George Antheil
Serenades 1 & 2
cpo 555 196-2
1 CD • 74min • 2018
06.01.2020
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
George Antheil (1900-1959), der selbsternannte „Bad Boy of Music“, machte seinen Namen Ehre mit wilder, skandalträchtiger und skandalheischender Musik. An der Spitze das berühmt-berüchtigte Ballet Mécanique für Pianolas, Türklingel und zwei Flugzeugpropeller. Aber wie Robert Reilly in „Surprised by Beauty“ so schön schreibt, war Antheil in seinem Innersten eigentlich ein harmonisches Schmusekätzchen, das den Ruf des Enfant terrible einige Zeit sehr genoß, um ihn dann lange zu bereuen.
„Weiter als mit Ballet Mécanique“, schreibt Reilly, „kann man es halt nicht treiben. Noch zwei Propeller mehr dazu führen auch nicht wirklich weiter. Also folgte Antheil seinem lauthals verkündeten Idol, Igor Strawinsky, in den Neoklassizismus, was dann solche Werke wie die Sinfonie für Fünf Instrumente und das Konzert für Kammerorchester hervorbrachte.“ Schade, dass Antheil dafür bisher nie wirklich die Bekanntheit erfahren hat, die ihm wohl auf Grund der Qualität der Werke zustünde. Denn klar ist, dass sich der (zwar leichtherzige) neoklassizistische Antheil hinter dem (zugegebenermaßen ernsthafteren) neoklassizistischen Strawinsky überhaupt nicht verstecken muss.
Besser als sein Ruf
Die beiden Serenaden auf dieser CD in der cpo-Reihe von Antheil-Einspielungen (Prädikat „Wertvoll“ für die ganze Serie!) bieten gleich den Beweis. Es sind zwei wunderbare, genüßliche und leicht genießbare Stücke für Streich- bzw. Kammerorchester, welche die für den ‚braven‘ Antheil typische musiksprachliche Palette abdecken – je nach Stück und Satz von Schostakowitsch und Prokofjew via Ornstein und Martinů zu Barber, Copland, und Ives reichend. Nach dem jovial-melodischen Allegro der Ersten Serenade folgt ein langsamer Satz, der so auch aus einem lyrischen Schostakowitsch oder betrübten Barber entnommen sein könnte. Der dritte Satz beruft sich wieder auf den Ersten und serviert Western-Atmosphäre im klassischen Gewand. Überhaupt „entnommen“: Antheil ließ sich, um es freundlich auszudrücken, gerne inspirieren. Das kurze Stück The Golden Bird, wie der vor Mitteilungsbedürfnis überschäumende Text im Beiheft zu erklären versucht, hat so nämlich erstaunliche Ähnlichkeit mit einem Werk von Leo Ornstein (À la Chinoise) – was eben die ganze Chinoiserie erklären würde. Weniger schön ist das Stück deswegen allerdings nicht. Die Zweite Serenade ist mit Blasinstrumenten etwas reichhaltiger besetzt, etwas komplexer und durchhuscht von Exotizismen.
Dreams ist Musik, die Antheil für die New York-Premiere eines Balanchine-Ballette ůs schrieb, da die Originalmusik von Milhaud (Les Songes) nicht benutzt werden konnte oder sollte. Ein „Kessel Buntes“ – aber wie gut – ist dabei herausgekommen. Das ist völlig unprätentiöse Musik aber trotzdem hervorragend. Man merkt: der Komponist hatte mehr Spaß als Ambitionen beim Schreiben des Werkes. Proto-Schnittke, Orientalismen, angeschmolzene, Johann Strauß′sche Walzerleichtigkeit, Zirkuspolka, Präpariertes Klavier: All das findet Unterschlupf und doch klingt die Mischung organisch. Das alles ist mitreißend von der Württembergischen Philharmonie Reutlingen unter Fawzi Haimor gespielt. Man hört keinen Widerwillen oder Ennui. Besser geht’s immer, aber die Latte ist hier schon ziemlich hoch gelegt. Keiner profitiert davon mehr als der Komponist!
Jens F. Laurson [06.01.2020]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
George Antheil | ||
1 | Serenade Nr. 1 für Streichorchester | 00:16:39 |
4 | Serenade Nr. 2 für Streichorchester | 00:22:37 |
7 | The Golden Bird | 00:04:08 |
8 | Dreams | 00:30:20 |
Interpreten der Einspielung
- Württembergische Philharmonie Reutlingen (Orchester)
- Fawzi Haimor (Dirigent)