Felix Draeseke
String Quartets Vol. 2

cpo 555 350-2
1 CD • 59min • 2019
16.09.2021
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Es ist nicht zuletzt dem cpo-Poduzenten Burkhard Schmilgun zu verdanken, dass das Werk des Spätromantikers Felix Draeseke (1835-1913) durch höchstrangige Aufnahmen der Vergessenheit entrissen wurde. Nach der Einspielung der vier Symphonien ist dies nun bereits die dritte CD mit Kammermusik des Labels. Der Komponist war zwar bis in die 1920er Jahre ein vielgespielter und hochgeachteter Vertreter der Neudeutschen Schule, kam aber sicher nicht nur wegen seiner anti-modernistischen Haltung – deutlich in der Streitschrift „Die Konfusion in der Musik“ (1906) als Antwort auf Strauss‘ Salome – schlagartig aus der Mode. Dabei war Draeseke gerade auch handwerklich großartig und für seinen perfekten Kontrapunkt berühmt-berüchtigt, was sich noch in den Finessen seines wohl wichtigsten Schülers, Paul Büttner, widerspiegelt. Draesekes Besonderheit liegt jedoch vor allem darin, dass seine Verehrung von Wagner und Liszt ihn letztlich wieder zu einer elaborierten Musik in klassischen Formen führten, die dabei äußerst individuelle und unverwechselbare Züge trägt.
Faszinierend vielschichtiges Streichquartett
Das dritte und letzte Streichquartett Draesekes von 1895 stammt aus der sehr produktiven Phase, in der auch der gewaltige Oratorienzyklus Christus entstand, knüpft in seiner Fünfsätzigkeit sowohl an Beethoven (op. 132) wie auch Brahms (3. Klaviersonate op. 5) an, und enthält zyklische Elemente. Vor allem fasziniert Draesekes Fähigkeit, aus einfachen Motiven sehr ausufernde Melodien zu bilden; der Satz ist harmonisch und spieltechnisch noch eine Stufe anspruchsvoller als in seinen ersten beiden Quartetten. Dies ist wirklich Kammermusik auf gleicher Höhe mit Brahms. Das in Salzburg beheimatete Constanze Quartet – mittlerweile hat die erste Geigerin, Emeline Pierre, allerdings drei neue Partnerinnen gefunden – spielt das Werk mit tiefem Verständnis, klanglich delikat und mit stupender Reaktionsfähigkeit auf die vielschichtig wechselnden Anforderungen; der Erstaufnahme durch das Hölderlin Quartett deutlich überlegen.
Zwei geniale Spätwerke
Noch mehr überzeugt die Suite für zwei Violinen von 1911. Werke für diese Besetzung haben ja, bis auf wenige Ausnahmen, nicht nur im 19. Jahrhundert meist vorwiegend pädagogischen Charakter. Hier liegt zum Glück ein äußerst ausgereiftes Stück für den Konzertsaal vor – mit einer komplexen Fuge im Finale. Den beiden Violinistinnen des Quartetts gelingt wiederum eine hinreißende Darbietung. Dass cpo die Szene für Violine und Klavier op. 69, die sich schon auf der 2017 erschienenen CD mit Draesekes Quintetten findet, nochmals aufgenommen hat, überrascht ein wenig. Mit dem teilweise deklamatorischen Charakter einer Opernszene ist dies zweifellos ein effektvolles Stück – auch wenn dem Klavier eine eher untergeordnete Rolle zukommt. Die russische Pianistin Irina Frisardi und Emeline Pierre spielen hier über Strecken sensibler, aber auch zurückhaltender als das gleich routiniert zur Sache gehende, insgesamt energischere Duo Wollong/Wollenweber. Beide Lesarten haben so indes durchaus ihre Berechtigung.
Perfekte Ausstattung und Aufnahmequalität
Norbert Florian Schucks Booklettext geht weit über das – selbst bei cpo – Gewohnte hinaus. Der Leser findet in einem über 11-seitigem, kleingedruckten Essay eine Fülle von Informationen sowohl über Draeseke als auch die drei eingespielten Werke, enorm sorgfältig zusammengetragen. Die Aufnahmetechnik ist ebenso über jede Kritik erhaben. Man darf nur hoffen, dass diese hervorragende Veröffentlichung dabei hilft, die Qualität dieser wertvollen Musik weiter bekannt zu machen; in den Plattenschrank gehört sie unbedingt.
Vergleichsaufnahmen: [Quartett, Suite]; Hölderlin Quartett (AK/Coburg DR 0012, 2007); [Szene op.69] Matthias Wollong, Birgitta Wollenweber (cpo 555 107-2, 2009).
Martin Blaumeiser [16.09.2021]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Felix Draeseke | ||
1 | Streichquartett Nr. 3 cis-Moll op. 66 | 00:29:50 |
6 | Szene op. 69 für Violine und Klavier | 00:10:05 |
7 | Suite fis-Moll op. 86 für 2 Violinen | 00:18:43 |
Interpreten der Einspielung
- Constanze Quartett (Streichquartett)