herrlich unkonventionellen polyphonen Verzweigungen und Engführungen technisch makellos und strukturell klar durchhörbar zu verwirklichen.

Symbolhafter Eklektizismus

Francis Poulenc schrieb seine klassisch viersätzige Sinfonietta, das mit Abstand umfangreichste Werk dieser Sammlung, im reifen Alter 1947 als BBC-Auftragswerk. Es ist ein seltsamer Spagat zwischen Konvention und Ausgelassenheit, ein geradezu symbolhaftes Statement des Eklektizismus, eine Mélange aus zahllosen Einflüssen und Anleihen, und gerade darin wieder ganz typischer Poulenc mit jenem einmaligen Mix aus raffiniert Laszivem und gläubiger Naivität. Poulencs Sinfonietta ist das schwergewichtigste und zugleich das unbedeutendste der drei Werke; das traditionellste und zugleich das trivialste; sie ist in jedem einzelnen Moment ein köstliches Amüsement und läuft dabei in jedem Satz Gefahr, zu lang geraten zu sein: mithin ein faszinierendes akustisches Selbstportrait eines hochbegabten Autors, der sich einfach nicht vorstellen kann, dass seine einzige Symphonie bedeutend genug sei, um einen solche hochtrabenden Titel zu tragen, und sie deswegen mit dem beiläufigen Attribut ‚Sinfonietta‘ versieht. Und tatsächlich fällt ihn dann im langsamen Satz eine Melodie ein, die – wie „jeder Esel hört“ und auch Borg-Wheeler im Begleittext bestätigt – wie eine echte Brahms-Melodie klingt! Das Werk ist wunderbar orchestriert, mit herrlichen Klangwirkungen auf Schritt und Tritt ausgestattet, und zugleich – bei allen herausfordernden Details – unter den drei Kompositionen am unproblematischsten: am einfachsten zu verstehen und umzusetzen. Was lediglich immer wieder viel zu wenig ausgereizt ist, sind die extremen dynamischen Kontraste, die wahrscheinlich auch durch die recht kleine Streicherbesetzung unfreiwillig eingeebnet wurden.

Technisch tadellose Aufführungen

Die Poulenc-Aufführung ist insgesamt die gelungenste hier. Bei Prokofieff hat man sich erfolgreich alle Mühe gegeben, als Ensemble keine Blöße zu zeigen. Das ist gelungen. Doch wäre unbedingt anzuraten, dieses so hintersinnig mit der Tradition oszillierende und dabei hundertprozentig unkonventionelle Werk einige Male in Konzerten darzubieten, bevor man es aufnimmt, um wirklich vertraut mit dem Geist zu sein. Ähnliches wäre auch für Britten hilfreich, doch wird hier im Finale eine risikofreudige Virtuosität verlangt, die diesen Aspekt ganz in den Vordergrund stellt, und es ist offensichtlicher als bei Prokofieff , dass man der Musik mit herkömmlichen Konzepten nicht beikommt, was anscheinend dazu geführt hat, dass man sich mit großer Abenteuerlust in die herausfordernde Aufgabe gestürzt hat und mit einem achtbaren Ergebnis herausgekommen ist. Um hier wirklich Großes zu leisten, müsste man auch mit dieser Musik mehr Zeit verbringen, um ihren Ausdruck zu verinnerlichen. Faszinierend kling sie allemal, wenn sein technisch so tadellos gespielt wird. Das Klangbild ist BIS-spezifisch exzellent und konkret, mit der Einschränkung, dass der potentielle dynamische Spielraum nur so weit genutzt werden kann, wie er auch tatsächlich von den Musikern verwirklicht wurde.

Christoph Schlüren [30.12.2022]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Francis Poulenc
1Sinfonietta op. 141 00:26:37
Sergej Prokofjew
5Sinfonietta A-Dur op. 5 Nr. 48 00:20:14
Benjamin Britten
10SInfonietta op. 1 00:14:44

Interpreten der Einspielung

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