Benjamin Britten
Our Hunting Fathers
Prospero PROSP 0031
1 CD • 70min • 2020
23.09.2022
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Es war für den britischen Dirigenten Ivor Bolton als Chef des Sinfonieorchesters Basel offenbar ein großes Anliegen, seinen Landsmann Benjamin Britten, den unbestrittenen Orpheus Britannicus des 20. Jahrhunderts, dort ins rechte Licht zu rücken, und zwar nicht mit einigen seiner längst kanonisierten Werke, sondern mit eher peripheren Arbeiten, von deren Qualität er überzeugt ist, und bei dieser Gelegenheit auch die Hörer zu überzeugen weiß.
Britten war erst 14 Jahre alt und hatte gerade ein paar Monate Kompositionsunterricht hinter sich, als er mit seinem Zyklus Quatre Chansons Françaises gleich nach den Sternen griff und in der Vertonung von Gedichten Victor Hugos und Paul Verlaines den unmittelbaren Vergleich mit großen französischen Komponisten von Gabriel Fauré bis Claude Debussy herausforderte. Dass er dabei stilistisch nicht gänzlich eigenständig sein konnte, ist angesichts seines Alters verständlich und erscheint gegenüber dem offensichtlichen Talent in der Aneignung und Verarbeitung von musikalischen Vorbildern auch nebensächlich. Nicht nur das Umsetzen der lyrischen Inhalte in vokale Linien ist beachtlich, sondern mehr noch die reiche orchestrale Farbpalette im französischen Stil.
Auf dem Weg zur Moderne
Im Zyklus Our Hunting Fathers, der acht Jahre später entstand, ging der junge Britten auf dem Weg von der romantisch geprägten Tradition zur atonalen Moderne noch ein paar Schritte weiter. Anlaß war die Begegnung mit dem bedeutenden englischen Lyriker Wystan Hugh Auden (der später das Libretto zu Strawinskys The Rake’s Progress schrieb), dessen groteskes gleichnamiges Gedicht, in dem von der Jagd auf Ratten und auf Rebhühner und von der Trauer einer Königin um den Tod eines Affen die Rede ist, eine nicht auf den ersten Blick erkennbare pazifistische Botschaft enthält, deren im Jahr 1936 aktuelle politische Konnotationen Anselm Gerhard in seinem Werkkommentar im Booklet hervorhebt. Vor allem im Gesangspart ist eine die herkömmliche Kantilene sprengende, von schrillen Vokalgesten und großen Intervallsprüngen geprägte Expressivität gefordert.
Rettungsversuch eines Fehlschlags
Nach den Erfolgen mit Peter Grimes und Billy Budd war Britten längst eine Berühmtheit, als er 1953 den ehrenvollen Auftrag erhielt, zur Krönung von Elizabeth II. eine Oper zu komponieren. Das historische Sujet, die unglückliche Liebe der alternden (mit der Neugekrönten nicht verwandten) Königin Elizabeth I. zu dem verräterischen Grafen von Essex, ist Opernfreunden aus Donizettis Roberto Devereux bekannt, und es gab Britten die Gelegenheit, seiner Neigung zur Musik des Elisabethanischen Zeitalters ausgiebig zu frönen. Diese Liebe wurde vom Premierenpublikum, das zu großen Teilen aus Staatsgästen, englischen Adligen und Würdenträgern bestand, allerdings nicht geteilt. Gloriana fiel mit Pauken und Trompeten durch, auch wenn es in diesem Rahmen natürlich keine Unmutsbekundungen gab. Das vernichtende Spottwort einer „Boriana“, einer zelebrierten Langeweile, machte die Runde, und erst viele Jahre später hatte diese Oper in einer überarbeiteten Version zumindest Achtungserfolge. Wesentlich günstigeren Zuspruch fand dagegen die symphonische Suite, die Britten aus einigen Orchesterstücken im „Alten Stil“ und einem Lautenlied zusammenstellte und das im Jahr darauf erstmals in Birmingham zu hören war. Ich gebe zu, dass mich die Musik auch in dieser Suitenform nicht besonders inspiriert hat, wenngleich das Lautenlied einen hübschen Retro-Touch ausstrahlt und der 4. Satz „Moritura“, in dem der Epilog der Oper zusammengefaßt wird, einige dramatische Innenspannung hat.
Die Wiedergabe läßt keine Wünsche offen. Die Einstudierung unter Ivor Bolton ist sorgfältig und reich an subtilen Details und das Basler Sinfonieorchester zeigt sich, vor allem in den französischen Liedern, in seiner Bestform. Mark Padmore meistert den schwierigen Tenorpart in Our Hunting Fathers mit bezwingender, das Grelle und Häßliche nicht scheuender Ausdruckskraft, der junge Fachkollege Alasdair Kent ist im Lautenlied fürs reine Plaisir zuständig und Christina Landshamer läßt ihren lyrischen Sopran für die französischen Lieder emphatisch aufblühen. Das Booklet ist vorbildlich gestaltet und enthält viele schöne Fotos des Komponisten, auch private aus der Jugendzeit.
Ekkehard Pluta [23.09.2022]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Benjamin Britten | ||
1 | Our Hunting Fathers op. 8 | 00:28:36 |
6 | Nuits de juin | 00:02:48 |
7 | Sagesse | 00:03:02 |
8 | L' Enfance | 00:04:50 |
9 | Chanson d'automne | 00:02:19 |
10 | Sinfonische Suite op. 53a (Gloriana) | 00:27:46 |
Interpreten der Einspielung
- Christina Landhamer (Sopran)
- Mark Padmore (Tenor)
- Alasdair Kent (Tenor)
- Sinfonieorchester Basel (Orchester)
- Ivor Bolton (Dirigent)