Michael Jarrell
Émergences-Résurgences • 4 Eindrücke • ... Le ciel, tout à l'heure encore si limpide...
BIS 2482
1 CD/SACD stereo/surround • 59min • 2019
04.06.2021
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Michael Jarrell, Jahrgang 1958, gilt als einer der führenden Schweizer Komponisten seiner Generation. Eine Reihe seiner Werke liegt bereits auf CD vor, mit der vorliegenden Neuveröffentlichung ist er erstmals auch im Katalog von BIS vertreten. Enthalten sind drei seiner Orchesterwerke aus jüngerer Zeit, wobei das Bratschenkonzert Emergences-Résurgences sowie das Violinkonzert 4 Eindrücke (bereits sein viertes) von den jeweiligen Widmungsträgern Tabea Zimmermann bzw. Renaud Capuçon gespielt werden. In der Mitte steht ein gut viertelstündiges Orchesterwerk, das mit einem Lukrez-Zitat betitelt ist.
Expressivität und stille Melancholie
Jarrells Musik verbindet zeitgenössische Kompositionstechniken mit einer expressiven, manchmal auch poetischen Grundausrichtung; die (etwas wolkige) Kurzvorstellung des Komponisten durch Philippe Albèra spricht hier von „Regionen des Traumes und des Unwirklichen“. Jarrell selbst nennt als Bezugspunkte und Vorbilder seiner Musik unter anderem Pierre Boulez, Bernd Alois Zimmermann, Edgar Varèse und sogar Franz Schubert (gemeint sind hier die dunklen, abgründigen Seiten der Musik Schuberts); zu seinen Lehrern zählten Klaus Huber und Brian Ferneyhough. Daneben spielen auch außermusikalische Inspirationen eine Rolle, insbesondere durch Kunst, im Falle des Violakonzerts bezieht sich der Komponist (der die Werkkommentare im Beiheft selbst verfasst hat) zum Beispiel auf die Bilder von Henri Michaux.
Alle drei hier versammelten Orchesterwerke zeichnen sich durch starke Kontraste aus, wobei bei aller Wucht der (gerade in Le Ciel) klanggewaltigen, eruptiven, manchmal tragischen Passagen die zarten, von stiller Melancholie geprägten Abschnitte besonders charakteristisch erscheinen. Oft wird eine einzelne, statisch wirkende Stimme mit lang ausgehaltenen Tönen von kurzen, aufflackernden, rhythmisch geprägten Gesten umspielt. Manchmal fühlt man sich ein wenig an den großen holländischen, leider viel zu früh verstorbenen Komponisten Tristan Keuris erinnert, aber Keuris’ Musik ist erheblich stärker tonal zentriert und thematisch wesentlich prägnanter; die Parallele besteht eher in der Fragilität, der Luzidität der stillen Passagen. Hervorzuheben ist Jarrells sehr erlesene, differenzierte und farbenreiche Orchestrierung. Die Soloparts der beiden Konzerte sind höchst anspruchsvoll und virtuos. Im Bratschenkonzert geht das so weit, dass der typische warme, erdige Klang des Soloinstruments über weite Strecken eigentlich eher im Hintergrund steht.
Während die meisten musikalischen Parameter in Jarrells Musik sehr präzise ausgearbeitet sind, verzichtet der Komponist weitgehend auf melodische oder thematische Elemente; eher sollte man wohl von motivischen Keimzellen sprechen, die die Werke durchziehen. Dabei liegt der Schwerpunkt weniger auf ihrer Entwicklung und allgemeiner dem Aufbau von Spannungsbögen als vielmehr auf der intensiven Ausgestaltung des Moments. So entsteht eine Musik, die sich durch Expressivität und klangliche Raffinesse auszeichnet, was ihr allerdings abgeht, sind eine gewisse Einprägsamkeit und dramatisches Momentum.
Erstklassige Einspielungen
Die interpretatorischen Leistungen auf der CD sind erstklassig, zumal die beiden Konzerte den Solisten auf den Leib geschneidert wurden, doch auch das Orchester unter der Leitung von Pascal Rophé trägt den komplexen Partituren vorzüglich Rechnung, nicht zuletzt in puncto Balance mit den Soloinstrumenten. Unterstrichen wird dies durch die exzellente Klangqualität auf höchstem BIS-Standard.
Holger Sambale [04.06.2021]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Michael Jarrell | ||
1 | Émergences-Résurgences für Viola und Orchester | 00:20:53 |
5 | ...Le ciel, tout à l'heure encore si limpide, soudain se trouble horriblement | 00:16:55 |
6 | 4 Eindrücke für Violine und Orchester | 00:19:57 |
Interpreten der Einspielung
- Tabea Zimmermann (Viola)
- Renaud Capuçon (Violine)
- Orchestre National des Pays de la Loire (Orchester)
- Pascal Rophé (Dirigent)