Violeta Dinescu Lytaniae für Celli

gutingi 251
1 CD • 56min • 2013
14.11.2014
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Violeta Dinescus Komposition Lytaniae pflegt einen experimentellen Umgang mit mathematischen Strukturen und führt dabei den Klang von Streichinstrumenten in neue Dimensionen – nicht zuletzt, in dem sich die Anzahl der beteiligten Instrumente über die neun Stücke dieses Albums hinweg immer weiter additiv erhöht. Schließlich wären ganze 53 Celli im Einsatz. Theoretisch gesehen...
Die Komposition der Rumänin, die schon für unterschiedlichste Besetzungen und auch den Film durchweg erstaunliche Musiken schuf, ist durch und durch eine Forschungsmusik. Jeder Schönklang, jeder Restbestand von Gefälligkeit und hedonistischem Erleben wird hier streng verneint – zumindest in der hier vorliegenden radikalen Interpretation von Marcel Spinei. Der Überbau dieser Schöpfung ist im Spirituellen verankert, was in den Linernotes ausführlich dargestellt wird. Aber Spineis Ausdeutung dieser Komposition macht es manchmal schwer möglich, solche Dimensionen intuitiv aus dem Hören heraus zu erfassen.
Es bleibt auf jeden Fall eine asketische Übung für den Hörenden. Quintklänge, wie sie beim Stimmen der Instrumente omnipräsent sind, bilden einen statischen Klang-Raum. Ein fünfsaitiges Cello, das Marcel Spinei nach alten Vorbildern speziell für sich hat konstruieren lassen, erlaubt ein Tonspektrum, das in die Höhe reicht und bei den im späteren Verlauf ausgiebige Flagolettglissandi grell aufblitzen. Der Bogen fährt dabei ständig mit großem Druck über die Saiten, das gibt dem entstehenden Klangräumen genug Bedrängendes und Hermetisches. Gleichwohl sind die vielen Abwege, auf denen sich Schwingungsverläufe verändern und überlagern, erstaunlich. Arpeggien verdichten sich, Borduntöne liegen im Raum. Und immer wieder lassen mikrotonale Reibungen jeden Halt durch festgelegte Tonalität als Illusion erscheinen.
Violea Dinescu spricht hier von einer kosmischen Linie, die aber durch wechselnde Beleuchtungen in ihrer Gestalt mutieren. Der Celloklang dieser Interpretation wirkt für solche Assoziationen durchweg zu brachial und bedrängend. Schneindend sind auch die Flagolettglissandi, welche an die Oberflächen splittern. Letztlich bleibt das akustische Geschehen ohne Richtung, zumindest führt es den unvorbereitet Hörenden kaum erkennbar irgendwo hin. Das erzeugt einen Zustand des Unbehagens, aus dem man entkommen will und wo es keine Erlösung gibt. Auch das additive Verfahren von immer mehr dazukommenden Celli, worauf ja die Titelgebung hindeutet, erschließt sich irgendwie nicht.
Trotz alle dem – man muss Marcel Spinei bei diesem Unterfangen einen unverstellten Mut und eine gehörige spieltechnische Rafinesse gepaart mit klanglicher Fantasie attestieren. Musikinterpretationen, vor allem zeitgenössische, müssen ein diskutiertbares Sujet bleiben. Hier lohnt sich aber auch noch mal ein Vergleich: So hat sich auch die Violaspielerin Cornelia Petroiu diesem Stück angenommen – und es kommt ein deutlich leichteres, ätherischeres Restultat dabei heraus. Zwar sind die Klangräme, welche dieser stoisch strapazierte Quintabstände erzeugt, immer noch statisch. Aber in der auf einem Konzertmitschnitt nachhörbaren Interpretation durch Cornelia Petroiu lebt eine kühle Luftigkeit, die dem Gesamtunterfangen auch in Relation zum formulierten Anspruch (siehe Linernotes) besser gerecht zu werden scheint. Hier haben die Veränderungsprozesse mehr Klarheit und vermitteln dem Hörer auf einmal auch eine Logik, wie sie in Marcel Spineis Cellointerpretation nicht so ohne weiteres nachvollziehbar ist.
Stefan Pieper [14.11.2014]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Violeta Dinescu | ||
1 | Lytaniae für 3 Violoncelli | 00:12:12 |
2 | Lytaniae für 13 Violoncelli | 00:12:48 |
3 | Lytaniae für 17 Violoncelli | 00:07:40 |
4 | Lytaniae für 11 Violoncelli | 00:02:04 |
5 | Lytaniae für Violoncello 5-saitig | 00:09:11 |
6 | Lytaniae für 31 Violoncelli | 00:04:16 |
7 | Lytaniae für 23 Violoncelli | 00:00:45 |
8 | Lytaniae für 5 Violoncelli | 00:05:25 |
9 | Lytaniae für 53 Violoncelli | 00:01:54 |
Interpreten der Einspielung
- Marcel Spinei (Violoncello)