Ravel
Robert Trevino
Ondine ODE 1385-2
1 CD • 70min • 2020
01.06.2021
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Ein im Baskenland geborener Komponist, ein baskisches Orchester und ein Dirigent, der besonders die baskischen Elemente in der Orchestermusik Ravels herausarbeiten möchte. Kein leichtes Unterfangen, sind diese Elemente doch nicht gerade offensichtlich. Als solche nennt Robert Trevino, seit 2017 musikalischer Direktor des Baskischen Nationalorchesters, eine der baskischen Folklore ähnelnde „freie“ Rhythmik, eine dem baskischen Volksgesang abgelauschte improvisiert wirkende melodische Gestaltung und diese für Ravel so typische Direktheit der Tonsprache bzw. musikalischen Aussage, welche Trevino mit der baskischen Mentalität gleichsetzt.
Klang- und spieltechnisch ohne Fehl und Tadel
Eine neue und vielleicht sogar aufregende Sicht auf die allseits bekannten La Valse, Alborada del gracioso, Rhapsodie espagnol, Une barque sur l’océan, Pavane pour une infante défunte und Bolero? Tatsächlich lässt mich diese im letzten Jahr unter Corona-Bedingungen entstandene Einspielung ziemlich ratlos zurück. Kein Detail geht in dieser tiefenscharfen, klanglich exzellenten, warmen und transparenten Aufnahme verloren. Perfekt ausbalancierte, differenzierte und vorbildlich voneinander abgesetzte Instrumentengruppen tragen der Finesse von Ravels Orchestrierungskunst jederzeit Rechnung. Robert Trevino und das Baskische Nationalorchester gelangen mit feinem Pinselstrich zu einem wahrhaft verführerischen, aber keineswegs kitschigen Klangzauber. Ihre Begeisterung für diese effektvollen, energiegeladenen und teilweise rauschhaften Kompositionen ist in einem lustvollen, leidenschaftlichen, dabei stets kontrollierten und disziplinierten Spiel spürbar. Alles – vom rein Motorischen bis zur Farbgebung – erhält die ihm zustehende Beachtung und scheint am richtigen Platz zu sein.
Überzeichnende, nicht überzeugende Lesart
Und doch fehlt mir etwas Wesentliches: Spannung und Sinnlichkeit. Den Bolero habe ich schon weitaus erregter und energiegeladener gehört; das Schlichte und Zarte der Pavane ist bei Trevino eher belanglos und oberflächlich; La Valse kommt nicht effektvoll, sondern effektüberladen und ein wenig manieriert daher; und die Rhapsodie espagnol leidet – auch aufgrund einer fragwürdigen Tempobehandlung – selbst in ihrem Schlusssatz Feria unter einem wiederholten Spannungs- und Energieverlust. Trevinos Lesart scheint mir weniger auf den großen Bogen ausgerichtet, als vielmehr auf einzelne Ereignisse. Nur so kann ich mir manche Überzeichnungen sowie ein Zuwenig an Sinnlichkeit und Spannung erklären. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass der für seinen Beethoven-Zyklus gefeierte Robert Trevino (mit dem Malmö Symphony Orchestra) das mit den baskischen Elementen in Ravels Musik gemeint hat. Einzig Une barque sur l’océan weiß ohne Abstriche zu gefallen. Eine überzeugende Ravel-Einspielung hört sich für mich leider anders an.
Christof Jetzschke [01.06.2021]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Maurice Ravel | ||
1 | La Valse (Poème choréographique für Orchester) | 00:12:15 |
2 | Alborada del gracioso (aus: Miroirs) | 00:07:50 |
3 | Rapsodie espagnole | 00:16:38 |
7 | Une barque sur l'océan | 00:08:44 |
8 | Pavane pour une infante défunte | 00:07:13 |
9 | Boléro (Ballet pour orchestre) | 00:15:27 |
Interpreten der Einspielung
- Basque National Orchestra (Orchester)
- Robert Trevino (Dirigent)