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Besprechung CD

Georg Philipp Telemann

Christmas Oratorios

cpo 555 254-2

1 CD • 77min • 2018

10.12.2018

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Dem Label cpo gebührt Dank dafür, dass dem Connaisseur für das Christfest nach den Oratorien von Johann Mattheson und Georg Geber eine zusätzliche Alternative zum Weihnachtsoratorium BWV 248 in Form eines Pakets mit weiteren weihnachtlichen Kantaten in Ersteinspielung von Georg Philipp Telemann, dem wohl charmantesten deutschen Barockkomponisten, geschnürt wird. Telemann, von den Zeitgenossen höchst verehrt, ist das wohl prominenteste Opfer des romantischen Geniekults. Weder jung verblichen noch notleidend, hatte er den Hagiographen, außer einer grandios gescheiterten zweiten Ehe nicht wirklich etwas zu bieten. Dabei ist er hinsichtlich der Begabung, während der Niederschrift einer Komposition bereits die nächste zu konzipieren, wahrscheinlich nur Mozart vergleichbar.

Die für die vorliegende Einspielung gewählte Bezeichnung „Weihnachtsoratorien“ ist so richtig wie falsch. Einerseits handelt es sich um vier Werke von normaler Kantatenlänge, andererseits entstammen drei der Werke dem „oratorischen Jahrgang“ von 1730/31, dessen Charakteristikum darin besteht, dass allegorische Figuren (Glaube, Liebe, Hoffnung, Vorsicht, Vernunft) das sonntägliche Evangelium kommentieren. Das letzte Werk stammt aus dem vorletzten der 4 von Telemann in Druck gegebenen Kantatenjahrgänge „Musicalisches Lob Gottes in der Gemeine des Herrn“ von 1740. War ein Jahrgang zur Publikation geplant, legte Telemann diesen so an, dass er minimal mit 1-2 Solisten, 2 Violinen und Continuo realisiert werden konnte, wobei Erweiterungen durch zusätzliche Bläser und Choralsätze etc. dem aufführenden Kantor anheimgestellt wurden.

Michael Andreas Willens wählt für seine Interpretation mit der Kölner Akademie schlüssige Tempi und leitet sein Ensemble zu stilsicherer, jederzeit schwingender Artikulation an. Seine Entscheidung, die Chorstellen mit Solisten zu besetzen, entspricht der Praxis Telemanns, dem für seine Hamburger Kirchenmusiken 8 vom Rat bestallte Solisten und ein gut 20-köpfiges Instrumentalensemble aus 10 Ratsmusikern und zusätzlichen Freiberuflern zur Verfügung stand.

Das Instrumentalensemble ist exzellent und brilliert mit grandiosen Solistenleistungen (Rebecca Mertens, Fagott (Tr. 24) / Frank Theuns, Traverso (Tr. 29)). Da Telemann, selbst „opernerfahrener Bariton“, für Berufssänger schrieb, sind seine Anforderungen selbst in den Ensemblesätzen durchaus virtuos. Kleine technische Schlampereien liegen aufgrund der transparenten Textur – hierin Mozart vergleichbar – durchaus offen zutage. Schwachpunkt der Aufnahme ist in dieser Hinsicht der ansonsten für seine plastische Artikulation hoch zu lobende leichte, tenoral eingefärbte Basso Cantante Klaus Mertens. Zunächst fällt er aufgrund häufig nur flüchtig angedeuteter Pflichttriller in die von Wagner-Diva Lilli Lehmann aufgestellte Kategorie der „Pferde ohne Schwanz“, womit sie sich über trillerschwänzende Sänger mokierte. Weiterhin verunstaltet er die meisten Melismen selbst in Rezitativvorhalten gemäß der „Hausgebrauchs-vom-Blatt-Koloraturtechnik“ mit eingeschobenen „h’s“, welche ihm einen scharfen matthesonischen Verweis von der hanseatischen Opernbühne und denselbigen telemannischen von den Lettnern der ebendortigen Hauptkirchen eingetragen hätte. Man vergleiche in Tr. 24 sein „Ste-heheherne ba-hald zurü-hück“ mit der stilsicher nuancierten Artikulation der Fagottistin. Dafür ursächlich ist eine Überbetonung des hellen Mittelregisters zur Vibratovermeidung. Dagegen könnten kopfige Kettentrillerübungen in der unteren Mittellage als heilsames Gegenmittel wirken.

Die anderen Solisten lassen sich hiervon gelegentlich anstecken. Hier hätten Dirigent oder Produzent eingreifen sollen. Georg Poplutz und Nicole Pieper machen ihre Sache ansonsten sehr ordentlich. Monika Mauch brilliert in „Wenn es endlich möglich wäre“ (Tr. 37) mit gestochenen Koloraturen, eleganten Verzierungen und einer artikulatorisch feinen Abstimmung mit dem Ensemble. Großes Kompliment an alle beteiligten Sänger für ihre vorbildliche Deklamation der Texte, die deren Druckwiedergabe fast überflüssig werden lassen.

Am exquisiten Niveau des Booklets hat der ungemein fundierte Einführungstext von Ulrike Poeplitz, die einen Auswahl-Band mit Kantaten des „oratorischen Jahrgangs“ im Rahmen der Telemann-Ausgabe des Bärenreiter-Verlages herausgegeben hat, so erheblichen Anteil, dass ein Zusatzpunkt fällig wird, der die kleinen sängerischen Unarten ausgleicht. Aufnahmetechnisch ist neben der Transparenz die ausgezeichnete Tiefenstaffelung hervorzuheben.

Fazit: Wer über kleine sängerische Präzisionsmängel hinweghören kann, wird mit einer höchst empfehlenswerten Ersteinspielung unbekannter Weihnachtsmusik des von den Zeitgenossen höher als Bach und Händel geschätzten Georg Philipp Telemann belohnt. Unbedingt empfehlenswert!

Thomas Baack [10.12.2018]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
0
Georg Philipp Telemann
1Schmecket und sehet TWV 1:1251 (Oratorium zum 1. Weihnachtstag) 00:17:42
12Im hellen Glanz der Glaubenssonnen TWV 1:926 (Oratorium zum 3. Weihnachtstag) 00:18:17
22Herr Gott, dich loben wir TWV 1:745 (Oratorium zum Neujahrstag) 00:25:32
34Und das Wort ward Fleisch TWV 1:745 (Kirchenmusik zum 3. Weihnachtstag) 00:14:57

Interpreten der Einspielung

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